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Nach Gasexplosion in Halle Nach Gasexplosion in Halle: «Es wird nie wieder so wie früher»

Von Walter Zöller 02.05.2003, 17:56

Halle/Bonn/MZ. - Hans Fuhrmann genießt die wärmende Frühlingssonne. Der 52-Jährige sitzt in einem Ausflugslokal in Bonn und blickt auf den Rhein. Er spricht zwar leise, aber mit kraftvoller Stimme: "Es wird nie wieder so sein wie früher."

Früher, das war das Leben vor der verheerenden Gasexplosion am 21. Dezember 2002 in Halle. An jenem Sonnabend freute sich Fuhrmann auf das Wochenende in der Saalestadt. Seit Mitte der neunziger Jahre lebte der Rheinländer hier. Als Leiter eines Forschungsprojektes der Sächsischen Akademie der Wissenschaften beschäftigte er sich mit alten Inschriften, in seiner Altbauwohnung in der Stephanusstraße fühlte er sich rundum wohl.

Fuhrmann hatte sich kurz vor 11 Uhr gerade hingesetzt, um die Zeitung zu lesen. Was dann passierte, weiß er nur aus Erzählungen und Zeitungsberichten. Eine Explosion ließ das große Haus in der unmittelbar angrenzenden Stephanusstraße 3 wie ein Kartenhaus zusammenfallen. 100 weitere Gebäude wurden zum Teil schwer beschädigt. Das Zimmer, in dem Fuhrmann gesessen hatte, existierte nicht mehr. "Ich wurde," so Fuhrmann, "aus dem zweiten Stock nach unten geschleudert."

Den Rettungskräften bot sich ein Bild wie nach einem Bombenangriff. Später war von einem Wunder die Rede, dass bis auf einen - nämlich Hans Fuhrmann - niemand ernstlich verletzt wurde. Doch Fuhrmann brauchte ein zweites Wunder, um zu überleben. Notärzte stellten schwerste Kopfverletzungen fest, in der Spezialklinik Bergmannstrost in Halle kämpften Mediziner über Tage um das Leben des Rheinländers. "Ich war über einen Monat lang in einem künstlichen Koma."

Heute weiß Fuhrmann, wem er dieses Wunder zu verdanken hat. Zum Beispiel den Ärzten und dem Pflegepersonal in der Klinik Bergmannstrost. "Die haben das", so Fuhrmann, "sehr gut gemacht. Ich hätte auch gelähmt sein können." Und den vielen Verwandten, Freunden und seiner Partnerin. "Auch in der Zeit, als ich im Koma lag, war immer jemand da. Ich glaube, dies hat mir sehr geholfen."

Und dem 52-Jährigen half und hilft sein starker Wille. So meisterte er die vielen Operationen, so kommt er nun in einer Reha-Klinik in Bonn - in der er seit Mitte Februar ist - Schritt für Schritt dem Alltagsleben näher. Dabei wird nichts wieder so sein wie früher. Dass eine solche Krise auch eine Chance beinhaltet, noch bewusster durchs Leben zu gehen, ist Fuhrmann klar.

Doch noch überwiegen andere Gedanken und Gefühle. "Gegenüber früher", sagt er, "habe ich nur verloren." Noch muss er täglich darum kämpfen, ganz gesund - "wieder alltagstauglich" - zu werden. Einige "Miss-Empfindungen am Schädel", wie Fuhrmann es nennt, werden zurückbleiben. Und zurück bleibt die Erinnerung an die vielen persönlichen Gegenstände, die durch die Explosion vernichtet wurden. Etwa seine wertvolle Sammlung von Schallplatten und seine Fachbibliothek mit 3000 Bänden.

Noch unternimmt Fuhrmann in Bonn viele Spaziergänge am Rhein. Aber er wird schon bald nach Halle zurückkehren. Zunächst, um mit den Ärzten in der Klinik Bergmannstrost zwei noch notwendige Operationen abzusprechen. Sind die überstanden, will er sich wieder eine schöne Altbauwohnung suchen und seine Arbeit im Institut fortsetzen.