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MZ-Serie zur Völkerschlacht - Teil 6 MZ-Serie zur Völkerschlacht - Teil 6: Schrecken der Nächte

Von margit boeckh 18.10.2013, 18:06
Während der Schlacht entstanden diese Zeichnungen, sie sind Teil der Sammlung des Sanitäts- und Lazarettmuseum Seifertshain.
Während der Schlacht entstanden diese Zeichnungen, sie sind Teil der Sammlung des Sanitäts- und Lazarettmuseum Seifertshain. MZ/Sanitätsmuseum Lizenz

leipzig/MZ - Die Schlachtentage vom Oktober 1813 bei Leipzig sind in unzähligen Büchern ausführlich dargestellt – wissenschaftlich exakt, historisch, politisch, militärisch. Doch menschlich bewegend, ja nacherlebbar wird das Geschehen von damals vor allem in den zahlreichen Berichten von Augenzeugen.

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Soldaten und Offiziere beider Seiten griffen ebenso zur Feder wie Stadtchronisten, Publizisten, Pfarrer, Kaufleute, Bürger. Männer und nicht wenige Frauen haben damals unter dem Eindruck des Erlebten notiert, was sie tagtäglich sahen und erdulden mussten.

Auch von jenem entscheidenden 19. Oktober 1813. Es war ein Dienstag. „Als sich die Morgennebel verzogen hatten (es war nach 8 Uhr), wurde es ein schöner sonniger Herbsttag“, notierte ein Wetterbeobachter. Es war der Tag, an dem die Kämpfe endgültig die Innenstadt von Leipzig erreichten. Napoleon hatte die Nacht, die letzte vor seinem fluchtartigen Rückzug, im „Hotel de Prusse“ verbracht. Dank der peniblen Notizen des Leipziger Oberstadtschreibers Gottlob Wilhelm Werner ist sogar sein kärgliches Frühstück belegt. Selbst für den zu dieser Stunde noch mächtigsten Mann der Welt gab es kaum noch etwas, was man auf den Tisch stellen konnte. Lakonisch kommentiert Werner: „Ein einleuchtenderer Beweis, wie groß der Brotmangel in Leipzig war, kann wohl kaum geführt werden.“

Nach dem Mahl ritt der Kaiser in Begleitung seiner wichtigsten Heerführer in die Stadt ein. Der Musikschriftsteller Friedrich Rochlitz beobachtete von seinem Haus die seltsame Stimmung: „Jeder Posten seiner Soldaten empfing ihn mit Jubelgeschrei, in den Straßen ward kein Laut gehört.“ Nur wenig später sah er den Korsen „im schlechten, kotbespritzten Überrock“ davonreiten – für immer.

Die Leipziger hörten indessen Schüsse und Kanonendonner näher kommen. An den Anblick von Verwundeten hatten sie sich schon gewöhnen müssen. Die Opfer der Kämpfe ringsum waren zu Tausenden in die Stadt gebracht worden. Die Lazarette überfüllt. So lagen diese Armen blutüberströmt, wimmernd und schreiend in den Straßen. „Der Zustand der Stadt ist schrecklich“, hatte Rochlitz schon zuvor notiert. Jede Familie, ob arm oder reich, habe bei angedrohter Strafe „abliefern müssen, was eine Armee brauchen kann: Betten, Küchengeräte, Mundvorrat.“

Doch war das erst die Vorhut des Horrors. „So schrecklich die Tage waren, um so fürchterlicher waren die Nächte“, berichtet der Totengräber des Johannisfriedhofs Johann Daniel Ahlemann. „Am schrecklichsten war die Nacht zum 19. Oktober. Ein unabsehbarer Zug von Wagen, Geschütz, Menschen und Vieh drängte sich mit Gebrüll zum Kohlgärtner Tor herein, während man ringsum Tausende von Wachtfeuern und die Feuersäulen brennender Dörfer in die dunkle Nacht aufflammen sah.“ Als die Verbündeten an diesem Schicksalstag gegen Mittag die Innenstadt stürmen, bringen Kugeln und Granaten Mauern zum Einsturz, Häuser gehen in Flammen auf.

Ein russischer Stabsoffizier berichtet von Kämpfen, bei denen polnische und russische Soldaten wie im Blutrausch aufeinander losgehen. Ein französischer Korporal hatte voreilig die Elsterbrücke gesprengt. Was auch seine eigenen Leute traf. Durch die Explosion flogen „zerrissene Pferde- und Menschenkörper durch die Luft“. Hunderte napoleonische Soldaten werden getötet, Hunderte weitere schaffen es nicht ans rettende Ufer.

Bibliothekar Ferdinand Heinrich Grautoff sah diese Szenerie: „Der schwarze moorige Fluss war wie gedämmt von Leichen der Menschen und Pferde. Längs beiden Rändern des schmalen Flusses hoben sich bald über das Wasser viele tausend Arme, die zum Teil schon mit den Händen in das Gras des hohen Ufers fassten.“ Vergeblich.