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MZ-Schulbesuch - Teil 1 MZ-Schulbesuch - Teil 1: Auf der Schulbank

Von KATRIN LÖWE 08.05.2011, 17:16
Schulleiterin Karin Strobach im Kreis ihrer Schützlinge. Um den Alltag an der Allstedter Schule dreht sich eine neue MZ-Serie. (FOTO: MAIK SCHUMANN)
Schulleiterin Karin Strobach im Kreis ihrer Schützlinge. Um den Alltag an der Allstedter Schule dreht sich eine neue MZ-Serie. (FOTO: MAIK SCHUMANN) CARDO

ALLSTEDT/MZ. - Wenn es zur Mittagspause geht, dann kann man in dem altehrwürdigen Gebäude leicht geneigt sein, sich für einen Moment die Ohren zuzuhalten. Über hundert ausgelassene Steppkes, Erst- bis Viertklässler, auf engstem Raum im Flur: Wie bitteschön sollte es da auch ruhig zugehen? Zumal Geduld nun einmal nichts ist, worin sich Kinder in diesem Alter sonderlich auszeichnen würden.

Gerade aber müssen sie warten. "Wir wollen nicht, dass alle einzeln losrennen", sagt Karin Strobach, Leiterin der Grundschule in Allstedt (Landkreis Mansfeld-Südharz). Aus Sicherheitsgründen. Denn zum Speisesaal geht es derzeit nicht über den Pausenhof, sondern auf dem Weg um das komplette Schulgelände herum. Und das liegt direkt an einer Kreisstraße.

Bauzäune verhindern dort, dass die Kinder im Übermut aus der Schultür direkt auf die Straße laufen. Strobach hat dafür gekämpft, dass es mehr Zäune als ursprünglich geplant sind. Auf dem Hof - eigentlich dem kürzesten Weg zur Essensbaracke - rattern derweil Baumaschinen vor sich hin. Laut. Laut genug, dass die Lehrer später in ihrer Dienstberatung den Raumplan umwerfen, damit die Drittklässler bei ihrer nächsten Vergleichsarbeit nicht gegen den Lärm vom Hof ankämpfen müssen.

Auf den neuen, modernen Schulhof freuen sich alle. Und im Improvisieren ist das Team um Karin Strobach inzwischen schon geübt: Erst im vergangenen Jahr wurde im laufenden Schulbetrieb die Heizung saniert. Nicht nur, aber auch das gehört zum Alltag einer Grundschule.

Wie der tatsächlich aussieht, mit all den großen und kleinen Erfolgen, all den Sorgen und Nöten, all den Veränderungen der vergangenen Jahre? Kommen Sie und begleiten Sie uns eine Woche, hat Schulleiterin Strobach angeboten, als die MZ kürzlich über die geplante Abschaffung der umstrittenen verbindlichen Laufbahnempfehlungen für Grundschüler schrieb, die aufs Gymnasium wollen. Um es kurz zu machen: Gerne doch! Eine Woche lang wird die MZ also wieder die Schulbank drücken, mit Schülern und Eltern sprechen. Und natürlich mit den Lehrern.

Auf 175 Mädchen und Jungen kommen in Allstedt derzeit inklusive Schulleiterin elf Lehrkräfte und zwei pädagogische Mitarbeiter. Abgesehen von einer Referendarin: Gerade einmal vier der Lehrerinnen im reinen Frauen-Team sind noch unter 50, sagt Strobach, die Jüngste ist Jahrgang 1967. Ein bisschen bedauert die Chefin das. "Man lernt doch gern mal von den Jungen, ich finde es wichtig, mit neuen Ideen konfrontiert zu werden", sagt sie.

Die jungen Lehrer aber, die sind in der Vergangenheit oft abgewandert. Wie viele andere auch. In Mansfeld-Südharz hat das neben der sinkenden Geburtenzahl wie überall zu Schulschließungen geführt. Die benachbarte Grundschule in Wolferstedt schloss 2004 ihre Pforten, die Kinder wechselten nach Allstedt. Aus einem 15-Kilometer-Umkreis kommen rund 60 Prozent der Kinder heute mit dem Schulbus gefahren. Weil mit dem Bus erst Sekundarschüler nach Eisleben gebracht werden, musste in diesem Jahr der Beginn an der Grundschule auf 8 Uhr nach hinten verlegt werden.

Strobachs Team hat sich darauf eingestellt. Wie auf vieles in den vergangenen Jahren. Die Chefin zählt auf: Schule mit verlässlichen Öffnungszeiten, Schule mit festen Öffnungszeiten, Schulprogramme, flexible Schuleingangsphase. "Unterricht nach dem Schema ,für alle gleich' gibt es heute nicht mehr", sagt sie. Nicht nur, weil es heute schuleigene - wenn auch an Vorgaben angelehnte - Lehrpläne gibt. Auch, weil selbst innerhalb einer Klasse mit mehreren unterschiedlichen Wochenplänen gearbeitet wird, um die Schlauen ebenso zu fördern wie die Benachteiligten oder Lernauffälligen.

Gerade hat Strobach wieder Sonderförderstunden für die Arbeit im sozialen Brennpunkt beantragt. Zu einem solchen zählt die industrieschwache Region: Nur wenige Familien der Grundschüler leben von zwei Einkommen, rund 30 Prozent von Hartz IV. Und 40 Prozent der Eltern sind alleinerziehend.

Strobach selbst führt zweimal pro Woche Sportförderunterricht mit Schülern der ersten und zweiten Klasse durch. Gedacht für die, die etwas zu viel auf die Waage bringen, für die ängstlichen, für die hyperaktiven. "Alles kleine Individualisten", sagt Strobach augenzwinkernd und lässt die Zweitklässler bei Spielen durch die kleine Turnhalle flitzen. Die eine oder andere Bockigkeit ist inbegriffen.

Die Zahl der Schüler, die lern- oder verhaltensauffällig sind, steigt, sagt die Pädagogin. Die Ursachensuche? Schwierig. "Viele", glaubt sie, "bräuchten mehr Bewegung, wir waren früher oft draußen." Heute seien die Eltern ängstlicher geworden, Kinder würden mehr behütet. "Das merkt man in der Schule." Einen Snoezelraum hätte Strobach gerne, damit sich der eine oder andere Grundschüler mal abreagieren kann. Noch ist der, im Gegensatz zum neuen Schulhof, aber nur ein Wunsch.

Lesen Sie am Dienstag: Wie auch die Schwächsten mithalten sollen.