MZ im Gespräch mit Lieselotte Franke MZ im Gespräch mit Lieselotte Franke: «Ohne Tarifangleichung droht ein Ausverkauf von Ärzten»
Halle/MZ. - Nicht nur Sachsen-Anhalts Kliniken klagen über Ärztemangel. Das Gesundheitsministerium ist aber der Auffassung, es gebe genügend Mediziner...
Franke: Und dies ist nicht einmal von der Hand zu weisen. Aber sie sind nicht in Krankenhäusern, sondern in anderen Bereichen tätig, die attraktiver sind, als der harte Alltag in einer Klinik - zum Beispiel in der Pharmaindustrie, als Berater von Krankenkassen oder Ministerien, in der Medizintechnik. 25 Prozent der Mediziner, die ihr Studium abschließen, nehmen keine unmittelbar ärztliche Tätigkeit auf.
Wer sich dennoch für den harten Klinikalltag entscheidet, tut dies häufig im Westen. Warum?
Franke: Ärzte, die in einer Klinik in den neuen Bundesländern angestellt sind, erhalten noch immer etwa neun Prozent weniger Gehalt, als ihre Kollegen im Westen. Gleichzeitig steigt aber der Arbeitsaufwand und die Arbeitsintensität. So betreut ein Krankenhausarzt in Deutschland pro Jahr im Durchschnitt 115 Fälle. Bei einem ostdeutschen Krankenhausarzt sind es aber 136 und bei einem sachsen-anhaltischen gar 139 Fälle.
Wäre es möglich, Ärzte mit außertariflichen Anreizen zu halten?
Franke: Das geben die Klinikbudgets nicht her. Die Finanzausstattung ist begrenzt. Die Häuser sind ja kaum in der Lage, vereinbarte Tariferhöhungen zu finanzieren.
Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, um die Lage zu entspannen?
Franke: Wir brauchen vor allem eine zügige Angleichung der Ost-Gehälter an das West-Niveau. Die Tarifparteien haben das für das Jahr 2009 in Aussicht gestellt. Ich fürchte, bis dahin findet hier ein Ausverkauf von Ärzten statt, wenn nicht kurzfristig finanzielle Anreize für die Tätigkeit im Klinikbereich geschaffen werden. Außerordentlich wichtig ist, Wiedereinsteiger zu gewinnen, das heißt etwa, dass Ärztinnen aus dem Mütterjahr wieder tätig werden und Ärzte aus den anderen Tätigkeitsfeldern in die Kliniken zurückzuholen.
Werden denn genügend Studenten ausgebildet?
Franke: Die Zulassungszahlen für das Medizinstudium müssten dafür sofort erhöht werden. Allerdings stehen die Ärzte mit Studium und Facharztausbildung erst in zehn Jahren zur Verfügung. Ende der 80er Jahre wurde in der damaligen Bundesrepublik eine Ärzteschwemme festgestellt. Damals wurden 20 Prozent weniger Studenten zum Medizinstudium zugelassen. Heute hat sich auch in den alten Ländern die Situation grundlegend gewandelt. Aber die Studentenzahlen sind auf dem alten Stand.