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Modell «Bürgerarbeit» Modell «Bürgerarbeit»: Arbeitslosigkeit in 13 Wochen gut halbiert

Von Petra Buch 21.12.2006, 07:32

Bad Schmiedeberg/dpa. - Heute gehört sie zu den Frauen und Männerndes Pilotprojektes für den Arbeitsmarkt in Deutschland mit dem Titel«Bürgerarbeit» in der rund 4200 Einwohner zählenden Kleinstadt Bad Schmiedeberg. Ziel ist es, Langzeitarbeitslose über einegemeinnützige Tätigkeit wie in Vereinen, der Kirche, bei derBetreuung von Senioren, Kindern und Jugendlichen außerhalb der Schuleoder bei der Freiwilligen Feuerwehr wieder in den Arbeitsprozess zuintegrieren.

Finanziert wird die «Bürgerarbeit» aus Mitteln der Arbeitsagentur,der ARGE Wittenberg und vom Land Sachsen-Anhalt, das dieArbeitgeberanteile bei der Sozialversicherung übernimmt.«Arbeitsplätze in der Wirtschaft dürfen damit aber auf keinen Fallgefährdet werden», betont Rainer Bomba, Geschäftsführer bei derRegionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur (BA) fürArbeit in Halle. Mit Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister ReinerHaseloff (CDU) gilt er als einer der Initiatoren des Projekts«Bürgerarbeit», das bundesweit für Aufsehen sorgt.

Innerhalb weniger Wochen ist durch das Projekt in Bad Schmiedebergdie Arbeitslosigkeit von 15,6 Prozent auf 6,8 Prozent gesunken, freutsich Bürgermeister Stefan Dammhayn (CDU). Es war im Juli zunächstbeim Verein Lebenshilfe in Magdeburg mit 20 «Bürgerarbeitern» als«Laborversuch» gestartet. Am 15. November wurde es erstmalsin Deutschland mit dem Kurort im Naturpark Dübener Heide auf einekomplette Kleinstadt und damit in der Fläche ausgeweitet.

«Als das Angebot im November kam, war das für mich wie ein Sechserim Lotto», erzählt «Bürgerarbeiterin» Kolbe, die Mutter von vierJungen im Alter von 8 bis 18 Jahren ist. Bis 2004 hatte sie mit ihremMann eine eigene Firma für Güterkraftverkehr. «Die Auftragslage warsuper, aber die Kosten fraßen unser Geschäft auf», sagt sie. «Ich wardann zur Hausfrau verdammt, das war furchtbar für mich», erzählt diegelernte Verkäuferin, die sich nach der Wende zur Bürokauffrauqualifizierte.

«Für unsere Stadt ist das Projekt Bürgerarbeit ein Glücksfall, füruns war Mitte November schon Weihnachten», sagt der Bürgermeister.«Wir können in Bad Schmiedeberg nun Dinge machen, wofür wir sonst garnicht in der Lage wären», sagt das Stadtoberhaupt der hochverschuldeten Kommune. So zeigt «Bürgerarbeiterin» Kolbe auf die inaltdeutscher Schrift verfasste Chronik der Freiwilligen Feuerwehr desOrtes. Per Computer arbeitet sie die Handschriften nun für das 125-jährige Bestehen sorgsam für die heutige Generation auf. 30«Bürgerarbeiter» gab es in Bad Schmiedeberg zum Start der Projekts.

Dadurch hat auch der 48-jährige Reiner Kaspar, gelernterLandmaschinentraktorenschlosser, wieder eine Beschäftigung und möbeltdie historischen Feuerwehrautos fachmännisch auf. Die Kirche undSenioreinichtungen im Ort schätzen die Hilfe auch. In BadSchmiedeberg gibt es nun mehr als 80 «Bürgerarbeiter», bis 130 sollenes laut Arbeitsagentur demnächst sein. Weitere 150 «Bürgerarbeiter»sind in Barleben bei Magdeburg ab Februar 2007 geplant, Thüringen istauch im Gespräch.

Im Unterschied zum «Ein-Euro-Jobber» bekommen die «Bürgerarbeiter»einen Arbeitsvertrag für eine sozialversicherungspflichtigeBeschäftigung für ein Jahr. «Je nach Qualifikation sind das im Monatbei 30 Stunden in der Woche im Durchschnitt 800 Euro brutto», erklärtBomba. Die gesetzlichen Möglichkeiten für eine großflächigeAusweitung des Projekts seien begrenzt. «Da ist die Politik gefragt»,sagt er. Obwohl die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt 2006 aufnunmehr 16 Prozent (November) gesunken ist, sei «Vollbeschäftigungmomentan aber noch eine Illusion», räumt Bomba angesichts von 202 600Arbeitslosen in Sachsen-Anhalt (Mitte November) ein.