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Mitteldeutscher Rundfunk Mitteldeutscher Rundfunk: Das Spiel mit der Stimme

Von Andreas Hillger 21.12.2006, 19:52

Halle/MZ. - Der kleine Kerl wirkt alles andere als hölzern und keineswegs verängstigt. Quicklebendig kommt er auf Strümpfen um die Ecke geschliddert, marschiert hinter dem Mischpult zur gegenüberliegenden Tür und verschwindet fröhlich grinsend im Nachbarraum. Wenig später aber klingt seine Stimme körperlos aus Lautsprechern - und fleht ängstlich, nicht ins Feuer geworfen zu werden ...

Karl Heinrich, der hier die Rolle der Holzpuppe Buratino so herzzerreißend spielt, ist eines der rund 30 Sprecherkinder beim Mitteldeutschen Rundfunk. Seit sechs Jahren treffen sie sich in zwei Gruppen zweimal pro Monat im halleschen Funkhaus an der Spitze, ebenso lange werden sie dabei von Conny Wolter betreut. Und weil die Schauspielerin weiß, wie wichtig Erfolgserlebnisse für die Motivation junger Künstler sind, organisiert sie ihnen neben Rollen in Hörspiel-Aufnahmen alle zwei Jahre eine eigene Produktion.

Nach Janoschs "Löwenzahn und Seidenpfote", nach dem Märchen "Die zertanzten Schuhe" und nach E. T. A. Hoffmanns "Nussknacker und Mausekönig" steht nun also Alexej Tolstois Geschichte von der Puppe "Buratino" auf dem Programm. Wenn man dem Wimmern der Marionette lauscht, mit deren Hilfe ein böser Theaterdirektor gerade seinen Herd anheizen will, ahnt man schon die im Endeffekt beabsichtigte Atmosphäre und Spannung. Immerhin ist es dem bundesweit einzigartigen Ensemble bereits mit seinem Hoffmann-Märchen gelungen, zwischen Stars wie Otto Sander und Rufus Beck auf der angesehenen Tübinger Hörbuch-Bestenliste zu landen - bevor das Werk im Radio zu hören war.

Dies nämlich bleibt ein Problem der schönen Stücke: Weil es keine vergleichbaren Modelle im öffentlich-rechtlichen Hörfunk gibt, fehlt es auch an Programmplätzen. Rundfunkanstalten reagieren auf ausschließlich von Kindern gesprochene Hörspiele so skeptisch wie Verlage, erst das Lob der Hörbuch-Jury sorgte dafür, dass "Die zertanzten Schuhe" im Deutschlandradio ausgestrahlt wurde.

Obwohl es auch für "Buratino" bislang keinen Sendeplatz gibt, stellt der Heimatsender MDR den Sprecherkindern diesmal immerhin Studiozeit samt Schnitt- und Tonmeister zur Verfügung - was sich Steffen Brosig und Dietmar Hagen durch ihre bisherigen Ehrenamts-Einsätze verdient haben. Conny Wolter, die als Leiterin des Ensembles beim MDR beschäftigt ist, investiert Zeit für die Projekte noch immer ehrenamtlich - vom Schreiben der Hörspielvorlage bis zur Abmischung von Text und Musik.

Warum sie das tut? Als Siebenjährige gab die gebürtige Leipzigerin 1976 ihr Hörspiel-Debüt in einem "Krimi am Freitag", aus dieser Zeit und ihrem Schauspielstudium hat sie viel für ihre Hörspiel-Arbeit gelernt. Doch während Leistung damals vor allem über Kritik erzeugt wurde, motiviert die erfahrene Sprecherin ihre Schützlinge vor allem mit Lob und mit starken Emotionen: "Solange du redest, brennst du nicht", ruft sie Karl Heinrichs Buratino durch das Mikrofon in den Nachbarraum. Und nach dem fünften Versuch stellt sie fest, dass er die Figur "wahrscheinlich von Anfang an richtig" angelegt habe.

Während Conny Wolter nach dem Umzug des MDR von Leipzig nach Halle 2000 noch Aufbauarbeit leisten musste und erste Kinder in einer Art Casting fand, sind die Kapazitäten der Sprechergruppe inzwischen fast ausgeschöpft. Möglicherweise tragen dazu Erfolgsgeschichten wie die von den "Zertanzten Schuhen" bei, die als Bühnenstück bis nach Estland reisten. Vielleicht aber spricht sich unter Eltern auch herum, dass die Kinder im Studio ihre Phantasie trainieren und Selbstbewusstsein tanken. In jeder Probe, sagt die Regisseurin, lerne sie von ihren Darstellern. Und obwohl die eigene Website der Gruppe noch in Arbeit ist, obwohl die Idee zu einer Agentur-Gründung vorerst verworfen wurde, nehmen die Anfragen von anderen Sendern stetig zu. Das dürfte sich noch steigern, wenn "Buratino" fertig vorliegt - diesmal ausnahmsweise nicht zu Weihnachten, aber höchstwahrscheinlich zu Ostern.

CD-Bestellung per Mail an [email protected] oder Tel.: 0345 / 522 06 88.