Mittelalter Mittelalter: Die Kaiserin geht über glühende Pflugscharen

Der Teufel naht in der Gestalt eines Ritters. An drei Morgen schleicht sich der Verderber in die Kammer der Kaiserin Kunigunde (um 980-1033) in Bamberg, um „zu ihrer Schande“ nach außen hin den Eindruck zu erwecken, „als habe er die Nacht bei ihr gelegen“. Der Plan geht auf. Kunigundes Ehemann, der weithin gerühmte ottonische Kaiser Heinrich II. (973-1024) verfällt in Traurigkeit. Was tun? Die Kaiserin muss öffentlich geprüft werden.
Über zwölf glühende Pflugscharen soll Kunigunde barfuß laufen. Will Gott deren Unschuld beweisen, bleibt sie unverletzt. So nimmt die Tortur ihren Lauf, aber anders als es der Teufel entworfen hatte. Kunigunde tritt auf die heißen Eisen, auf dem zwölften bleibt sie stehen. Und siehe da: „Darauf stand sie wie auf taufrischem Gras, und das Eisen gab unter ihr nach, als wäre sie auf Tau getreten. Mit bloßen Füßen stand die Herrliche voll Gottvertrauen auf dem Boden.“
So berichtet es der Dichter Ebernand von Erfurt in seiner 1220 verfassten Verslegende „Kaiser und Kaiserin“, die in der Literatur unter dem Namen „Heinrich und Kunigunde“ bekannt ist. Von dem halleschen Altgermanisten Manfred Lemmer aus dem Mittelhochdeutschen erstmals ins Neuhochdeutsche übertragen, liegt die Legende nun in einer zeitgemäßen, für jedermann gut lesbaren Prosafassung vor. Es war die letzte Arbeit Lemmers, der 2009 im Alter von 80 Jahren gestorben ist. Dessen maschinenschriftlich überlieferte Legendenfassung gab der Trierer Altgermanist Kurt Gärtner im Sandersdorfer Renneritz Verlag heraus, illustriert mit den farbigen mittelalterlichen Holzschnitten des Nürnberger Malers Wolf Traut.
Tatsächlich weht der „Geist des Mittelalters“ durch dieses schöne Stück alter Literatur, das - Merseburg eingeschlossen - alle Lebensstationen des Kaiserpaares in kleinen Kapiteln erzählt. Mit dem Ziel, das weltliche Kaiserpaar mit allen literarischen Mitteln zu einem „heiligmäßigen“ (Lemmer) zu stilisieren. Was schließlich gelang.