Kult-Marke Sudenburger Pils Magdeburg Sudenburg: Bockbier statt Boxen

Magdeburg - Es macht plopp - und die Sudenburger Pils-Flasche mit dem Bügelverschluss ist offen. Plopp, plopp, plopp ... macht es Samstagnacht im „Geheimclub“. Im angesagten Magdeburger Techno-Tempel trinken viele junge Gäste die heimische Biermarke.
Sudenburger Bier mit Kult-Potenzial
„Am meisten verkaufen wir Beck’s, Sudenburger und Astra streiten sich um Platz zwei“, sagt Club-Besitzer Enrico Ebert-Schmidt. Überraschenderweise greifen auch viele junge Frauen zu. Sie haben Bock auf Bock-Bier. Das liegt zum einen am milden malzigen Geschmack, zum anderen aber auch daran, dass die Flasche auf der Tanzfläche verschlossen werden kann - nichts schwappt über. Sudenburger hat bei den Partygängern jedenfalls Kult-Potenzial.
Ein Geheimtipp ist das Magdeburger Bier im nördlichen Sachsen-Anhalt allerdings schon längst nicht mehr. Dafür haben zwei Männer gesorgt: Ulf Steinforth und Christof Hawerkamp. Gemeinsam haben sie die traditionsreiche Marke vor drei Jahren neu belebt und seit Mitte August wird auch wieder in der Landeshauptstadt gebraut.
Vom FC St. Pauli gekommen
Der Magdeburger Steinforth ist ein hochgewachsener Mann, der Stoff des XL-T-Shirt spannt an seinen kräftigen Oberarmen - ein Erbe aus der Zeit als Amateur-Ringer. Steinforth gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Box-Promotern, besitzt aber ein eher verspieltes Hobby: Er sammelt historische Werbetafeln. In seinem Fundus lagern auch zahlreiche Schilder von ehemaligen Brauereien aus der Landeshauptstadt. „Obwohl ich selbst kein Biertrinker bin, störte es mich immer, dass unsere Stadt kein eigenes Bier mehr hatte.“ Aus der Liebhaberei zur Bier-Werbung wurde irgendwann die Idee, selbst zu brauen. „Ohne nachzudenken, gaben wir Sudenburger ein zweites Leben“, sagt der Unternehmer.
Ohne nachzudenken? Nach einer Lehre für Baumaschinentechnik in der DDR war für Steinforth klar, selbstständig arbeiten zu wollen. Also war er zunächst als Schmuck-Designer tätig und verkaufte seine Waren auf Märkten. Nach der Wiedervereinigung stieg er in den Handel mit Spielautomaten ein. Ein lukratives Geschäft damals.
Vom regionalen Boxstall-Chef zum international erfolgreichen Promoter
Über das Sponsoring von Sport-Veranstaltungen rutschte er in die Box-Szene. „Ich bin ein Typ, der mutig ist“, sagt Steinforth. Überheblich klingt er dabei nicht. Es soll nur so viel heißen wie: Ohne Risiko geht es nicht. Aus einem regional tätigen Boxstall-Chef wurde innerhalb weniger Jahre ein international erfolgreicher Promoter, der Weltmeister wie Robert Stieglitz, Dirk Dzemski oder Natascha Ragosina betreute. Boxer Dominic Bösel ist auf dem Weg zur Weltspitze.
Ganz so ambitioniert sind seine Pläne in der Bier-Branche nicht. Zusammen mit Christof Hawerkamp entwickelte er ein Konzept für Sudenburger. Der Hamburger Hawerkamp leitete schon einen Kinderfernseh-Sender und war langjähriger Presse-Sprecher des Fußballclubs FC St. Pauli. Sie wollten ein unverwechselbares Produkt. Also entschieden sie sich zu 0,33 Liter-Flaschen mit Bügelverschluss. Die farbigen Etiketten, einstiges Markenzeichen von Sudenburger, behielten sie bei, gestalteten sie nur neu. Damit gingen sie im Sommer 2014 in den Handel. Gebraut wurde allerdings in einer Privatbrauerei in Franken, wenn auch mit der traditionellen Rezeptur. Die Magdeburger fanden schnell Geschmack an dem neuen, alten Bier. Obwohl mit 14,40 Euro pro Kasten nicht gerade ein Schnäppchen, kaufen viele Biertrinker die Marke. Alle großen Supermarktketten haben Sudenburger in die Regale aufgenommen, das nun im Umkreis von 50 Kilometern um Magdeburg verkauft wird.
Trend aus den USA: Biere mit hohen Hopfenanteil
„Wir profitieren von einer neuen Lust auf Bier“, sagt Hawerkamp. Einerseits kämpfen viele große Hersteller in Deutschland mit Absatzrückgängen, andererseits gibt es zahlreiche Neugründungen. „In den vergangenen Jahren sind 100 neue Brauereien in Deutschland entstanden“, verkündet Marc-Oliver Huhnholz vom Deutschen Brauerbund zuletzt stolz. Diese stellen vor allem handwerkliche Biere mit einem hohen Hopfenanteil her. Der Trend kommt aus den USA. Die sogenannten „Craft-Biere“ entstanden als Reaktion darauf, dass die Großbrauereien die Sortenvielfalt einschränkten.
Auch in Sachsen-Anhalt verdoppelte sich die Zahl der Braustätten seit 1997 auf nun 24. Bei den Gründungen handelt es sich fast ausschließlich um Kleinstbetriebe. Neben Sudenburger beliefern inzwischen auch die Bitterfelder Brauerei und die Museums- und Traditionsbrauerei Wippra (Mansfeld-Südharz) den Handel.
Die bisherige Abfüllung in Bayern brachte Steinforth jedoch auch Ärger mit der Wettbewerbszentrale ein. Sie klagte erfolgreich dagegen, dass mit „Magdeburger Biertradition“ geworben wurde. Das hat sich nun erledigt.
In einer eher schmucklosen Fabrikhalle im Ortsteil Sudenburg wurde eine neue Brauanlage installiert - die meterhohen Edelstahltanks glänzen im Sonnenlicht. Wichtigster Mann vor Ort ist nun Mark Anton Hiller. Der Brauer stellt fast im Alleingang die drei Sorten Pils, Helles und Bock her. „Eine Besonderheit bei uns ist, dass das Bier mehr als 28 Tage in den Tanks reift“, sagt er. Nicht nur die Rezeptur, sondern auch der Prozess der Herstellung sei für den Geschmack entscheidend. Je kälter ein Bier gebraut wird, umso länger dauert es. Doch dadurch kommen weniger Bitterstoffe ins Bier. „Geschmacklich unterscheiden wir uns daher von industriell hergestellten Bieren“, meint Hiller. Zwei Millionen Euro wurden bisher investiert, die neue Anlage hat eine Kapazität von einer Million Liter im Jahr. Damit könnten mehr als drei Millionen Flaschen hergestellt werden.
Garley-Brauerei in Gardelegen (Altmark): Steinforth übernimmt älteste Biermarke der Welt
Abgefüllt wird das Bier weiter in Franken. „Eine moderne Abfüllanlage können wir uns aktuell noch nicht leisten“, sagt Hawerkampf. Auch andere Projekte wurden zurückgestellt. So hat Steinforth ebenfalls die traditionsreiche Garley-Brauerei in Gardelegen (Altmark) übernommen, nachdem dort im Mai 2013 die Produktion eingestellt wurde.
Garley gilt als die älteste Biermarke der Welt. 1314 erhielt die Stadt Braurecht. „Aus dieser Marke lässt sich unglaublich viel machen“, ist Steinforth überzeugt. Allerdings sind die Produktionsanlagen in Gardelegen so veraltet, dass zur Inbetriebnahme eine komplette Modernisierung nötig wäre. „Das können und wollen wir aktuell nicht stemmen“, sagt der Firmenchef und zeigt sich auch offen für Partnerschaften.
Er hat wohl die Sorge, sich zu verzetteln. „Wir konzentrieren uns zunächst auf Sudenburger“, sagt er. Doch Steinforth wäre nicht Steinforth, wenn er nicht an einem Konzept für Garley arbeiten würde. Der Unternehmensname für das Bier-Geschäft wurde sicher ganz bewusst gewählt. Er heißt nicht Sudenburger Brauhaus, sondern Magdeburger Getränkekombinat. (mz)