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Lernen mit Laptop Lernen mit Laptop: «Ihr dürft hochfahren!»

Von MICHAEL FALGOWSKI 14.02.2011, 21:09
Zinsrechnung direkt auf dem Bildschirm- für die Schüler der Klasse 7b gehört dasinzwischen zum Alltag. (FOTO: ANDREAS STEDTLER)
Zinsrechnung direkt auf dem Bildschirm- für die Schüler der Klasse 7b gehört dasinzwischen zum Alltag. (FOTO: ANDREAS STEDTLER) CARDO

Halle (Saale)/MZ. - Die schöne neue Computerwelt bringt aus Sicht der Schüler nicht nur Vorteile. "Florian, bist du mit der ersten Aufgabe etwa schon fertig? Du arbeitest ja schon an der zweiten", fragt Mathelehrerin Kerstin Ebert. Der Siebtklässler ist ertappt - Aufgabe Nummer eins hat er ausgelassen. Er sitzt ganz hinten, in der letzte Reihe, doch abtauchen kann er dort nicht mehr. Denn was er gerade macht, das kann seine Lehrerin seit Kurzem an einer interaktiven Schultafel genau verfolgen.

Die Mathestunde am Richard-von-Weizsäcker-Gymnasium in Thale (Harz) hat begonnen. Die 21 Schüler der 7 b haben Buch, Hefter und Taschenrechner vor sich liegen - und ihren Classmate PC. "Ihr dürft jetzt hochfahren!", gibt Ebert die 21 Laptops frei. Einer der Rechner "bingt" sich geräuschvoll an. "Ton aus!", ruft Ebert sofort.

Seit einigen Tagen hat sich der Unterricht in Thale grundlegend verändert. Mit einer Berührung der Tafel schickt die Lehrerin Arbeitsblätter und Hausaufgaben virtuell auf die Rechner der Schüler. Und gleichzeitig ist alles auf der Tafel zu sehen, die alle nur "Board" nennen. Solche Boards gibt es inzwischen in vielen Klassenzimmern. Neu in Thale ist aber, dass jeder Schüler per Computer mit dieser Tafel vernetzt ist. "Alle Schüler mit Laptop in einem interaktiven Klassenzimmer, das ist einmalig in Sachsen-Anhalt", sagt Lehrerin Ebert.

Auf dem Stundenplan steht Prozentrechnung. Ebert hat allen Schülern Aufgaben geschickt. In einer Tabelle, die jeder am Berührungsmonitor des Rechners selbst gebaut hat, rechnen sie den Zinseszins für ein Spar-Guthaben aus. Ebert berührt unterdessen auf dem Board-Menü "Chat". Sofort sendet Cornelius eine Nachricht nach vorne auf die Tafel: "Ich verstehe die Aufgabe nicht." Er könnte das natürlich auch sagen, aber so macht es ihm mehr Spaß. Ebert geht zu dem Jungen und hilft. Die anderen rechnen derweil still weiter.

Die Vorteile für den Lehrer liegen auf der Hand. "Ich habe die Möglichkeit, jedes Tafelbild schon zu Hause vorzubereiten. Außerdem kann ich jedem Schüler nach Leistungsstärke individuelle digitale Arbeitsblätter schicken", sagt Ebert. Letzteres sei auf Papier bisher wegen des großen Aufwands gar nicht möglich.

Die 7 b soll bis zum Abitur an Computern unterrichtet werden. Sterben Hefter und Lineal nun aus? "Nein. Die Laptops dürfen wirklich nur ein Hilfsmittel sein", versichert Ebert. Der Lehrer müsste auch künftig den Unterricht gestalten. Das hätten Erfahrungen aus den USA gezeigt. "Dort haben einige Schulen die tragbaren PC inzwischen wieder abgeschafft", sagt sie. Der Fehler sei gewesen, dass man sich zu sehr auf die Computer gestützt habe, so Ebert. Tatsächlich soll es laut einer Studie des US-amerikanischen Bildungsministeriums für die Lernleistung der Schüler keinen Unterschied machen, ob mit Computern unterrichtet wird oder nicht.

Die Thalenser Eltern hat das nicht abgeschreckt. "Wir investieren in die Zukunft der Kinder", davon ist Silke Kraft, Vorsitzende des Klassenelternrates, überzeugt. Und Ebert bestärkt sie: "Den Computer täglich als ein normales Arbeitsgerät zu nutzen und vernetzt zu arbeiten, das ist später im Beruf wichtig." Der normale Informatikunterricht leiste das nicht.

Für die Rechner mussten die Eltern allerdings tief in die Tasche greifen: Knapp 470 Euro kostet ein Classmate-PC. Das kann in Raten abgezahlt werden. Gefördert wurden nur das surfende Klassenzimmer. Dazu gehören das W-Lan-Netzwerk und die gesamte Tafel-Technik. Beides unterstützte die Investitionsbank Sachsen-Anhalt mit 6 000 Euro. Die Ausnahme soll aber immer mehr zur Regel werden. Laut Schulleiterin Sabine Hesse ist geplant, in Thale künftig in jedem Jahrgang eine solche Laptop-Klasse zu installieren.

In der Klasse 7 b steht unterdessen Englisch auf dem Stundenplan, das zweite der beiden Fächer, die nun mit Laptop-Hilfe unterrichtet werden. Lehrerin Christiane Hinze lässt mit im Englisch-Buch vorgegebenen Wörtern Sätze bilden. Ein Teil der Schüler schreibt auf der Tastatur, ein anderer per elektronischem Stift auf dem umklappbaren Monitor. Lehrerin Hinze kontrolliert auf ihrer Tafel, noch während die Schüler schreiben. "Das digitalisierte Arbeiten verkürzt Zeit raubende Teile des Unterrichts, wie Arbeitsblätter kopieren und verteilen", sagt sie. Und bei der Gruppenarbeit müssten die Schüler, die ja untereinander vernetzt seien, nicht herum laufen.

Englisch ist die letzte Stunde an diesem Tag. Danach wird die 7 b die Rechner einpacken. Wenn es gut gelaufen ist, dann haben alle 21 ihre Mathe-Hausaufgabe im "Ringordner" gespeichert. So heißt ihr virtuelles Hausaufgabenheft. Die Schüler haben die Aufgabe aber nochmal notiert, in einem realen Hausaufgabenheft - zur Sicherheit.

Ein großer Bildschirm ersetztin der 7b des Gymnasiums Thale die Tafel.Lehrerin Kerstin Henze bedient sie per Berührung.Währenddessen arbeitet jeder der Schüler anseinem Laptop - und sein Bildschirm ist vornefür die Lehrerin sichtbar. (FOTO: ANDREASSTEDTLER)
Ein großer Bildschirm ersetztin der 7b des Gymnasiums Thale die Tafel.Lehrerin Kerstin Henze bedient sie per Berührung.Währenddessen arbeitet jeder der Schüler anseinem Laptop - und sein Bildschirm ist vornefür die Lehrerin sichtbar. (FOTO: ANDREASSTEDTLER)
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