1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Leipzig
  6. >
  7. Prozess um linke Gewalt in Leipzig - Verfassungsschutz erwartet Aktionen

Prozess um Lina E. Prozess um linke Gewalt in Leipzig - Verfassungsschutz erwartet Aktionen

Leipzig ist ein Hotspot der autonomen Szene und Brennpunkt linksextremistischer Gewalt in Deutschland. Sachsens Behörden sehen eine zunehmende Radikalisierung - immer häufiger gibt es auch Angriffe auf das Leben.

Aktualisiert: 07.09.2021, 06:29
Seit der Festnahme gab es bundesweit Solidaritätsdemo mit Lina E.
Seit der Festnahme gab es bundesweit Solidaritätsdemo mit Lina E. Foto: imago images/Hartenfelser

Leipzig/Dresden/dpa - Brand- oder Farbanschläge auf Häuser und Fahrzeuge, gewalttätiger Protest und Angriffe auf Polizei oder Rechte: Die linksradikale Szene in Sachsen wird nach Beobachtung des Verfassungsschutzes seit Jahren immer gewalttätiger. Es gehe nicht mehr nur um Farbbeutel und Graffiti an Häusern, sondern schwere Sachbeschädigung durch Brand und auch körperliche Gewalt, sagte eine Sprecherin des Landesamtes (LfV) vor dem ersten Linksextremismus-Prozess von gehobener Bedeutung im Freistaat. In der Verhandlung geht es um brutale Überfälle auf Personen aus der rechten Szene.

Auch das Bundesamt beobachtet „eine neue Qualität der gewalttätigen Übergriffe“ im Linksextremismus, sagte Präsident Thomas Haldenwang dem „Spiegel“. Es seien mehrere klandestine Kleingruppen entstanden, die sich vom Rest der Szene abschotten und gezielt politische Gegner angriffen. „Hemmschwellen sind gefallen, und teilweise wird der Tod der Opfer billigend in Kauf genommen“, so Haldenwang.

Eine Frau und drei Männer aus Leipzig und Berlin müssen sich ab Mittwoch vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft den Deutschen brutale Überfälle auf Personen aus der rechten Szene in Sachsen und Thüringen zwischen 2018 und 2020 vor. Dabei waren die Opfer erst ausgespäht und dann von mehreren Angreifern zusammengeschlagen worden.

Generalbundesanwalt sieht Leipzgerin Lina E. als Anführerin

Für den Generalbundesanwalt ist Studentin Lina E. aus Leipzig die Anführerin einer militanten linksextremistischen Gruppe, die noch größer sein soll. Die 26-Jährige befindet sich seit zehn Monaten in Untersuchungshaft. Zwei Gleichaltrige aus Leipzig und Berlin sowie ein 36-Jähriger aus Leipzig sind auf freiem Fuß. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor sowie teils gefährliche Körperverletzung, besonders schweren Landfriedensbruch und Sachbeschädigung.

Der Linksradikalismus sei schwer zu fassen, sagte der Leiter des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrums am Landeskriminalamt Sachsen (LKA), Dirk Münster. Bei diversen Straftaten der Vergangenheit, die der Szene zuordnet werden, konnten oft die Täter nicht gefunden werden. Das Vorgehen sei professionell, die Spurenlage nicht gerade üppig. In Sachsen gibt es seit Ende 2019 neben der wiederbelebten Soko Rex auch eine Soko LinX.

Hohes Interesse an Prozess gegen Lina E. aus Leipzig

Die Dynamik bei Gewalttaten politisch motivierter linker Kriminalität nimmt laut Münster zu. Inzwischen gebe es drei Mal mehr linke als rechte Gewalt. Linksextremen Gewalttätern wurden 2020 im Freistaat 231 Straftaten zugeordnet, auf der rechten Gegenseite waren es 75 - Tendenz steigend. Das LfV beziffert die Szene in seinem Bericht 2019 - der neue wird erst Anfang Oktober veröffentlicht - auf 760 Personen, 415 gelten als gewaltbereit. Personenschäden bis zum Tod würden billigend in Kauf genommen, heißt es.

Das mediale Interesse an dem ersten Prozess dieser Art in Sachsen ist groß: Rund 100 Journalisten und andere Medienvertreter sind akkreditiert. Der Senat hat bisher 48 Zeugen und drei Sachverständige geladen, terminiert ist bis vor Weihnachten - und vorsorglich bis Ende März 2022. Heftige Kritik kommt aus der linken und linksradikalen Szene, die von einem „politischem Prozess“ spricht.

Schon die Festnahme von Lina E. löste Solidaritätsaktionen und Straftaten aus, bis zu Brandstiftungen an Fahrzeugen von Bundespolizei, Bundeswehr oder Unternehmen, sagte die LfV-Sprecherin. Die Behörde sieht auch während des Prozesses ein Risiko für linksextremistische Straf- und Gewalttaten, auch anderswo in Deutschland.