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  7. Montagsdemos in Leipzig: Linke und Rechte protestieren gegen Regierung

Sieben Demos gleichzeitig Tausende Linke und Rechte protestieren in Leipzig gegen Regierung - Neue Demos angekündigt

Linke melden eine Demonstration gegen die Energie- und Sozialpolitik der Bundesregierung an - und Rechte versuchen, sich einzuklinken: Sieben Demos in Leipzig gleichzeitig halten die Polizei auf Trab.

Aktualisiert: 06.09.2022, 06:36
Teilnehmer einer linken Demonstration gegen die Energie- und Sozialpolitik der Bundesregierung stehen auf dem Augustusplatz.
Teilnehmer einer linken Demonstration gegen die Energie- und Sozialpolitik der Bundesregierung stehen auf dem Augustusplatz. Foto: Jan Woitas/dpa

Leipzig/dpa - Tausende rechte und linke Demonstranten haben in der Leipziger Innenstadt gegen die Energie- und Sozialpolitik der Bundesregierung protestiert - gleichzeitig, aber getrennt.

Ein großes Aufgebot der Polizei schaffte es, die politischen Lager am Montagabend weitgehend voneinander fern zu halten. Die Stimmung war teils aggressiv, es kam zu Gerangel. Größere Zwischenfälle meldete die Polizei aber bis zum Ende der Demos nicht.

„Montagsdemo“ in Leipzig: Linke protestiert gegen hohe Energiepreise

Hintergrund der Proteste ist der starke Anstieg bei Energie- und Lebensmittelpreisen. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Bund hatte am Wochenende ein Paket im Umfang von 65 Milliarden Euro angekündigt, um Bürger zu entlasten. Die Demonstranten halten dies für unzureichend.

Die größte Demo mit bis zu 4.000 Teilnehmern hatte die Partei Die Linke unter dem Motto „Heißer Herbst gegen soziale Kälte“ angemeldet. Dort sprachen unter anderen Parteichef Martin Schirdewan und der frühere Fraktionschef Gregor Gysi. Sie warfen der Bundesregierung eine Mitschuld an den sehr hohen Energie- und Lebensmittelpreisen vor und forderten wirksame Entlastung.

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Freie Sachsen: Gegenprotest stoppt Marsch über Leipziger Ring

Daneben gab es sechs weitere angemeldete Kundgebungen von links und rechts, darunter auch von der rechtsextremen Splitterpartei Freie Sachsen. Diese versuchten, nach einer Kundgebung auf dem Augustusplatz über den Leipziger Ring zu ziehen.

Doch wurden ein Teil der rechten Teilnehmer von Gegendemonstranten blockiert, ein andere von der Polizei aufgehalten. Von rechten Demonstranten wurden Polizisten als „Volksverräter“ beschimpft.

Polizei spricht von kleineren Auseinandersetzungen bei Demos in Leipzig

Laut Mitteilung der Polizei bewegten sich die Teilnehmerzahlen im „mittleren vierstelligen Bereich“ - also einige Tausend. Konkretere Schätzungen seien wegen der dynamischen Situation nicht möglich. Ein Polizeisprecher sagte am Montagabend, es sei auch „gewaltbereite Klientel dabei, die auch die Konfrontation gesucht hat“. Doch habe es nur kleinere Auseinandersetzungen gegeben.

Die Polizei teilte weiter mit, die Versammlungen seien „abschnittsweise dynamisch, aber friedlich“ verlaufen. Insgesamt seien mehr als 550 Polizisten und Polizistinnen im Einsatz gewesen. Mit Stand von Montagabend ermittle die Polizei in zehn Verfahren, unter anderem wegen Körperverletzung, Diebstahls und des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

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Freie Sachsen wollen Protest kapern – Linke distanziert sich

Während Anhänger der Freien Sachsen die Linke zum gemeinsamen Protest drängten, distanzierte diese sich scharf. Linken-Chef Schirdewan sprach von „rechten Spinnern“. Doch lasse man sich das Recht zum Protestieren nicht nehmen.

„Ein heißer Herbst gegen die soziale Kälte der Bundesregierung ist notwendig“, sagte Schirdewan und kündigte weitere Proteste für die nächsten Tage an. Zu den jüngsten Plänen der Ampel-Koalition sagte er: „Das ist doch ein Entlastungsfake.“

Sören Pellmann fordert mehr Entlastungen für Bürger

Der Leipziger Linken-Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann sagte, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine habe zur Lage beigetragen, „aber viele der Probleme sind durch die Bundesregierung hausgemacht.“

Mit Druck von der Straße müsse man nun „Milderungen dieses Unheils“ erreichen. Als Forderungen nannte er unter anderem einen Stopp der Gasumlage, einen gesetzlichen Deckel auf Gas- und Strompreise und eine Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel.

Kritik an Pellmann wegen Montagsdemos

Pellmann wurde dafür kritisiert, dass er von „Montagsdemos“ gesprochen hatte - ein Begriff aus der Zeit der friedlichen Revolution in der DDR, den sich inzwischen auch rechte Gruppierungen angeeignet haben.

Pellmann sagte der dpa, die Linke lasse sich „von Rechten keine Wochentage wegnehmen“. Sie habe die Aufgabe, Protest in demokratische Bahnen zu lenken.

Protest gegen Bundesregierung: Schnittmenge zwischen Links und Rechts

Schwierig ist die Abgrenzung aber nicht nur, weil Rechte versuchen, sich in die Protestkampagne der Linken einzuklinken. Auch einige Slogans von rechts und links ähneln sich. Wie die Linke mobilisiert auch die AfD mit dem Spruch „Heißer Herbst“.

AfD-Chef Tino Chrupalla spricht von einem „Wirtschaftskrieg“ der Bundesregierung gegen Russland - ein Begriff, den auch die frühere Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht benutzt. Die Parteispitze geht auch zu Wagenknechts Positionen auf Distanz.

Linke kündigt neue Demos an

Nach dem Auftakt ihres sogenannten heißen Herbsts in Leipzig hat die Linke weitere Proteste gegen die Energie- und Sozialpolitik der Bundesregierung angekündigt.

Schon in den nächsten Tagen werde es in verschiedenen Städten weitere Demonstrationen geben - und kommenden Montag wieder in Leipzig, sagte Linken-Chef Martin Schirdewan bei einer Kundgebung in der Messestadt am Montagabend.