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Der Farben singt Der Farben singt: Peter Piek malt, rockt und macht Elektropop - mit Erfolg

Von Steffen Könau 20.01.2019, 11:00
In seinem Leipziger Atelier entwirft der gebürtige Chemnitzer Peter Piek nicht nur  rauschhafte Bilder ohne Oben und Unten, sondern auch  Klangwelten, die  in der deutschen Rock- und Popmusik einzigartig sind.
In seinem Leipziger Atelier entwirft der gebürtige Chemnitzer Peter Piek nicht nur  rauschhafte Bilder ohne Oben und Unten, sondern auch  Klangwelten, die  in der deutschen Rock- und Popmusik einzigartig sind. Andreas Stedtler

Leipzig/Chemnitz - Der Mann im kreischbunten Pullover schiebt sich durch den schmalen Gang dorthin, wo vermutlich die Bühne wäre, gäbe es heute Abend eine. Ein Schritt nach schräg, eine Körpertäuschung, und Peter Piek rutscht hinter sein Keyboard-Türmchen, eine Burg aus Tasten und Knöpfen und Reglern, an denen er sich zu schaffen macht.

Eine Locke hängt dem großgewachsenen Schlacks ins Gesicht, ein schmales Lächeln liegt ihm auf den Lippen. Aus den Boxen grollen Beats, die Piek mit Drehrädchen und Synthesizerschiebern abschmeckt wie ein Gourmetkoch das Lachstatar auf fermentierter Reispaste. Flaschen klirren, ein Nebel aus Gesprächsfetzen hängt in der Luft des Klubs „Lila Drache“ in Halle.

Doch dann beginnt Piek zu singen und es wird ganz still zwischen Bass und Melodie. „Rot ist rot, gelb ist Geld, Ozean ist blau, das ist Musik“, erklingt eine Stimme, die sich zu überirdisch anhört, als dass sie aus der Kehle des Mannes da vorn kommen kann.

Peter Piek verbringt Jugend in Proberäumen und vor der Staffelei

Peter Piek, der eigentlich Peter Piechaczyk heißt und seine musikalische Laufbahn als „Peter Stone“ begann. Aber was heißt Laufbahn. „Ich habe ja als Kind gestottert“, erinnert er sich, „kommt daher der Wunsch, sich auszudrücken, einfach, weil ich es nicht konnte.“ Piek, in einer Chemnitzer Familie aufgewachsen, „die sich gar nicht für Kunst interessiert hat“, verbringt seine Jugend in Proberäumen und vor der Staffelei. „Meine Oma hat mich immer mit ins Kunstmuseum genommen“, erzählt er, „der Brücke-Maler Schmidt-Rottluff war mein Idol.“ Piek nimmt Keyboardstunden und er schreibt Songs, er malt und singt, „damals noch mit ganz tiefer Stimme“. Malen und Musik, sagt er, hätten für ihn immer parallel stattgefunden. „Nur im Kopf war das getrennt, weil ich dachte, das versteht niemand, dass da ein Maler singt und ein Musiker malt.“

„Dass ein Maler singt und ein Musiker malt, das versteht keiner“, sagt Peter Piek.

Peter Stone ist für die Musik zuständig, Peter Piechaczyk dagegen schreibt sich nach dem Zivildienst in einem Altenheim an der renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst ein. „500 bewerben sich, 20 werden genommen und denen erzählen sie vom ersten Tag an, dass sie die Auserwählten sind.“ Piechaczyk fühlt sich fremd unter seinesgleichen, ein Sonderling und Exot schon allein, weil er die Musik so wenig für die Malerei aufgeben will wie die Malerei wegen der Musik. Der weltweite Erfolg der Maler der Leipziger Schule, beobachtet er, zwingt den Künstlernachwuchs zudem in eine unerbittliche Vermarktungslogik: Male doch einfach wie der oder der, dann verkaufst du gut! Eine „Normierung der Kunst“, fürchtet Piek. Kurz vor dem Diplom springt er ab. „Ich hatte bemerkt, dass ich mehr darüber nachdachte, wie ich Erwartungen gerecht werde, darüpber was ich künstlerisch zu sagen habe.“ Zum Abschied verschickt er trotzige Briefe an die Großgalerien der ostdeutschen Kunsthauptstadt: „Bitte kontaktieren Sie mich nicht wegen einer Ausstellung.“

Mit Gitarre und Skizzenblock tourt Piek um die Welt

Stattdessen taucht Peter Piek, wie er sich jetzt nennt - „Piechaczyk kann ja niemand aussprechen“ - in die Kelleretage der Kulturproduktion ab. Bewaffnet nur mit Gitarre und Skizzenblock tourt der Wahlleipziger um die Welt. Er spielt in Halle, Gera und Kiel, in New York, Memphis und Alabama, in London, Wien und Rom; er tritt in Bordeaux auf, in Barcelona und Porto, in Belgien, Schweden und China. Unterwegs geht Peter Piek auf eine harte Schule - Konzerte fast ohne Publikum, lange Reisen, die ihn nicht voranzubringen scheinen. „Es ist ja verrückt“, sagt er, „vor fünf Leuten aufzutreten.“ Noch verrückter aber sei es, dafür bis nach Spanien zu fahren.

Das ist er, der Untergrund unter der blitzenden Oberfläche der Norm-Kunst. „Irgendwann schert man sich nicht mehr darum“, sagt Piek, „und dann erlebt man die schönsten Dinge.“ Momente, in denen Künstler und Publikum fast so etwas wie Freunde werden. Abende, an deren Ende Menschen, die zuvor nicht ein Lied des Sängers kannten, jede Zeile leise mitsingen. „Man kann oft was Schönes draus machen“, weiß Peter Piek heute, mehr als 400 Auftritte nach seinem Debüt. In China hat er nach einer ersten Tour fast schon Star-Status. Eine halbe Million Klicks erreichen seine Videos im Reich der Mitte. „Aber klar, da sind viele nur neugierig auf einen komischen Typen aus Deutschland.“

Piek stellt in Klubs aus, am Rande von Auftritten

Der hat seine eigene Stimme erst unterwegs auf der Straße gefunden. Aus dem dunklen, tiefen Organ wird das helle Leuchten, das Pieks Liedern heute ihr Strahlen aufsetzt. „Da singt eine Frau, denken alle zuerst“, schmunzelt er über das Geschenk, das ihm die Natur gemacht hat und das er selbst über Jahre nicht ausgepackt hatte.

Jetzt nestelt Peter Piek in der Küche seiner Wohnung im Leipziger Norden an einer Verpackung, in der ein neuer Synthesizer steckt. Immer schon habe er mit Elektronik experimentieren wollen, sagt er, „aber das war alles viel zu teuer, um das Risiko einzugehen, dass es einem nichts bringt.“ Doch zuletzt hat Peter Piek die Gitarre in die Ecke gestellt und am Keyboard komponiert: Sein fünftes Album „Electric Babyland“, im Titel eine Hommage an Jimi Hendrix’ Klassiker „Electric Ladyland“, ist ein Elektropop-Album geworden, das es sogar ins Formatradio geschafft hat.

Auf dem Cover prangt wie stets ein Piek-Gemälde, denn Maler ist der Sachse ja auch immer noch. Und noch dazu einer, der dank der Musik dorthin gelangt, wo seine Künstlerkollegen nicht hinkommen. Öfter als in Galerien stellt Piek in Klubs aus, am Rande von Auftritten verkauft er mehr Bilder und selbstgemachte Piek-Pullover als frühere Kommilitonen über die Kanäle des Kunstmarktes.

Piek: „Alles, was in der Musik ist, kann man malen“

Dafür ist ein Piek-Bild aber eben auch nicht gewöhnlich, sondern stets der Versuch, mit den Mitteln der Malerei genauso emotional zuzufassen wie das mit denen der Musik gelingt. „Ich bin nicht Maler oder Musiker, sondern beides zusammen“, beschreibt der 38-Jährige, „und ich versuche, ein Werk aus Malerei und Musik zu schaffen“. Manche seiner Bilder sind deshalb rund, andere haben kein Oben und kein Unten. „Alles, was in der Musik ist, kann man malen“, erklärt Piek, „Rhythmus, Farbe, Harmonien, nur die Zeit, die lässt sich nicht abbilden - außer, wenn man keine Blickrichtung vorgibt.“

Der Malerfürst Neo Rauch hat ihm vor Jahren mal bestätigt, dass eines seiner Bilder „kein Bild“ sei - für Peter Piek eine Art Ritterschlag. „Damit sagt er ja, dass ich eine Handschrift habe.“ Mittlerweile hat Piek seine Nicht-Bilder in Spanien ausgestellt, in der Schweiz, in Polen und der Türkei, er hat in Italien gesungen, in der Schweiz und in Alaska. Nächste Woche tritt er in Graz auf, übernächste in Saalfeld. Ein Weltkünstler auf seine eigene Art: Die nächste Piek-Ausstellung findet im Art Museum von Hangzhou statt, 15 Flugstunden von Leipzig entfernt.   (mz)

Mehr Informationen zum Künstler:  www.peterpiek.de