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30 Jahre nach Gold für DDR in Calgary 30 Jahre nach Gold für DDR in Calgary: Was macht Eiskunstlauf-Star Katarina Witt heute?

Von Alexander Schierholz 14.03.2018, 11:00
Ein Selfie mit dem Eiskunstlauf-Nachwuchs: Katarina Witt in Taucha
Ein Selfie mit dem Eiskunstlauf-Nachwuchs: Katarina Witt in Taucha Andreas Stedtler

Leipzig - Es gibt Dinge, die kleben so sehr an einem, dass man sie sein Leben lang nicht mehr los wird. Bei Katarina Witt ist es, auch Jahre nach dem Ende ihrer Eiskunstlauf-Karriere, das Etikett „schönstes Gesicht des Sozialismus“. Ärgert es Sie, so auf Äußerlichkeiten reduziert zu werden, Frau Witt?

Ach nein, sagt sie, überhaupt nicht. Schließlich gehe es beim Eiskunstlaufen auch darum, Fröhlichkeit und Freude auszudrücken, mehr als in anderen Sportarten. „Aber allein mit Schönheit kommen Sie auf dem Eis auch nicht weit. Olympiasiegerin bin ich aufgrund meiner Leistung geworden.“

Mit legendärer „Carmen“ 1988 Gold in Calgary

Der Sozialismus existierte noch, 1988 in der DRR, als Katarina Witt als „Carmen“ bei den Olympischen Winterspielen im kanadischen Calgary Gold holte. 30 Jahre ist das her.

Und heute? Wer die Eiskunstläuferin fragt, was sie heute eigentlich beruflich macht, erhält eine verblüffende Antwort: „Einfach Katarina Witt sein. Das ist mittlerweile mein Beruf.“

Was das bedeutet, lässt sich am besten an einem Beispiel erklären. Die Kleinstadt Taucha nördlich von Leipzig, eine Eislaufhalle in einem trostlosen Gewerbegebiet, ein verregneter März-Tag.

Glamour geht anders, aber dem Dutzend Mädchen des Eis- und Sportvereins Halle (ESV) und des Leipziger Eissport-Clubs (LEC) ist das egal. Nebel wabert über das Eis, Popmusik dröhnt aus den Lautsprechern, als sie auf Kufen ihre Runden in der Arena drehen.

Katharina Witt wirbt für „Disney on Ice“

Gleich wird Katarina Witt kommen, sie wird sich mit den Mädchen für Fotos in Position stellen, dann wird sie Interviews geben. Ohne Schlittschuhe übrigens. Es ist ein PR-Termin für die Unterhaltungsshow „Disney on Ice“, die im November in der Leipziger Messe aufgeführt werden wird. Witt ist „Markenbotschafterin“ des Spektakels, wie die Marketing-Leute das nennen.

Und sie ist gut gelaunt. Sie lacht viel, für die Fotografen dirigiert sie die Mädchen, sie zählt bis drei, alle springen hoch. Ein Selfie noch, ein Bild nur mit den jungen Eiskunstläuferinnen aus Halle, dann eins mit den Leipzigern. Die Journalisten bekommen langsam kalte Füße.

Ex-DDR-Star betreibt Produktionsfirma

„Ich bin Botschafterin für verschiedene Bereiche, ohne diplomatischen Status“, sagt Katarina Witt lachend über sich selbst. Bei der Disney-Show gehe es um das Eiskunstlaufen, das unterstütze sie gerne.

Katarina Witt, geboren 1965 in Staaken bei Berlin, hat über die Jahre zahlreiche sportliche Erfolge gefeiert. Ein Überblick über ihre Karriere auf dem Eis:

1979: 14. Platz bei der Europameisterschaft in Zagreb

1980: 10. Platz bei der Weltmeisterschaft in Dortmund, 13. bei den Europameisterschaften in Göteborg

1981: 5. Platz bei den Weltmeisterschaften in Hartford (USA), 5. bei den Europameisterschaften in Innsbruck, DDR-Meisterin

1982: Vize-Weltmeisterin in Kopenhagen, Vize-Europameisterin in Lyon, DDR-Meisterin

1983: 4. Platz bei den Weltmeisterschaften in Helsinki, Europameisterin in Dortmund, DDR-Meisterin

1984: Weltmeisterin in Ottawa, Olympiasiegerin in Sarajevo, Europameisterin in Budapest, DDR-Meisterin

1985: Weltmeisterin in Tokio, Europameisterin in Göteborg, DDR-Meisterin

1986: Vize-Weltmeisterin in Genf, Europameisterin in Kopenhagen, DDR-Meisterin

1987: Weltmeisterin in Cincinatti, Europameisterin in Sarajevo, DDR-Meisterin

1988: Weltmeisterin in Budapest, Olympiasiegerin in Calgary, Europameisterin in Prag, DDR-Meisterin

1994: 7. Platz bei den Olympischen Winterspielen in Lillehammer

Sie ist aber auch „Klassik-Botschafterin“ für den Automobil-Konzern BMW, Botschafterin der „Deutschen Postcode Lotterie“, die Geld in Sozialprojekte steckt, und hat eine eigene Stiftung gegründet, die sich um Kinder und Jugendliche mit körperlichen Behinderungen kümmert. Zudem ist sie Unternehmerin, unter anderem mit einer Sport- und Entertainment-Produktionsfirma. Nur einige Beispiele.

Kann Katharina Witt Identifikationsfigur sein?

Katarina Witt ist eine der bekanntesten und beliebtesten ehemaligen Sportlerinnen mit DDR-Biografie - zweifache Olympiasiegerin, vier Weltmeister-, sechs Europameister-Titel.

Ihre Eiskunstlauf-Karriere begann in der DDR und endete im vereinigten Deutschland. Sie ist 52 Jahre alt, sie hat in zwei unterschiedlichen Systemen gelebt. Kann so jemand eine Identifikationsfigur sein für Ostdeutsche ihrer Generation, die die Brüche und Verwerfungen der Wende am eigenen Leib und im Elternhaus mitbekommen haben?

„Ich glaube schon“, antwortet sie, „weil ich immer ehrlich war. Ich war dankbar für die Wende, weil der Mauerfall mir beruflich und natürlich auch privat viele neue Möglichkeiten und Freiheiten bot. Ich bin aber auch der damaligen DDR dankbar, die es mir ermöglicht hat, meinen Sport auszuüben. Das habe ich nie geleugnet.“ Sie empfinde es als ein großes Privileg, eine Ost- und eine West-Biografie zu haben.

„Viele Menschen identifizieren sich mit ihrer DDR-Biografie“

Heute allerdings, sagt sie, könne sie mit diesen Kategorisierungen nichts mehr anfangen. Sie selbst hält die „Einteilung in Ost, West, Süd, Nord“ für „überflüssig“, räumt aber ein: „Es gibt viele Menschen im Osten, die sich mit ihrer DDR-Biografie identifizieren.“

Dies müsse im Westen stärker anerkannt werden. „Die Ergebnisse der Bundestagswahl haben gezeigt, dass es im Osten viel zu viele Menschen gibt, die das Gefühl haben, dass sie übersehen wurden.“

Als Experten bei Spielen in Pyeongchang

Während Katarina Witt im „VIP-Raum“ der Tauchaer Eis-Arena fleißig Interviews gibt, drehen die Mädchen vom ESV und vom LEC weiter auf dem Eis ihre Runden, ihre Eltern fotografieren und filmen.

Angeleitet von zwei Darstellerinnen der Show, dürfen die Kinder Teile der Choreografie einstudieren, einfach so, zum Spaß. „Ich freue mich“, sagt Witt, „dass Eiskunstlauf durch diese zauberhafte Show wieder populärer wird.“

Bei den jüngsten Winterspielen in Pyeongchang war sie als Expertin für die ARD im Einsatz. Sie hat mitgefiebert bei den Auftritten der Eiskunstläufer. Juckt es sie da, selbst noch einmal aufs Eis zu gehen? „Null“, sagt sie sehr bestimmt. „Ich freue mich einfach, dass die jungen Sportler das erleben, was ich selbst erlebt habe und hoffe, dass sie ebenfalls viele schöne Erinnerungen daran mitnehmen.“

Und als Trainerin vielleicht? Katarina Witt lacht ihr herzliches Lachen. „Niemals. Dafür bin ich viel zu ungeduldig“, sagt sie dann.

Die Wendung vom „schönsten Gesicht des Sozialismus“ übrigens war in den 1980er Jahren vom „Time Magazine“ geprägt worden, wurde aber später verkürzt wiedergegeben.

Etikett kommt von US-Journalist

Ein Journalist der US-Zeitschrift war von Katarina Witt offenbar so beeindruckt, dass er feststellte, wenn der DDR-Star das wahre Gesicht des Sozialismus sei, dann könnten die Vereinigten Staaten von ihm aus sozialistisch werden.

So entstehen sie, die Etiketten, die man nicht mehr los wird. (mz)