Leipzig Leipzig: Verein schenkt Bedürftigen ein neues Lächeln

Leipzig/dpa. - Zahnersatz kostet häufig ein kleines Vermögen. Das wissen vor allemsozial Schwache und schrecken deshalb vor einer Behandlung zurück - mit Folgen für die Gesundheit. Ein Leipziger Verein hat bereits 80mittellosen Menschen zu einem «gesunden Lächeln» verholfen.
Die Idee zu seiner «Manufaktur für sozialen undganzheitlichen Zahnersatz» kam Uwe Hempel in der eigenen Not: Vordreieinhalb Jahren ging der gelernte Zahntechniker mit seinem eigenenLabor in Dresden pleite. «Da habe ich gemerkt, wie schnell man ganztief fallen kann», sagt Hempel. Denn in einer solchen Notsituationkommen die Gedanken an die eigene Gesundheit oft an letzter Stelle.Mit seinem neuen Labor und dem angeschlossenen Verein «Zahnfee»versorgt Hempel Leute, die wenig Geld haben und nicht aus eigenerKraft für neue Zähne aufkommen können. Bisher wurden 80 Patientenbehandelt.
Der soziale Abstieg von Ursula Neufert aus Leipzig begann imNovember 2005. Aufgrund von Schulden konnte die frühere Lehrerin dieBeiträge ihrer privaten Krankenversicherung nicht mehr zahlen. DieKasse warf sie raus, und Neufert war nicht mehr versichert. Mit derPrivatinsolvenz zwei Jahre später begannen auch die Probleme mit denZähnen. «Nach und nach habe ich drei Zähne verloren, seitdem hält dieProthese nicht mehr und fällt immer raus», erzählt Neufert. Seit fünfJahren wurden ihre Zähne nicht mehr behandelt - allein die 150 Eurofür das Röntgen waren für Neufert unbezahlbar.
«Bei vielen sind noch nicht einmal die hohen Kosten das größteProblem», sagt Hempel. Immer wieder hat der 49-Jährige in Gesprächenmit Betroffenen erfahren, dass sie sich mit ihrem jahrelang ausKostengründen vernachlässigten Gebiss nicht mehr zum Zahnarzt trauen.«Die Hemmschwelle ist nach einer gewissen Zeit ohne jede ärztlicheBehandlung enorm hoch», erklärt der Zahntechniker. Hempels Patientenwaren im Durchschnitt 10 Jahre nicht beim Zahnarzt. Der Rekord stehtbei 25 Jahren ohne Behandlung. Doch der Verein baut im wahrsten Sinnedes Wortes Brücken - er führt Menschen, die sich schämen, Ärzten ihrkrankes Gebiss zu zeigen, wieder in die Praxen.
Seit der Eröffnung des Labors im Leipziger Osten, einem Bezirkmit einem hohen Anteil Bedürftiger, haben sich bis heute 120 Menschenbei Hempel gemeldet: Obdachlose, Hartz-IV-Empfänger, Drogensüchtigeund Menschen wie Ursula Neufert. Nach einem ersten persönlichenGespräch empfahl ihr Hempel schließlich einen Leipziger Zahnarzt.
Dr. Oliver Matthes ist einer von elf Zahnärzten, die die Idee desDentallabors unterstützen. «Ich erhalte viele Anrufe von Laboren, dieaber auf Gewinn aus sind», sagt Matthes. «Aber ich finde den sozialenAspekt gut.» Der Zahnarzt, der auch ein Schulprojekt in Nepalunterstützt, sieht auch hierzulande Handlungsbedarf. «Wir haben inDeutschland viele Fälle, wo schnell geholfen werden muss», meint er.
Die «Zahnfee» ist bundesweit nicht das einzige Projekt, das sichum die Zahngesundheit Bedürftiger kümmert. Aufgrund des hohenBetreuungsaufwands, der unter anderem auch Gespräche mitKrankenkassen umfasst, trägt es dennoch Modellcharakter.
Der Aufbau des kleinen Labors oberhalb einer Kneipe gelang Hempelmit viel Überzeugungsarbeit und einem Mikrokredit der Arbeitsagentur,die 10 000 Euro beisteuerte. Die restlichen 10 000 Euro verdiente ersich mit einem Job als Elektriker in Usbekistan. Aktuell arbeiten inder Manufaktur mit drei Werkstatträumen acht Personen, darunter zweiLehrlinge und ein Praktikant. «Es geht mir nicht darum, Gewinn zuerwirtschaften und anderen Laboren Konkurrenz zu machen», sagtHempel. «Wir greifen sowieso nur den Patienten unter die Arme, dielängst aus dem System gefallen sind.»
Doch auch Hempel muss wirtschaften. 90 Prozent seiner Patientensind überraschenderweise versichert, so dass die Behandlungskostennur bei einem kleinen Teil vorgeschossen werden müssen. «Wirversuchen das über Spenden zu finanzieren und hoffen auf eineVerbesserung ihrer finanziellen Situation.» Angesichts der Schicksalevieler Patienten erscheint das aber fast aussichtslos. Patienten, diesich neue Implantate nicht leisten können, dürfen die Kosten mitArbeit für den Verein zurückzahlen. Zwei von ihnen haben das bereitsgenutzt: Sie richteten einen vierten Werkstattraum im Labor her.