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Leipzig Leipzig: Tauziehen um Stadtwerke

Von Steffen Höhne 24.01.2008, 19:25

Leipzig/MZ. - Wolfgang Frankes Telefon klingelt im Minutentakt. Ein Anrufer möchte wissen, wo die Plakate bleiben, ein anderer, an welchem Ort die Flugblätter verteilt werden sollen. Ein dritter Gesprächspartner würde am liebsten über den Anteilsverkauf der Leipziger Stadtwerke diskutieren - und zwar von A bis Z.

Der Elektrotechniker beschränkt sich auf knappe Antworten. Er hat viel zu tun in diesen Tagen. Franke organisiert mit Henner Kotte und Mike Nagler in einer Bürgerinitiative den Widerstand gegen den Plan, Anteil der stadteigenen Stadtwerke in großem Stil zu verkaufen. Am Sonntag können die Leipziger dann entscheiden, was mit den Stadtwerken passieren soll. "Die Messlatte beim Bürgerentscheid liegt hoch, doch wir wurden schon öfters unterschätzt", sagt Franke.

Bis vor wenigen Monaten sah es so aus, als ob Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) den von ihm geplanten Verkauf von 49,9 Prozent der Stadtwerke reibungslos über die Bühne bringen würde. In einem Bieterverfahren setzte sich der französische Energiekonzern Gaz de France mit seinem Angebot von 520 Millionen Euro durch. Das Gebot lag deutlich höher als die von Experten erwarteten 380 Millionen Euro. Mit dem Geld will Jung einen Teil der städtischen Schuldenlast von 900 Millionen Euro tilgen, die städtische Versorgerholding LVV entschulden und Schulen und Kindergärten sanieren. Zudem wird Jung nicht müde zu betonen: "Wegen des harten Konkurrenzkampfs auf dem Energiemarkt brauchen die Stadtwerke einen finanzstarken Partner."

In der Leipziger Bürgerschaft regte sich dennoch heftige Kritik. Im Sommer 2007 gründete Franke mit einigen wenigen Mitstreitern die Bürgerinitiative "Stoppt den Ausverkauf unserer Stadt". Von einem kleinen Büro eines Bürgervereins aus organisierten sie eine Kampagne. Und was kaum für möglich gehalten wurde: Innerhalb von zwei Monaten sammelten sie 42 000 Unterschriften und erzwangen damit den Bürgerentscheid. Auf Veranstaltungen wirbt der Sprecher der Bürgerinitiative, Mike Nagler, seit Wochen für seine Position. "Ein Verkauf bringt immer nur kurzfristige finanzielle Entlastungen." Am Grundübel, der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen in Deutschland, ändere sich durch einen Millionendeal nichts.

Durch den Bürgerentscheid wurde der Anteilsverkauf zum großen Politikum. Immer mehr Kritiker meldeten sich zu Wort. Inzwischen hat Jung sogar die Mehrheit im Stadtrat verloren. Nur noch SPD und FDP folgen ihm. Linke und Bündnis 90 / Die Grünen waren schon immer gegen eine Teil-Privatisierung. Nun ist offenbar auch die CDU auf die Seite der Gegner umgeschwenkt - wenn auch aus anderen Beweggründen. Nun könnte der Teilverkauf sogar unabhängig vom Bürgerentscheid scheitern.

Die Linke möchte, dass die jährlichen Gewinne der Stadtwerke von zuletzt 50 Millionen Euro weiter voll in die Stadtkasse fließen. Der CDU gehen die Privatisierungspläne dagegen nicht weit genug. "Jung will Teile eines profitablen Unternehmens verkaufen, Verlustbringer wie die Leipziger Verkehrsbetriebe oder die Wohnungsbaugesellschaft behalten", sagt CDU-Stadtrat Clemens Meinhardt. Auch Gaz de France ist als Käufer umstritten. In Leipzig sitzt mit der Verbundnetz Gas AG, die ebenfalls für die Stadtwerke mitgeboten hatte, einer der größten deutschen Gasimporteure. Mit Gaz de France würde dem Unternehmen ein großer Wettbewerber vor die Haustür gesetzt. Zudem wird spekuliert, dass die Franzosen nicht nur bei den Stadtwerken, sondern in einem zweiten Schritt auch bei der Verbundnetz Gas AG groß einsteigen könnten.

Franke ist sich sicher, dass viele Leipziger zur Wahl gehen. Der Teilverkauf ist per Bürgerentscheid erst gestoppt, wenn mehr als 25 Prozent der Leipziger beziehungsweise 103 500 Bürger dies ablehnen. Zudem müssen die Gegner die Mehrheit der Stimmen erringen. Eine hohe Hürde: Oberbürgermeister Jung wurde 2006 in der Stichwahl mit nur 60 000 Stimmen zum Stadtoberhaupt gewählt.