Leipzig Leipzig: Schneeballsystem beschäftigt Richter
Leipzig/MZ. - Im Saal 115 des Leipziger Landgerichts gaben sich die Angeklagten wortkarg: "Keine Angaben" tönte es gleich zehnfach, nachdem Staatsanwältin Tanja Lötschert die Anklage verlesen hatte. Die Männer und Frauen auf der Anklagebank sollen seit dem Jahr 2000 bundesweit so genannte Schneeballsysteme betrieben haben. Das Gesetz ahndet das als "progressive Kundenwerbung" mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren.
Die Masche der Firma Produkt-Promotion-Vertrieb (PPV) in Leipzig war laut Anklage stets gleich: Arbeitslose wurden mit Aussicht auf einen Mini-Job als Fahrer auf eine Präsentationsveranstaltung gelockt, dort aber statt dessen zu einem Mitarbeitervertrag gedrängt, mit dem zwingend ein 3 700 Euro teures Motivationsseminare verbunden war.
Die neu Geworbenen wiederum sollten weitere Interessenten für den Abschluss von Seminarverträgen gewinnen. Dies war aus Sicht der Staatsanwaltschaft einziges Ziel von PPV und dreier eigens dafür gegründeten Seminarfirmen. "Bundesweit wurden bis Juli 2005 rund 5 000 Mitarbeiter angeworben", so Lötschert. Insgesamt dürften sie Zahlungen in mehrfacher Millionenhöhe geleistet haben. Allein die heutige Inhaberin von PPV, die 38-jährige Jana H. aus Kabelsketal (Saalekreis), habe zwischen September 2002 und Dezember 2004 nachweislich rund 655 000 Euro verdient. Auf der Anklagebank sitzen neben ihr die frühere PPV-Inhaberin sowie Vertriebsmanager. Mindestens für einen Teil will die Anklage Haftstrafen erreichen. Der Prozess dauert bis März.
"Ich hoffe, dass es wirklich zu einer harten Verurteilung kommt", sagte am Donnerstag Heike Kühnel, eines der Opfer von PPV und noch heute verschuldet wegen der Seminargebühren. "Hinterher fragt man sich selbst, wie dumm man war. Das kann keiner verstehen, der nicht arbeitslos und in einem Alter ist, in dem Jobs nicht mehr auf dem Präsentierteller liegen", sagte sie.
Unbeeindruckt von den Ermittlungen arbeitet die Firma indes weiter: Erst vor drei Wochen wurde in Peißen (Saalekreis) eine Präsentationsveranstaltung von PPV aufgelöst. Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Halle.