Lehman-Pleite Lehman-Pleite: Jagd nach Ersparnissen
EISLEBEN/HALLE/MZ. - "Nun hat sie das bisschen Geld, das sie sich mühevoll verdient hat, verloren. Es hat mir so wehgetan, dass es so etwas gibt", sagt der Mann aus Eisleben. Dabei hat das Aus der US-Großbank, das sich morgen jährt, auch ihn und seine Frau schwer getroffen. Sie verloren eine beträchtliche Summe ihrer Ersparnisse, die sie als Altersvorsorge vorgesehen hatten. "Man weiß ja nie, was einmal sein wird." Für ein Altersheim reiche die Rente nicht.
So wie den beiden Eislebern geht es einigen: "Wir schätzen die Anlegerverluste in Sachsen-Anhalt auf einen zweistelligen Millionenbetrag", sagt Sven Kretzschmar von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Andere Bundesländer seien noch stärker von der Lehman-Pleite betroffen. "Wir hatten vergleichsweise wenige Anfragen zu dem Thema. Sie bewegten sich im zweistelligen Bereich", so der Finanzexperte. Nach Schätzungen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) gibt es bundesweit insgesamt rund 50 000 Lehman-Geschädigte. Seit zwölf Monaten kämpfen viele von ihnen um ihr Geld.
Wie Günther Strauß: Er liegt im erbitterten Streit mit seiner Hausbank. Ein Stapel voller Hefter und Ordner hat sich dazu mittlerweile angesammelt. Der 76-Jährige wirft der Bank Falschberatung vor und fordert Schadenersatz. Nachdem er vor einigen Jahren bereits mehrere tausend Euro mit einer Anlage in Argentinien verloren hatte, habe er solch ein Risiko nicht noch einmal eingehen wollen. "Ich habe meiner langjährigen Beraterin gesagt, dass ich nicht wieder im Ausland anlegen will", sagt er. Als er eine sogenannte Cobold-Anleihe erwarb, habe er nicht geahnt, dass er damit in mehrere Banken in den USA investiert - unter anderem Lehman Brothers. Er ist aus allen Wolken gefallen, erzählt er, als ihn im September 2008 ein Brief der Bank erreichte, er sei von der Pleite betroffen. "Wie kommt mein Geld da hin?", habe er sich gefragt.
Die Vertreter der Bank indes beharren darauf, er sei über die Risiken der Anlage umfassend aufgeklärt worden und habe Produkte im Hochzinsbereich gewollt. Sie verweisen auf Beratungsprotokolle. "Es ist schlimm, wenn ein Haufen Geld verloren geht - aber es ist noch schlimmer, wenn man als Lügner dargestellt wird", sagt Strauß. Es habe Zeiten in diesem Jahr gegeben, da habe er nicht mehr schlafen können wegen all der Aufregung. "Ich war am Boden zerstört."
Bankkunden können ihre Berater zwar unter Umständen für verlustbringende Investitionsempfehlungen belangen, sagt Verbraucherschützer Sven Kretzschmar. "Doch der Kunde muss nachweisen, dass er falsch beraten wurde." Dafür eigne sich etwa das Gesprächsprotokoll, sofern es belegt, dass auf Risiken nicht hingewiesen wurde. Mitunter gebe es auch einvernehmliche Lösungen zwischen Bank und Betroffenen durch einen Vergleich. "Ob dies sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab." Er empfiehlt, sich an einen Anwalt zu wenden, der auf das Thema spezialisiert ist. Zuletzt hatten mehrere Landgerichte zugunsten der Privatanleger entschieden.
Das vergangene Jahr habe den Anlegern nicht nur klar gemacht, so Kretzschmar, "dass Banker keine Kundenberater sind, sondern Verkaufsgespräche führen". Es habe auch gezeigt, dass das Wissen über Finanzen bei vielen dürftig ist. DSW-Sprecher Marco Cabras hat als Folge daraus beobachtet: "Die Banken sind deutlich defensiver geworden, und die Anleger lesen jetzt die Produktbeschreibungen." Zwar sei die Position der Bankkunden vor Gericht zuletzt gestärkt worden, doch: "Die Leute müssen nicht nur rechtlich besser gestellt, sondern auch besser geschult und informiert werden, um auf Augenhöhe mit Bankberatern diskutieren zu können." Zudem müssten die Produkte transparenter werden. Es habe einen großen Vertrauensverlust gegeben.
"Die Banken müssen zeigen, dass sie aus den Fehlern gelernt haben", sagt der Sprecher des Bundesverbandes deutscher Banken, Thomas Schlüter. Ihr Image habe stark gelitten. Doch sie seien dabei, ihre Arbeitsweisen auf den Prüfstand zu stellen - etwa in der Debatte um Provisionen für Bankberater.
Günther Strauß vertraut unterdessen im Streit um sein Geld nun auf einen Anwalt. In ihn und das Lehman-Insolvenzverfahren setzt er all seine Hoffnung. Anlagen bei der Bank werde er nie wieder erwerben, hat sich der Geschädigte geschworen.