Wittenbergerin schreibt Krimi Wittenbergerin schreibt Krimi: Mord am Bergwitzsee?

Wittenberg - Die Szene spielt im Dienstzimmer des Wittenberger Polizeichefs: „Mir sitzt die Presse im Nacken“, beginnt der Revierleiter. „Doch nicht etwa der Kurt vom Elbekurier?“, unterbricht der erfahrene Ermittler. Doch der oberste Gesetzeshüter lässt sich nicht beirren.
„Diese Presse-Heinis stehen morgen wieder in meinem Büro. Ich brauche jetzt ein Ja oder Nein. Einen Mord oder einen Unfall. Eine Verhaftung oder eine Einstellung des Verfahrens.“ „Verstehe“, entgegnet der Ermittler, „kannst du nicht einfach an die Staatsanwaltschaft Dessau verweisen?“ Schließlich heißt es offiziell: „Die Polizei ermittelt in alle Richtungen.“
Dieser Satz ist fast tägliche Realität, der Dialog aber ist frei erfunden - und zwar von Sabine Hennig-Vogel. Die Wittenbergerin ist Mitglied der Autoren-Gruppe „Tödlich“, und seit dem 1. März ist ihr Roman-Debüt „Jahrring“ im Handel (ISBN: 978-3-947220-25-0) erhältlich. Es ist ein Regionalkrimi.
Die Geschichte ist schnell erzählt. Bei einem Picknick fällt eine Frau in der Idylle am Bergwitzsee tot um - Allergieschock. Alle Anwesenden sind ehemalige DDR-Studenten und durch ihr Studium in der Sowjetunion auf besondere Weise miteinander verbunden.
Hat einer der sieben Erdnussöl unter die selbst gemachten Speisen gemischt und damit die Frau absichtlich in tödliche Gefahr gebracht? Gegenüber der Polizei wird angedeutet, dass die Gruppe von einem Stasi-IM - das räumt der KGB ein - unterwandert und Briefe geöffnet worden waren.
Doch konnte das nach 25 Jahren der Auslöser für eine solche Tat sein? Oder ist die Kinderlosigkeit ein mögliches Motiv? Zudem verschwinden Tagebücher. Kann der Täter überführt werden?
Das ist die Frage, die den Leser fesseln soll. Denn schließlich ist ziemlich schnell klar, dass - und bei einem Giftmord nicht überraschend - eine Frau die Täterin ist. „Ich habe keinen Thriller geschrieben“, sagt die 55-Jährige, die in ihrem Buch Sympathien für die vermeintliche Mörderin entwickelt. Das liegt vielleicht auch daran, dass in dem Roman die Geheimdiensttätigkeiten nicht frei erfunden sind.
„Bei meinen Geschichts-Studium in Russland hatten wir auch einen IM in der Gruppe. Es wurden Briefe geöffnet“, berichte sie. Bis heute weiß sie nicht, wer für die Stasi geschnüffelt hat. „Ich habe aber einen Verdacht“, sagt die Wittenbergerin, die auch gern mal einen „Tatort“ aus Münster schaut.
Diese TV-Produktionen zeichnen sich durch witzige Dialoge aus. Hennig-Vogel sorgt in ihrem Krimi auch fürs Schmunzeln. Sie empfiehlt ihrem Chefermittler: „Du solltest mal beim Bergwitz-Triathlon mitmachen, dann kennst du dich rund um den See auch besser aus.“
Die Autorin lässt viele Fragen bewusst offen und trotzdem ist es spannende Lektüre. Dabei hat Hennig-Vogel jetzt endgültig die Seiten gewechselt - vom Viel-Leser zum Schreiber. Dabei hat sie schon immer gern geschrieben, per Hand, auch in Sütterlin, das beim Romandebüt eine große Rolle spielt.
Gern auch Briefe. Oder ein paar Gedichtzeilen. Über teilweise skurrile Erlebnisse im Arbeitsleben kam sie endgültig zum Schreiben. Erst nur für sich selbst. Dann schloss sie sich einer Gruppe an, dem Literaturclub „federweise“ unter Leitung Katharina Düwels.
Internet und die neuen Möglichkeiten des Selfpublishing machten vieles möglich. Learning by doing – diesen Weg ging Hennig-Vogel, und das in einem Alter, in dem andere schon auf die Rente schielen. (mz)