Wettkampf in Wittenberg Wettkampf in Wittenberg: Leichtathleten mit Handicap beim Werfertag

Wittenberg - Martina Willing sitzt im Rollstuhl und wartet am Diskusring auf ihren Einsatz. Die 59-jährige Vorzeigeathletin hat seit 1988 an allen Paralympics teilgenommen und sich in den Wurfdisziplinen eine ganze Medaillen-Sammlung erkämpft. Martina Willing bekennt, dass der Sport in ihrem Leben eine große Rolle spielt.
„Jede Reise zu Wettkämpfen ist für mich auch eine kulturelle Entdeckungstour“, erzählt die Athletin aus Cottbus, die daraus zudem ihre Motivation zieht, Leistungssport unter erschwerten Bedingungen auszuüben. „Wittenberg ist für mich immer wieder ein lohnenswertes Ziel. Ich bin zum zehnten Mal dabei. Das heißt: Ich feiere heute ein kleines Jubiläum.“
Fehlende Zuschauer
Zum traditionellen Werfertag der TSG Wittenberg im örtlichen Arthur-Lambert-Stadion, der am Samstag unter dem Motto „Wurf mit Handicap“ steht, hat sich wiederholt die deutsche Elite eingefunden. Neben Willing will es auch Ulrich Iser aus Halle wissen, auf dessen Visitenkarte 17 Medaillen bei Paralympics, Welt- und Europameisterschaften stehen.
Hinzu kommen die deutschen Rekorde in den Disziplinen Kugelstoßen (11,48 m), Diskuswurf (30,26 m) und Speerwerfen (26,24 m). „Ich verneige mich vor Wilfried Gärtner und seinem Organisations-Team. Es ist die qualitativ beste Veranstaltung im Behindertensport in Sachsen-Anhalt“, sagt er und betont, dass dieser Wettkampf mehr öffentliche Aufmerksamkeit verdient hat.
Dabei verweist Iser auf die nahezu leeren Zuschauerränge. In diesem Punkt ist sich der Schirmherr der Veranstaltung, Kreissportbund-Präsident Uwe Loos, mit dem Hallenser Athleten einig.
Verbesserte Lebensqualität
Der Aufruf zum 100-Meter-Lauf hallt durchs Stadion. Martina Scheer von der TSG hat als Gesamtleiterin alle Abläufe und den Zeitplan im Griff. Ihr zur Seite stehen 20 Helfer, unter ihnen auch der ehemalige Hallenser Wurftrainer Erhard Kurz. Alle 22 Athleten leisten am Sonnabend etwas Besonderes. Sie finden sich nicht ab mit ihrem körperlichen Handicap.
22 Teilnehmer aus sieben Bundesländern sind am Samstag beim Wettbewerb „Wurf mit Handicap“ im Arthur-Lambert-Stadion in unterschiedlichen Wertungsklassen am Start gewesen. Der Wettkampf diente den Sportlern aus der Nationalmannschaft auch als Qualifikationswettbewerb für die Weltmeisterschaften, die vom 14. bis 23. Juli in London über die Bühne gehen. Insgesamt stellten die Sportler mit Behinderung in der Lutherstadt zwölf persönliche Bestleistungen auf.
Zeitlich versetzt zu den Olympischen Sommerspielen finden die nächsten Paralympics vom 25. August bis 6. September 2020 in Tokio statt. 642 954 Mitglieder zählt der Behindertensportverband und ist damit einer der mitgliederstärksten Deutschlands.
Durch den Sport hat sich die Lebensqualität verbessert. Diese Tatsache vereint alle. Großen Respekt verdient sich der Chemnitzer Hans-Ulrich Prill, der seit 1980 im Rollstuhl sitzt. Als Paralympics-Teilnehmer von Sydney und Athen wirft er in Wittenberg persönlichen Rekord. Die Keule landet nach 18,15 Metern auf dem Rasen. Sein Jubelruf ist nicht zu überhören.
Spastikerin Hanna Wichmann ist aus Greifswald angereist. Beim Meeting in Dubai erkämpfte sie sich den dritten Platz im Kugelstoßen. Ihr großes Ziel heißt Tokio 2020. Teamkollege Vincent Fischer aus der U 23-Nationalmannschaft stellt in Wittenberg persönliche Bestleistungen mit Diskus und Speer auf. Viel Respekt hat sich auch die Sehbehinderte Janne Sophie Engeleiter (alle HSG Uni Greifswald) verdient, die für die 100 Meter lediglich 13,40 Sekunden benötigt.
Für das Wittenberger Augustinuswerk geht Hans Hausmann an den Start. „Ich habe mich seit Monaten auf dieses Ereignis vorbereitet. Sport verursacht bei mir Freude im Herzen“, sagt er und rennt die 100 Meter in 15,91 Sekunden. „Ich wünsche mir mehr Teilnehmer aus unserer Einrichtung. Es ist mir bisher nicht gelungen, Kollegen zu überzeugen“, so Hausmann.
Im Viererpack sind Patrick Bergner, Michael Sandmann, Nils Paschold und Tino Philipp (alle SV Schwarza) angereist. Einstimmig erzählen sie, dass sie sich solch eine tolle Veranstaltung auch in anderen Bundesländern wünschen. „Wittenberg hat einen Top-Werfertag zu bieten. Dafür ein großes Lob!“
Alle Ergebnisse sind im Internet unter www.tsg-wittenberg.de einsehbar. (mz)