Tierschutzverein Tierschutzverein: Petra Sauer folgt auf Erna Wiese

Wittenberg - Das muss man sich dann wohl wie die Arche Noah vorstellen. Ob sie selbst zu Hause Tiere hat? Petra Sauer lacht. Aber ja! Hunde, Katzen, Ziegen, Pferde, Vögel, Fische... die Liste nimmt kein Ende. Und Pflegekinder, kleine Menschen, habe sie auch, mindestens zwei, manchmal auch eines mehr.
„Ich bin wie ’ne Glucke“, sagt Sauer fröhlich, „und helfe, wo ich kann“, Kindern und Tieren, Tieren und Kindern, „die können sich selbst ja nicht wehren“.
Streitbare Vorgängerin
So gesehen ist ihr Engagement im Wittenberger Tierschutzverein wohl nur folgerichtig. Seit Oktober ist die 55-Jährige, die mit ihrer Familie bzw. Menagerie in einem kleinen Dorf östlich von Wittenberg lebt, die Vorsitzende des Vereins.
Sie hat damit die Nachfolge von Erna Wiese angetreten, die in diesem Jahr in hohem Alter starb und vielen Wittenbergern als überaus streitbare Kämpferin für die Kreatur in Erinnerung sein dürfte. Petra Sauer räumt zwar ein, dass sie sich in viele Sachen noch „reinfuchsen“ müsse, Manschetten vor dem Erbe der langjährigen Vorsitzenden hat sie aber ganz offenkundig nicht.
Der Tierschutzverein Wittenberg ist einer von 33 Vereinen in Sachsen-Anhalt, die der Dachorganisation Deutscher Tierschutzbund zugeordnet sind. Er finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Der Verein geht beispielsweise Hinweisen aus der Bürgerschaft nach und kooperiert dabei mit Behörden und Tierheimen, nimmt selbst hin und wieder Tiere auf und verhindert durch Kastration unerwünschten Nachwuchs bei freilebenden Katzen.
Wer den Verein unterstützen möchte, kann dies tun: Der TSV Wittenberg hat ein Konto bei der Sparkasse Wittenberg, IBAN: DE56 80550101 0000016110.
Schließlich habe sie die Unterstützung von Kassenwartin Christa Weller, die sich um sämtliche Formalitäten kümmert, und sei selbst schon 20 Jahre im Verein, zuletzt als Vize. Zudem habe sie Wiese über Jahre meist begleitet bei deren „Kontrollen“. Sie hat sie zu diesem Zweck auch herumgefahren, denn einen Führerschein geschweige denn ein Auto hatte die alte Dame ja nicht.
Trotzdem werde sie einiges anders machen als ihre Vorgängerin, „die man manchmal bremsen“ oder jedenfalls verstehen musste, „wie man sie nimmt“. Denn ein „bisschen herrisch“ sei Erna Wiese ja durchaus gewesen.
Das kann man so sagen und was Sauer jetzt - dick unterstrichen - erklärt, hängt unmittelbar damit zusammen: „Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt.“ Das wird immer dann hinzugezogen, wenn der Verein mit seinen Vorschlägen nicht durchdringt bei Menschen, die ihre eigenen Tiere vernachlässigen oder gar quälen.
Etwa 30 Mitglieder zählt der Wittenberger Tierschutzverein derzeit und was die dringend gesuchten Neuzugänge dort erwartet neben den üblichen zwei Vereinsversammlungen pro Jahr ist auch klar: „Sie können mithelfen.“ Sauer selbst kommt zupass, dass sie heute Hausfrau ist.
„Das würde ich sonst gar nicht alles schaffen“, sagt die Tochter aus einer Bauernwirtschaft, die Verkäuferin lernte, auch in der Landwirtschaft arbeitete und noch später dann mit einem Family-Frost-Transporter durch die Gegend fuhr; das, sagt sie, sei die Zeit gewesen, als der Tierschutz dann doch ein bisschen zu kurz kam: Ihr blieb zwischen all der TK-Ware für sich überhaupt nur der Sonntag.
Mit zarten 45 Jahren schulte sie gesundheitsbedingt dann noch einmal um zur Bürokauffrau, „mit Abschluss“, ja, aber gearbeitet hat sie dann doch nicht mehr in dem neuen Beruf.
Katzen für die Kinder
Ihre eigene Familie - Sauer hat drei erwachsene Kinder und vier Enkel - unterstütze sie in ihrem Engagement für die Tiere. Schon öfters, jetzt lacht die Tierschützerin wieder, „habe ich ihnen eine Katze auf die Nase gedrückt“.
So wie sie selbst über die Jahre zahllose Pflegetiere bei sich aufgenommen hat, die andere bei sich ausrangiert hatten wie den halbverhungerten Hund, den seine Halter sich selbst überließen, weil er ihnen zu alt war. „Der hat dann noch eine glückliche Zeit gehabt“, sagt sie.
Hin und wieder holt sie deshalb auch Tiere aus dem Tierheim zu sich. Ist ja genug Platz auf dem Anwesen. Dass es ihr die Tiere, Hunde und Katzen zumeist, nicht immer direkt danken - um es mal in dieser menschlichen Kategorie zu formulieren - gehört dazu. Wie oft sie gebissen wurde? Ach! Sie weist auf ihren linken Handballen.
Dort, sagt sie, hätte sich mal ’ne Katze so richtig verbissen. Aber „ich wusste, wenn ich sie jetzt loslasse, ist sie weg“. Hat sie also durchgehalten, und sie konnten die Kastrierung, eine wichtige Aufgabe des Vereins bei herrenlosen Katzen, dann wie geplant durchführen.
Kooperation mit Herzberg
Zum Wittenberger Tierheim, das von einem anderen Verein geführt wird, gibt es Sauer zufolge wenig Kontakt, ihr Verein arbeite vorrangig mit dem Heim in Herzberg (Brandenburg) zusammen. In den 90ern, bis zum Bau der Anlage in Reinsdorf, hatte der Tierschutzverein mit Erna Wiese an der Spitze ein Tierheim in Wiesigk betrieben, unter ziemlich rustikalen Bedingungen, wie sich Sauer erinnert.
Als jemand „vom Dorf“ nimmt Petra Sauer für sich in Anspruch, im Umgang mit Tieren realistisch zu sein, man müsse die einfach „anständig halten“. „Ich esse auch gerne Fleisch“, sagt sie. Als Bauerstochter gehört für sie das Schlachten dazu. Aber für Nutztiere seien eher andere Vereine zuständig, ihr Tätigkeitsfeld sind vorrangig Hund und Katze.
Das hat sich bei den Bürgern offenbar herumgesprochen. Am 1. Weihnachtstag bekam sie einen Anruf aus Wittenberg. Es laufe ihm eine kleine rote Katze hinterher, sagte der Anrufer, ein junger Mann.
Aber irgendwo hört Sauers Tierliebe dann doch auf. Sie hat ihn an die Feuerwehr verwiesen. Es war zwei Uhr nachts. Die Tierschützerin schließt nicht aus, dass es sich um ein ausgesetztes Weihnachtsgeschenk gehandelt hat. Oder auch um einen blöden Scherz. (mz)