Theater in Wartenburg Theater in Wartenburg: Ein Dorf wird zur Bühne

Wartenburg - Die Vorbereitungen des Sommertheaterprojektes „Rettet das Dorf“ in Wartenburg nehmen Fahrt auf. Mitte April waren Künstler vom „Institut für theatrale Angelegenheiten“ da, auf dem Programm stand ein Kurzfilmworkshop mit Heimkindern aus dem Ort.
Am 11. und 12. Mai soll es einen Kunstworkshop mit der Dorfinitiative „Wartenburg in einem anderen Licht betrachten“ geben. Danach geht’s in die Dabruner Grundschule. Weitere Aktionen sind geplant. Seine Uraufführung erfährt das Sommertheater im August.
Was ist gut, was nicht?
In das Langzeitprojekt gestartet wurde wie berichtet im Sommer 2018. Damals hatten die Eheleute und Unternehmer Claudia und Ulrich Rehhahn ihren Vierseiten-Hof geöffnet und ein Kennenlernen zwischen Künstlern und Dörflern ermöglicht. An einer Scheunenwand wurde auf Zetteln zusammengetragen, was im Dorf gut ist und was nicht.
Später habe die Künstlergruppe um Julia Nierade und Folke Witten-Nierade erklärt, es gebe keinen besseren Ort, um Theater zu machen als ein Dorf wie dieses.
Nun steht Sommertheater immer auch für heitere Unterhaltung und unterhalten wollen sie selbstredend in Wartenburg, allerdings mit ernster Grundierung. Denn das für den Innovationspreis des Fonds Soziokultur nominierte Projekt untersucht mit künstlerischen Mitteln, was gemeinhin auch als Landflucht bekannt ist: Junge Menschen verlassen die Dörfer, Geschäfte schließen, öffentliche Einrichtungen dito, oft genug bleiben nur noch Freiwillige Feuerwehr und Kirche im Dorf, wobei auch letztere eher selten überrannt wird.
Offene Türen
Wartenburg stehe exemplarisch für derlei Entwicklungen, „aber zugleich auch für das große Potenzial, sich gemeinsam den menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft zu stellen, denn noch existiert hier, anders als in den Metropolen, eine lebendige Nachbarschaft, Gemeinschaftssinn und Anpack-Kultur“, heißt es in einer Beschreibung des Projektes.
Konzipiert und umgesetzt wird das Kunstprojekt „Rettet das Dorf“ vom „Institut für theatrale Angelegenheiten“. Der Kontakt zu dieser Künstlergruppe sei eher zufällig durch eine gebürtige Wartenburgerin zustande gekommen. 2017 besuchten Julia Nierade und Folke Witten-Nierade, die künstlerischen Leiter der Gruppe, Wartenburg und begannen mit den Planungen. Zu erleben ist „Rettet das Dorf“ unter freiem Himmel am 9./10. und 11. August 2019. Gefördert wird das Projekt vom Fonds Soziokultur, Mittel von Lotto seien bestätigt, das Land habe Fördermittel „avisiert“, so Claudia Rehhahn aus Wartenburg.
Das will auch zeigen, wie reizvoll es sein kann, „die Theater und Museen zu verlassen und neue kulturelle Formate gemeinsam mit Dorfbewohnern zu entwickeln und zugleich neue Aufmerksamkeit für die Entwicklungen auf dem Land zu erzeugen“. Bei den Rehhahns haben die Künstler offene Türen eingerannt: „Ich war von diesem Projekt gleich begeistert“, sagt Claudia Rehhahn und fragt, mehr rhetorisch: „Was kann uns Schöneres passieren, als dass Leute von außen sich mit uns beschäftigen?“
Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle freilich, dass sie es in Wartenburg ja noch vergleichsweise gut haben, wie ein Blick in die Online-Ortschronik und dort die Rubrik „Wartenburg von A bis Z“ zeigt und ein Gespräch mit Rehhahn nahelegt.
Es gibt einen Dorfladen, eine Arztpraxis, eine Friseurin, „das Kinderheim als Arbeitgeber“ (Rehhahn), Vereine, Chöre, um nur einige Beispiele zu nennen. Sehr gut ausgelastet sei der Kindergarten, ebenso die Grundschule im benachbarten Dabrun, wenn auch nicht mit genügend Lehrern, was wie berichtet im Winter 2019 zum Notstand geführt hatte.
Dennoch spricht einiges für dieses malerische, in eine idyllische Umgebung eingebettete Dorf. Für die Rehhahns ist dies auch der Jahrhunderte alte und (mit Unterbrechung zu DDR-Zeiten) seit langem in Familienbesitz befindliche Hof. Nach der politischen Wende haben sie ihn behutsam sowie fachgerecht saniert und ihren Bedürfnissen angepasst - mit Platz auch für die Gemeinschaft.
Und es scheint zum Wesen dieses Paares zu gehören, die Ärmel hochzukrempeln und sich einzubringen, oder um es mit Claudia Rehhahn zu sagen: „Man kann nicht nur auf die Politik schimpfen. Man muss auch selbst aktiv werden.“
Rollentausch
Für sie und ihre Mitstreiter gehört dazu auch, für die Schönheit ihres Ortes zu werben. Sicher: Industrie, die Menschen Lohne und Brot einbrächte, gibt es keine in Wartenburg. Dafür, so Rehhahn, ist es nach Wittenberg nicht weit, „und dort gibt es eine gute ICE-Anbindung nach Berlin und Leipzig“. Was übrigens die großen Städte angeht, so wollen sie mit dem Kunstprojekt im August die Rollen vertauschen.
Denn normalerweise, sagt Rehhahn, fahren Dörfler ja mit dem Bus zum Theater in die Stadt. Jetzt sollen Busse Interessierte unter anderem von Halle über Wittenberg nach Wartenburg bringen.
Das wird zu einer großen Spielstätte - ein Dorf als Bühne, mit einer Licht-Klang-Installation, welche die Wartenburger bauen und die den Besuchern Orientierung geben soll. Schön. (mz)