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Projekt an Lingner-Grundschule Projekt an Lingner-Grundschule: Staunend durchs Mittelalter

Von Gabi Zahn 09.06.2017, 18:17
Bloß nicht stechen wie einst Dornröschen, galt in Prettin am Spinnrad.
Bloß nicht stechen wie einst Dornröschen, galt in Prettin am Spinnrad. Gabi Zahn

Prettin/Jessen - „Das macht Spaß, so würde ich jeden Tag zur Schule gehen“, jubelt Victoria Schwanski – und tanzt im langen rot-golden glänzenden Kleid auf dem Hof der Prettiner Lichtenburg im Sonnenschein. In dem Gewand könnte sie durchaus zum Hofstaat von Kurfürstin Hedwig zählen – hätte sie etwa 450 Jahre früher gelebt.

Das trifft auch für „Ritter“ Kevin Krause zu. Drei Tage lang haben die beiden aus der Klasse 2 b gemeinsam mit den anderen 286 Schülern der Max-Lingner-Grundschule eine Zeitreise ins Mittelalter unternommen. Dabei waren sie – aufgeteilt in Gruppen – sowohl in der Schule als auch in der Lichtenburg unterwegs.

Am letzten Tag sind sogar einige „Räuber, Weyber, Spießgesellen“ vom gleichnamigen Mittelalterverein in Wittenberg dabei, und Dorothea Schulze spielt auf ihrer Harfe ein Abschiedskonzert.

An zwölf Stationen

Höhepunkt ist für die Kinder zweifellos der Ortswechsel nach Prettin, wo schon der Schlosshof und das altehrwürdige Gemäuer die Atmosphäre jener Zeit ahnen lassen. Zudem hat der „Wir“-Verein – als Kooperationspartner des Schulprojekts zwölf Haltepunkte vorbereitet.

Dort können die Burgfräuleins, Zofen, Mägde, Knappen und Ritter ihren Körper und Geist ertüchtigen. Faulenzen oder einfach wild herumtollen geht also gar nicht. Doch „Burgherr“ Sven Gresens und sein Gefolge müssen nicht allzu oft den mahnenden Finger heben, auch die Klassenleiterinnen und die begleitenden Eltern nicht.

Die Kinder sind gut beschäftigt, üben sich auf dem Schlosshof bei verschiedenen Wurfspielen, ebenso beim Steinkegeln und Nüsseklopfen. Sie lernen, mit der Armbrust zu zielen und erkunden die Lichtenburg vom Keller über die steinerne Wendeltreppe bis zum Dachboden. Im zweiten Stock hilft ein Schild mit einem Pfeil und der Aufschrift „Spinnstube“ bei der Orientierung.

Dass die Dielen auf den langen verwinkelten Fluren laut knarren, als wäre schon Dornröschen darauf hin- und hergehuscht, macht die Sache noch spannender.

Weit hinten öffnet sich eine Tür, und drinnen im Kämmerlein sitzt – wie im Märchen – eine Frau am Spinnrad. Es ist Heike Krügel, und sie sieht nicht im Entferntesten jener bösen Fee ähnlich. Die Kinder staunen, sie schmunzelt – und erzählt allerlei über das alte Handwerk der Spinnerei, über Schafwolle, warum dafür „Kämme“ gebraucht werden, und wie aus den Fasern der Rohwolle ein gleichmäßiger Faden gesponnen wird.

Nach der Theorie folgt die Praxis: David, Joline-Sophie, Maya und ihre Schulfreunde dürfen die geschorene Schafwolle anfassen, sie kämmen (kardieren) – und beim Spinnen über die Schultern schauen. Weil sich wirklich niemand an der Spindel verletzt, bleiben alle putzmunter, verabschieden sich – und suchen einige Flure weiter die nächste Herausforderung.

in schöner Schrift

„Kalligraphie“ steht an Tür. Dahinter verbirgt sich ein altes Klassenzimmer. „Also doch noch Schule“, stöhnen Knappen. Allerdings macht der Unterricht beim „Schönschreiben“ der schnörkeligen Buchstaben Spaß. Marlies Börner und Claudia Teubner zeigen ihren Schützlingen, wie sie die Feder halten und in die Tinte tunken müssen.

Jeder darf ein kleines Bild gestalten und mitnehmen. Auch selbstgefertigter Schmuck, gefilzte Geldtaschen, Kräuter aus dem Schlossgarten und einige Zielscheiben sind beliebte Mitbringsel aus dem Mittelalter. Für immer „dort“ bleiben möchte allerdings niemand. Das Leben sei damals eben noch anstrengender gewesen als heutzutage, resümieren die Kinder.

Die Jessener Schulleiterin Iris Schacher dankt allen Unterstützern des Projekttages, vor allem den begleitenden Eltern für die Hilfe. Für den „Wir“-Verein war dies das erste in eigener Regie gestaltete Mittelalterprojekt in der Prettiner Lichtenburg. „Unsere Zusammenarbeit war hervorragend. Wir konnten uns prima untereinander abstimmen“, lobt Iris Schacher.

Bei Nachfrage bietet der „Wir“-Verein auch in den Sommerferien mittelalterliche Abenteuer in der Prettiner Lichtenburg an (Telefon 03537/21 79 47). (mz)