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Milchautomat in Kemberg Milchautomat in Kemberg: Direkt von der Quelle

Von Marcel Duclaud 05.04.2017, 16:12
Richard Reiß erklärt die Funktionsweise des Milchautomatens.
Richard Reiß erklärt die Funktionsweise des Milchautomatens. Klitzsch

Kemberg - Frische Milch aus dem Automaten: Auch die Agrargenossenschaft Kemberg bietet diesen Service an. Sie ist nach der Agrargenossenschaft Wörlitz das zweite Landwirtschaftsunternehmen im Kreis, das einen solchen Weg geht, um engeren Kontakt zu den Kunden zu knüpfen.

Der Kemberger Milch-Automat befindet sich auf dem Gelände der Milchagrargenossenschaft, im einstigen Pförtnerhäuschen, das ordentlich aufgemöbelt worden ist und einen freundlichen Anstrich erhalten hat samt Bild auf der Fassade: eine Kuh inmitten bunter Blumen. Drinnen finden sich zwei Automaten, einer für die Flaschen, einer für die Milch.

Die Flasche kostet einen Euro, kann aber natürlich öfter verwendet werden. Der Liter gut gekühlte Rohmilch wird wie bei den Wörlitzern ebenfalls für einen Euro abgegeben. Dass die Preisgestaltung umstritten war im Vorstand der Genossenschaft, räumt Richard Reiß, der Vorsitzende ein.

Er hätte es gerne ein bisschen teurer gemacht, schließlich handele es sich um etwas Besonderes: Direkt vom Erzeuger, unbehandelt, also mit all den Inhaltsstoffen, die Milch hat, wenn sie aus der Kuh kommt.

Eröffnet wird der Automat an diesem Freitag, ab 12 Uhr kann die erste Milch dort gezapft werden. Offen ist dann zugleich der Hofladen, den die Agrargenossenschaft bereits seit einigen Jahren betreibt.

Im Gegensatz zum Hofladen ist der Automat allerdings täglich zugänglich, zwischen 6 und 21 Uhr, auch am Wochenende. An der Bundesstraße am Abzweig zum Betrieb soll noch ein Schild aufgestellt werden, das auf die Neuerung hinweist. Auch 2.000 Flyer sind zur Werbung gedruckt worden.

Dass sich die Investition schnell rechnet, glaubt Reiß indes nicht. Über 20.000 Euro hat das Unternehmen in das Projekt gesteckt. Der erfahrene Landwirt ist zwar sicher, dass frische Milch vom Bauernhof ihr Publikum findet, aber große Mengen werden eher nicht gezapft.

Es wird sich nur um einen Bruchteil der in der Genossenschaft produzierten Milch - täglich rund 33.000 Liter - handeln.

Dass das Unternehmen trotzdem den Automaten aufstellt, hat mit einem Signal zu tun, das gesetzt werden soll und lautet: Die Landwirtschaftsbetriebe produzieren Qualität - und werden nicht angemessen entlohnt dafür.

Denn die niedrigen Milchpreise sind weiterhin existenzgefährdend, betont Reiß, dem das Dilemma inzwischen sichtlich zu schaffen macht. Das Geld, das pro Liter Milch gezahlt wird - aktuell 31,2 Cent, mit Zuschlägen 33 Cent - reiche nach wie vor nicht, um die Kosten zu decken - für Lohn, Erhalt der Produktionsstätten, Investitionen.

Es müssten, so der Landwirt, mindestens 35 Cent sein. Dass die Summe in absehbarer Zeit erreicht wird, bezweifelt Reiß: „Ich glaube überhaupt nichts mehr. Die machen mit uns, was sie wollen. Wir sind nur die Lieferanten und können keine Rechnungen schreiben.“

Dabei würden von den Landwirtschafts-Unternehmen höchste Standards gefordert, die aber nicht bezahlt werden. Die Konsumenten, sagt Reiß, würden ja mehr Geld auf den Tisch legen - wenn sie denn wüssten, dass es auch bei den Bauern ankommt.

Der Milch-Automat ist ein kleiner Versuch des Direktmarketings. Reiß betont, dass in Kemberg inzwischen völlig genfrei produziert wird, seit Dezember vergangenen Jahres. Er weist außerdem darauf hin, dass die Rohmilch bei 70 Grad abgekocht werden sollte, um Keime abzutöten und damit sie sich im Kühlschrank zwei bis drei Tage hält.

Der Geschmack, bemerkt der Landwirt, sei ein ganz anderer als der von im Handel erhältlicher Milch. Bei ihm zu Hause jedenfalls wird ab Freitag nur noch die Milch aus dem eigenen Automaten auf den Tisch kommen. (mz)

Aus der Pförtnerbude ist das Haus für den Milchautomaten geworden. Ab Freitag kann gezapft werden.
Aus der Pförtnerbude ist das Haus für den Milchautomaten geworden. Ab Freitag kann gezapft werden.
Klitzsch