Leichtathletik Leichtathletik: Das Wunder bei den Olympischen Spielen von Montreal

Wittenberg - Frank Wartenberg gerät ins Schwärmen, denkt er an ein ganz besonderes Ereignis, das inzwischen 40 Jahre zurückliegt.
Was geschah damals Ende Juli 1976? Die Olympischen Spiele von Montreal (Kanada) fesselten in jenen Sommertagen Millionen Menschen an den Rundfunk- und Fernsehgeräten. Einer, der ein wenig mit seinem Schicksal haderte, war Frank Wartenberg aus Bülzig, der für den SC Chemie Halle startete und zur nationalen Elite im Weitsprung zählte.
Eine Muskelverletzung jedoch schien alle Träume von Olympia zu Nichte zu machen. „Nicht aufgeben“, sagte sich der Bülziger Weitspringer. „Nutze die Minimalchance!“ Wenige Tage vor Montreal bot sich für Wartenberg jene Chance. Er tat es und legte die Weltklasseweite von 8,16 Meter vor. Eine Empfehlung, die von den Verbandstrainern nicht ignoriert werden konnte. Ein sportliches Ausrufezeichen!
Der Nachrücker zum Olympiateam
„Es war wie ein Wunder. Plötzlich erhielt ich als Nachrücker die Gelegenheit, ins Olympiateam der DDR zu stoßen“, blickt der Ex-Weitspringer Frank Wartenberg zurück. Es ist, als wäre es erst gestern geschehen und ein Lächeln huscht über sein Gesicht.
Frank Wartenberg wurde am 29. Mai.1955 in Bülzig geboren. Erster Verein des Weitspringers war die SG Bülzig. Als Leistungssportler wechselte er zum Sportclub Chemie Halle, wo er 1980 verletzungsbedingt seine aktive Laufbahn beendete.
Wartenberg wurde in 25 Länderkämpfen eingesetzt. Bei 1,86 Meter Körpergröße betrug sein Wettkampfgewicht 87 Kilogramm (aktuell: 97 Kilogramm). Seine Bestleistung liegt bei 8,18 Meter (1976). Seinen größten Erfolgt verbuchte Wartenberg mit Olympiabronze 1976. Die Ergebnisse vor 40 Jahren: 1. Arnie Robinson (USA) 8,35 Meter; 2. Randy Williams (USA) 8,11 Meter; 3. Frank Wartenberg (DDR) 8,02 Meter.
Zu seinen weiteren Erfolgen zählten fünf DDR-Meistertitel, der Junioreneuropameistertitel 1973 und ein Weltcupgewinn. Seit 1977 ist Wartenberg verheiratet mit der ehemaligen Mittelstreckenläuferin Christiane. Er ist Vater dreier Töchter.
Schon in den 60er Jahren galt der Bülziger als großes Talent. Das erkannte auch Otto Eichelbaum, sein Entdecker von der SG Bülzig, und förderte ihn. Er schickte den kleinen schmächtigen Frank nach Halle ins dortige Leistungszentrum. Ein Weg, der sich lohnen sollte.
Nun plötzlich Montreal. „Was gibt es Größeres, als für olympische Ehre zu kämpfen, sich zu schinden, auch Niederlagen einstecken zu müssen, um am Ende dabei zu sein.“ Voller Euphorie schildert Wartenberg jene Sommertage in Kanada. „Ich hatte den festen Willen, meine noch nicht ganz auskurierte Verletzung zu überlisten“, so Wartenberg.
Wir schreiben den 28. Juli 1976. Hochkarätig besetzt ist das Teilnehmerfeld für die WeitsprungQualifikation. Nichts riskieren, sagt sich Wartenberg. Die letzten zehn Meter mit höchster Anlaufgeschwindigkeit und dann die Kunst, das Brett zu treffen - das ist Weitsprung. 7,86 Meter im 1. Versuch reichen für die Qualifikation.
Einen Tag später steht Frank Wartenberg erneut an der Weitsprunggrube. Diesmal geht es um alles. 70.000 Zuschauer, eine Traumkulisse, bilden den äußeren Rahmen. „Jetzt Nerven behalten, sagte meine innere Stimme und mit den Kräften haushalten“, erinnert sich Wartenberg.
Wenig Schlaf in der Nacht zuvor, dafür sich den Künsten des Physiotherapeuten anvertrauen, so geht er am Folgetag in den Wettkampf. Die Creme de la Creme bildet die Konkurrenz. Namen wie Arnie Robinson, Randy Williams (beide USA) oder Jacques Rousseau (Frankreich) und Oliviera (Brasilien) sind kaum bezwingbare „Brocken“.
Zittern um eine Olympia-Medaille
Doch es kommt ganz anders. 7,87 Meter im ersten Versuch reichen Wartenberg für den Endkampf. Nun folgen 8,15 Meter, aber knapp übergetreten. Doch im vierten Versuch sind es 8,02 Meter. Was ist diese Weite wert, womöglich eine Medaille? Verbandstrainer Gehrke hat Wartenberg schon abgeschrieben „Halte dich nicht so lange im Innenraum auf. Wir wollen ins Quartier“, mahnt er seinen Schützling.
„Ich bin Dritter und soll zur Siegehrung“, korrigiert ihn Wartenberg. Der Trainer kann es kaum fassen. (Auch diese kleine Anekdote verbindet sich mit Olympia: Hans Baumgartner (BRD), er wird am Ende Achter, hilft Wartenberg mit seinem Vereisungsspray aus, da dessen Vorräte bereits aufgebracht sind. Eine Geste, die Wartenberg im Nachhinein hoch zu schätzen weiß.)
„Auf dem Podest stehen. Das erfüllte mich in diesem Moment mit großem Stolz“, schildert Wartenberg jenen Glücksmoment von Montreal. Bei der Rückkehr Anfang August 1976 steht ganz Bülzig Kopf, um seinen größten Sohn zu empfangen.
40 Jahre danach gönnen sich Frank und Ehefrau Christiane (Olympiazweite über 1500 Meter in Moskau) den „Luxus“, an die Wurzeln des Erfolgs zu den Olympiastätten nach Montreal am St. Lorenzstrom zurückzukehren. „Übrigens ein Geburtstagsgeschenk unserer Kinder Anne, Jennifer und Janine nebst Familien“, so Wartenberg, dessen Vorfreude groß ist. (mz)