Kindertagesstätte in Annaburg Kindertagesstätte in Annaburg: Kreativ ohne Spielzeug

Annaburg - Im August startete Andrea Werner, die Leiterin der Kindertagesstätte „Abenteuerland“ in Annaburg, mit den Kindern und ihren Kollegen ein Projekt: Den „Spielzeugfreien Kindergarten“. Es ist ein von Wissenschaftlern entwickeltes Konzept, welches bereits im Jahr 1992 erarbeitet wurde. Das Konzept, betonte Erzieherin Nadine Jäger schon damals, richtete sich keinesfalls gegen Spielzeug im Allgemeinen.
Kritik von Mitarbeitern
Drei Monate lang verzichteten die Jungen und Mädchen sowie ihre Erzieher auf bestimmte Spielsachen. Spiele, die den Kindern klar vorgeben, was sie spielen sollen und Spiele, die einen begrenzten Rahmen haben, was die Kinder mit ihnen spielen können (beispielsweise Memory) wurden aussortiert und in den Sommerurlaub geschickt, wie die Kinder es erklärten. Anstelle industriell gefertigten Spielzeugs erhielten die Jungen und Mädchen zum Beispiel Kartons, Decken, Stühle oder Naturmaterialien zum Spielen.
Damit sollte die Kreativität und Fantasie angekurbelt werden. Vor Kurzem fand unter den Mitarbeitern eine erste Beratungsrunde zur Bilanz des Projektes statt. „Es sind tolle Sachen entstanden“, erzählt Andrea Werner. Die Kinder hätten viel gebastelt und gebaut. Zu Werners Überraschung kam das Projekt nicht bei allen Mitarbeitern gut an. Einige Erzieher „konnten nicht mit der Langeweile der Kinder umgehen“, erklärt sie. Diese Langeweile war ein Nebeneffekt des Projektes, da sich die Kinder an die neuen Gegebenheiten genauso gewöhnen mussten wie die Erzieher, die während der drei Monate stark gefordert wurden.
Einige Kinder, so Werner weiter, hätten einen starken Bewegungsdrang gehabt. Damit umzugehen sei für manche Mitarbeiter schwer gewesen. Kritisiert wurde unter anderem auch der lange Zeitraum von drei Monaten. Dies war aus der Sicht einiger Erzieherinnen viel zu lang. Und auch die Einbeziehung der Eltern war nicht optimal, gibt die Leiterin der Einrichtung zu. „Wir hätten die Eltern besser darauf vorbereiten müssen und sie mit ins Boot holen sollen“, sagt sie im Nachgang.
Eltern geteilter Meinung
Während der Durchführung der spielzeugfreien Zeit hätten etwa die Hälfte der befragten Eltern das Projekt befürwortet, im Anschluss war es die Mehrheit, so Werner. „Ich als Leiterin habe mir vorgenommen, das beim nächsten Mal besser anzugehen“, erklärt sie und sagt sogleich, dass sie auch ihre Mitarbeiter künftig besser darauf vorbereiten wolle. Die Vor- und Nachbearbeitungszeit sei zu ihrer Überraschung intensiver, als zuvor gedacht gewesen. Eins ist für sie klar.
Das Projekt soll auf jeden Fall wiederholt werden. „Es ist mein Wunsch, dass es ein fester Bestandteil wird.“ Sie hofft, den „Spielzeugfreien Kindergarten“ regelmäßig, einmal im Jahr, wie es bereits die Kindertagesstätte in Schweinitz täte, durchzuführen. Ob es dazu kommt, könne man nicht allein nach einem Anlauf entscheiden. Und bei aller Kritik von Erziehern und Eltern, für Werner war das Projekt ein Erfolg: Die Kinder hätten mehr Platz zum Spielen, weil lediglich „pädagogisch sinnvolles Spielzeug“ wieder aus dem Urlaub geholt wurde.
Kita weiterentwickeln
Außerdem wird das Spielzeug regelmäßig ausgetauscht und die Räume damit nicht wieder überfüllt. Die von Eltern oder Kindern selbst gebastelten Spielsachen werden von Krippe bis Vorschulgruppe weiter genutzt, berichtet Werner stolz. Und Letztere habe sogar vor kurzem eine eigene Murmelbahn aus Kartons gebastelt. „Wir wollen die Kinder zu eigenständigen Persönlichkeiten erziehen und ihnen Freiräume lassen“, sagt Werner. Das Projekt unterstütze dies.
„Unsere Kinder sind die Gestalter der Zukunft“, nach diesem Prinzip werde in der Kindertagesstätte gearbeitet. Werner sieht es als wichtigen Punkt ihrer Leitungsfunktion, die Kindertagesstätte zukunftsorientiert zu entwickeln. Nun hofft sie, auch die Kritiker von dem Projekt und dessen Weiterführung überzeugen zu können, denn „die Kinder können nur so kreativ werden, wie wir es auch sind“.
„Spielzeugfreier Kindergarten“
Das Konzept „Spielzeugfreier Kindergarten“ wurde Anfang der 90er Jahre von zwei Mitarbeitern einer oberbayerischen Gemeinde entwickelt. Und zwar zur Suchtprävention: „In der Suchtforschung gibt es viele Hinweise darauf, dass Menschen, die vielfältige Lebenskompetenzen entwickelt haben, die mit ihren Stärken und Schwächen umgehen können, die Handlungsalternativen selbst entwickeln können, deutlich weniger suchtgefährdet sind als Menschen, die dies nicht können“, erläutern die Erfinder Elke Schubert und Rainer Strick auf der entsprechenden Webseite. Diese wichtigen Lebenskompetenzen sollen die Kinder mit Hilfe des von ihnen entwickelten Konzeptes verstärkt erwerben. (mz)