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Jugendweihe im Jessener Land Jugendweihe im Jessener Land: Landrat Jürgen Dannenberg hat 50. Jubiläum

Von Ute Otto 19.04.2018, 09:58
Feierte vor 50 Jahren Jugendweihe: Jürgen Dannenberg mit der Urkunde und dem Geschenkbuch „Weltall, Erde, Mensch“.
Feierte vor 50 Jahren Jugendweihe: Jürgen Dannenberg mit der Urkunde und dem Geschenkbuch „Weltall, Erde, Mensch“. Ute Otto

Jessen/Lebien - Für insgesamt 161 Mädchen und Jungen aus dem Jessener Land wird Landrat Jürgen Dannenberg (Die Linke) am kommenden Sonnabend in drei Veranstaltungen in der Mehrzweckhalle in Jessen-Nord die Festrede zur Jugendweihe halten. Die MZ bat ihn aus diesem Anlass, über seine eigene Jugendweihe zu erzählen. Und es stellte sich heraus: Jürgen Dannenberg hat in diesem Jahr goldenes Jugendweihe-Jubiläum.

Am 13. April 1968 wurde er in Torgau feierlich in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Er war gegenüber seinen Klassenkameraden ein Jahr im Verzug. „Meine Eltern mussten sparen“, erzählt er. „Sie wollten eine gemeinsame Feier für mich und meine Schwester ausrichten. Also musste ich ein Jahr warten.“ Dass das Mädchen vorfristig die Jugendweihe erhalten hätte, sei nicht möglich gewesen.

So erlebte Jürgen Dannenberg den Festakt im Ratssaal der Stadt Torgau mit der Klasse seiner Schwester - aufs Klassenfoto durfte er nicht. Der Redner, „ich glaube, es war der Bürgermeister, hat auf unsere Verantwortung im Staat DDR aufmerksam gemacht. Die Jugendweihe war zwar keine Erfindung der DDR, aber von der DDR geprägt“.

1852 lädt Eduard Baltzer aus Nordhausen, Pfarrer, Demokrat und Abgeordneter der ersten deutschen Nationalversammlung zur ersten „Jugendweihefeier“ als Schulabschluss für junge Leute, die nicht in Amtskirchen gebunden sind, ein. Zustrom erhält die Jugendweihebewegung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zudem aus der Freidenkerbewegung und Arbeiterkreisen.

1889 findet in Berlin die erste proletarische Jugendweihe statt. 1933 wird die Jugendweihe „zum Schutz von Volk und Staat“ verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg finden wieder Jugendweihen statt, aber wegen des pluralistisch-weltanschaulichen Charakters wurde sie 1950 in der DDR verboten. Vier Jahre später erfolgt die Gründung des Jugendweihe-Ausschusses der DDR, verbunden mit dem Aufruf zur Jugendweihe ab 1955, dem anfangs nur wenige folgen. Doch das Interesse wächst. 1988 nehmen 97,3 Prozent aller Achtklässler an der Jugendweihe in der DDR teil. Die Schattenseite - Mädchen und Jungen, die aus weltanschaulichen und religiösen Gründen nicht teilnehmen, werden diffamiert.

1990 gründet sich die Interessenvereinigung Jugendweihe als Verein. Die Jugendweihe ist freiwillig und offen für alle, unabhängig von Weltanschauung, Religion, Nationalität, Staatsangehörigkeit, ethnischer Gemeinschaft und politischer Organisiertheit.

Bis 1989 legten die Jugendweihlinge das Gelöbnis auf den sozialistischen Staat ab. Abgedruckt ist es auf der Jugendweihe-Urkunde, die die Mädchen und Jungen zusammen mit dem Geschenkbuch erhielten. Bei Jürgen Dannenberg war es noch „Weltall, Erde, Mensch“, später folgte „Der Sozialismus - deine Welt“.

Gefeiert wurde bei Dannenbergs im kleinen Kreis, mit Mittagessen und Kaffee im Ratskeller Torgau. Das sei es dann auch schon gewesen. „Ich konnte ja auch nicht mit meinen Klassenkameraden herumziehen.“ Sicher sei er damals nicht begeistert gewesen von der Situation, „aber ich bin davon auch nicht traumatisiert“, fügt der 65-Jährige schmunzelnd hinzu.

Immerhin haben die Geschwister ihr Geld, das sie von den Großeltern bekommen hatten, zusammengelegt und sich davon ein Stern-Kofferradio gekauft. Über die weiteren Geschenke würden die Jugendlichen von heute wohl nur die Augen verdrehen. Die Schwester bekam Handtücher „für die Aussteuer“, wie man damals sagte. „Ich habe ein Reisenecessaire mit Rasierapparat bekommen.“ Dieses wie auch das Radio habe viele Jahre gute Dienste geleistet.

Im Vorfeld der Jugendweihe gab es in der DDR die Jugendstunden. Diese hat Jürgen Dannenberg gemeinsam mit seinen Klassenkameraden erlebt. In Erinnerung geblieben sind ihm der Besuch im Flachglaswerk Torgau, das Gespräch mit dem Torgauer Bürgermeister und die Fahrt nach Leipzig ins Theater, wo die Shakespeare-Komödie „Was ihr wollt“ gegeben wurde.

Er habe es damals bereits so empfunden, dass man mit der Jugendweihe eine Schwelle übertritt, sagt Dannenberg. Und da er auch schon ein Jahr älter gewesen sei, „war ich bereits auf das kommende Berufsleben orientiert“. Dannenberg hat Betriebsschlosser für Landtechnik mit Abitur gelernt.

Nur sieben Jahre nach seiner eigenen Jugendweihe stand Jürgen Dannenberg erstmals als Festredner vor Jugendweihlingen. „Bis auf ganz wenige Ausnahmen, als ich bei der Armee war“, blieb er das nahtlos über 1989 hinweg bis in die heutige Zeit. „Es kann so schlecht also nicht gewesen sein“, meint er.

„Ich schreibe jedes Jahr an meiner Rede herum“, erzählt der Lebiener. Schließlich sollen nicht Generationen dasselbe hören. „Dem Tag angemessen fröhlich“ soll der Grundtenor sein und es soll die Jugendlichen ansprechen. Anregungen gibt ihm aktuell das Buch „Teenie Leaks - Was wir wirklich denken, (wenn wir nichts sagen)“, das der Berliner Paul Bühre 16-jährig geschrieben hat.

„Es macht mir richtig Spaß, sonst würde ich es nicht machen“, so der Landrat. Er sagt aber auch, dass er aufhören wird, wenn es das Alter gebiete. „Es müssen jüngere Leute ran.“ Er finde es gut, dass sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Sepp Müller als Festredner engagiere und so die Jugendweihe als erhaltenswerte Tradition unterstütze.

Auch zu einer goldenen Jugendweihe hat Jürgen Dannenberg schon gesprochen. Das war vor einigen Jahren in Zschornewitz. Die Interessengemeinschaft für humanistische Jugendarbeit und Jugendweihe e.V. Wittenberg bietet diese Jubiläums-Feier an. Dafür müssten sich jedoch erst mal genügend Interessenten finden. Allerdings ist laut Jens Krause, dem Vorsitzenden der Jugendweihevereinigung, das Interesse daran gering. (mz)