Judith Holofernes Judith Holofernes : Auftritt in Kulturbastion

Jessen/Torgau - Neben der Solo-EP „Kamikazeflieger“ (neun Songs, 1999) fügte Judith Holofernes ihrer Solo-Karriere inzwischen zwei Alben hinzu. Nach der im Frühjahr 2012 verkündeten unbestimmt langen Pause der Band „Wir sind Helden“ hat deren Stimme, Gitarristin und Texterin „Ein leichtes Schwert“ (2014) und jetzt im März 2017 „Ich bin das Chaos“ herausgebracht.
Damit tourt die 40-Jährige, die seit 2006 mit Pola Roy, dem Schlagzeuger von „Wir sind Helden“, verheiratet und Mutter zweier Kinder ist, gerade. Am Freitag, 4. August, ab 20 Uhr wird die multitalentierte Kreuzbergerin, die auch einen eigenen Blog betreibt, Lyrik veröffentlicht und immer für einen kritischen Kommentar zu gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Ereignissen gut ist, mit ihrer neuen Gruppe in der Kulturbastion von Torgau zu hören sein (kein Open-Air!).
Vorab gab Judith Holofernes, mehrfache Echo- und Eins-Live-Krone-Preisträgerin mit „Wir sind Helden“, der MZ ein Interview. Das Gespräch führte Redakteur Detlef Mayer.
Kennst du Torgau bereits? Warum spielt ihr gerade hier?
Judith Holofernes: Ich bin noch nie zuvor in Torgau gewesen. Das Konzert haben wir zugesagt, weil es in der Stadt und in der Kulturbastion so schön sein soll.
Welcher wird der erste Song sein, den das Publikum am Freitag zu hören bekommt?
Gute Frage. Wir beginnen sicher mit „Danke, ich hab schon“. Das ist eigentlich immer der Opener bei unseren Auftritten.
Mein Eindruck: Bei deinen anspruchsvollen Lyrics sollte man den Zuhörern mit der Eintrittskarte immer ein Textbuch aushändigen?
Ja, gerade wenn eine Platte frisch ist, wär’ das nicht schlecht. Bei „Ich bin das Chaos“ handelt es sich eigentlich um Rockmusik, die auch gut tanzbar ist. Aber oft sieht’s so aus, als ob die Leute vor der Bühne ein bisschen steif da stehen. Dabei hören sie sehr intensiv zu und versuchen, die Texte zu erfassen.
Ich hab die Aufzeichnung vom Donau-Insel-Festival Ende Juni in Wien gesehen. Da ist mir das aufgefallen.
Das war ein sehr spezielles, aber ein schönes Konzert. Es war unglaublich heiß. Doch die Leute hatten Spaß und gingen beseelt wieder raus. Wohlgemerkt, ich spiele ja keine Liedermacher-Konzerte. Voodoo fällt mir spontan als Umschreibung für diesen Effekt ein.
„Danke, ich hab schon“ klingt für mich nach „Tic Tac Toe“, andere Sachen wie Poetry-Slam mit Musikbegleitung. Wie würdest du deine Musik generell einordnen?
Damit tue ich mich ein bisschen schwer. Im weitesten Sinne ist es natürlich Rockmusik. Mit Groove-Punk-Einflüssen. Aber damit ist die Bedeutung der Texte noch nicht erfasst. Eventuell könnte man es Literatur zum Tanzen nennen. Indie-Rock mit literarischen Texten. Ist mir gerade so eingefallen. Das klingt sehr abgehoben. Trotzdem geht’s immer darum, Spaß zu haben.
Wirst du in der Kulturbastion auch Titel von „Wir sind Helden“ spielen?
Bei meiner ersten Tour gab’s noch keine Stücke von „Wir sind Helden“, da war die gemeinsame Bandzeit noch zu gegenwärtig. Aber jetzt spiele ich sie mit großer Freude. Ich hab mir da einige Lieblingslieder aus der zweiten Reihe ausgesucht, keine von den Hit-Singles.
Apropos „Wir sind Helden“. Wird’s da irgendwann eine Fortsetzung geben?
Für die Leute wäre es wahrscheinlich besser gewesen, wenn wir 2012 statt einer Pause auf unbestimmte Zeit gleich das Aus verkündet hätten. Wir Musiker sehen uns und verstehen uns nach wie vor, wir haben uns ja nicht zerstritten. Aber die privaten Umstände in den Familien werden nicht günstiger für ein Wiederbeleben der „Helden“. Ein Ende hätte damals einen klaren Schnitt dargestellt, doch der wäre für uns zu dem Zeitpunkt nicht wahr gewesen.
Bei privaten Umständen fällt mir ein: Wie macht ihr das mit euren Kindern, wenn Konzerte und Touren anstehen?
Pola spielt ja nicht mit in meiner neuen Band. Nur ab und an und wenn sie Lust dazu hat, ist die Familie dabei. Also brauchen wir keinen Betreuer für die Kinder.
Hätte es deine Solo-Karriere auch gegeben, wenn „Wir sind Helden“ noch aktuell wären?
Für solche Solo-Projekte wie jetzt hätte ich keine Zeit gehabt, wenn „Wir sind Helden“ noch laufen würde. Eine Band zu haben, ist ein bisschen wie verheiratet zu sein. Da sind dann keine Synapsen frei für andere Sachen.
Dein neues Album hast du erstmals auf einem eigenen Label veröffentlich. Warum?
Damit habe ich schon lange geflirtet. Die Labels, die ich bisher hatte, waren toll, aber ich habe mir gedacht, das mir ein eigenes Label mehr liegt. Denn inzwischen habe ich eine besondere, ganz eigene Vorstellung davon, was für mich Erfolg bedeutet. Das hat auch mit meinem Freiheitsdrang zu tun. Ich wollte keinem mehr Rechenschaft geben müssen, nicht mehr anderer Leute Rennpony sein.
Du bist praktizierende Buddhistin. Wie kamst du dazu?
Das hat für mich eine große innere Logik. Ich war ein philosophisches Kind, habe mich schon immer dafür interessiert. Bereits mit acht Jahren stellte ich mir Fragen wie: Wenn jemand stirbt, wo geht er dann hin? Ich war auf der Suche. Aber ich habe keinen christlichen Background. Als ich 2002 mit Pola zusammenkam, hat er schon meditiert. Und dann habe ich bei mir in der Straße in Kreuzberg ein buddhistisches Zentrum entdeckt. Dort habe ich mich gleich wohl gefühlt.
Gibt es ein buddhistisches Ritual, das du vor deinen Konzerten vollziehst?
Im Buddhismus kennen wir ja das Bestreben, immer im Moment zu leben. Auch ich versuche das. Vor einem Auftritt richte ich mich auf das Publikum und das Konzert aus. Ich öffne mein Herz für das, was da geschehen wird.
Das neue Album von Judith Holofernes heißt „Ich bin das Chaos“. Da liegt es nahe, sie danach zu fragen, ob sie tatsächlich ein chaotischer Mensch ist. Doch das hat der Redakteur, wohl vom Chaos angesteckt, vergessen. Glücklicherweise beantwortete die Kreuzbergerin diese Frage in einem Video-Interview vorm Donau-Insel-Fest vor gut einem Monat schon mal.
Ja, es ist die reine Wahrheit. Aber ich weiß gar nicht, ob Leute, die mich jetzt kennen lernen, das noch sofort merken. Ich hab mich ganz okay im Griff. Ich musste sozusagen durch eine harte Schule gehen, als wir mit „Wir sind Helden“ angefangen haben, und musste das lernen. Weil man so viel reist, so viele Hotels und Busse und Backstage und so. Wenn ich das nicht gelernt hätte, dann würde ich so am dritten Tag auf ’ner Tour nackig dasteh’n, weil ich alle meine Sachen irgendwo vergesse, immer. Ich versuche das in den Griff zu kriegen, weil ich auf der anderen Seite großen Wert darauf lege, innerlich eher aufgeräumt zu sein. Ich meditiere und ich weiß den Wert von Klarheit sehr zu schätzen. Aber bei mir ist das oft so: Die ganze Energie geht in den Kopf und ins Herz und in den Körper, da bin ich ganz klar, aber alles drumherum versinkt irgendwie im Chaos.
Die zweite vergessene Frage bezieht sich auf Judith Holofernes’ schriftstellerische Ambitionen. Auch zu dem Buch „Du bellst vor dem falschen Baum“, das 2015 erschien und von vielen irrtümlich für ein Kinderbuch gehalten wird, gab sie bereits beim Wiener Donau-Insel-Fest Auskunft.
Es ist ein Buch mit Geschichten, mit komischer Lyrik. Es geht nur um Tiere und es ist natürlich sehr missverständlich, aber es ist hundertprozentig kein Kinderbuch. Ich weiß, dass viele Kinder das auch sehr lustig finden. Aber ich glaub, wenn man dachte, dass es ein Kinderbuch ist, dann kann man ab und zu ein bisschen pikiert sein. (mz)