Innovation aus Coswig Innovation aus Coswig: Polizeiposten und Hotelzimmer in der Röhre

Coswig - Einmal Durchwischen und die Fenster putzen - das sind am Donnerstag noch die kleinen Restarbeiten im Hotelturm, bevor dieser seine kurze Reise antreten kann. Aufgeladen wird der mobile Übernachtungsort im Coswiger Gewerbegebiet am Wasserturm, dann rollt der Lkw mit seiner schweren Last nur ein paar Kilometer bis zur Wittenberger Exerzierhalle.
Dort findet am heutigen Sonnabend die 10. Wittenberg-Messe statt und der Hotelturm aus dem Hause Veloform könnte eines der Highlights der regionalen Messe sein. Dass diese innovativen Übernachtungsmöglichkeiten gleich in der Nachbarstadt entstehen, dürfte für die meisten Besucher eine Neuigkeit sein. Dabei stellt Veloform seine vielseitigen Türme schon seit einigen Jahren mit den zylinderartigen Betonteilen der gleich benachbarten Firma „Mall“ her.
Die Mengen, die Veloform auf diese Weise verbaut, sind freilich immer mehr geworden. Anselm Franz stellte sich denn auch die Frage, ob er sich nicht lieber auf eines seiner Geschäftsfelder konzentrieren sollte. Also verkaufte er seinen Anteil am weltweit vertretenen Geschäft von Velotaxi, jenen Fahrradtaxen, die in 66 Ländern rollen, an seinen Mitgründer und richtete das Augenmerk auf die später hinzugekommene Sparte der multifunktionalen Türme aus Betonröhren.
Das bedeutete auch den kompletten Umzug des Unternehmens von Berlin nach Coswig. „Jetzt bin ich hier so richtig angekommen“, sagt der Geschäftsführer. Das sieht man durchaus. Die Garage am ersten Standort im Coswiger Gewerbegebiet ist längst Geschichte. Dort war gerade mal Platz, um ein bis zwei Türme vor der Tür auszubauen.
Das Intermezzo in einer leerstehenden Halle von Schwörer-Haus ist auch vorbei. Veloform ist vor anderthalb Jahren nur ein paar Ecken im Gewerbegebiet weitergezogen und hat jetzt eine große Halle der Spedition Vetter gemietet. Zwölf Mitarbeiter, je zwei in Verwaltung und Vertrieb, der Rest in der Produktion, gehören heute zum Unternehmen, das weiterwachsen will und seine Zulieferer auch in der Region gefunden hat.
Weniger Experimente
Anselm Franz hat mit dem neuen Produktionsstandort auch beschlossen, sich auf die gefragtesten Modelle der runden Bauten aus Betonröhren zu konzentrieren. „Die Zeit des ständigen Experimentierens sollte mal ein Ende haben“, sagt er. „Wir haben uns aus einem großen Blumenstrauß die vier schönsten Blüten ausgesucht.“ Als da sind: Geldautomaten, die Hoteltürme, Boxen für Events und für die öffentliche Hand.
Letztere beispielsweise für Polizeiposten in Berlin. Veloform gewann eine internationale Ausschreibung, in der solche Postenhäuschen gesucht wurden. „30 Stück stellen wir in dieser Sparte her, man sieht sie am Brandenburger Tor und am Reichstag“, erzählt der Veloform-Chef.
Ersetzen sollen die Boxen den Mischmasch an derartigen Wachhäuschen in der Hauptstadt, wie sie unter anderem vor Botschaften zu finden sind. Gespräche mit Polizeidirektionen anderer Bundesländer lassen Anselm Franz auf Folgeaufträge hoffen.
Sehr viel entschlossener agieren allerdings private Unternehmen wie Hotels, die mit den Türmen ihre Zimmerzahl erweitern und zudem stets gute Auslastungszahlen erreichen, weil dieses Angebot so ungewöhnlich ist. So kann man in Marzahn und Lichtenberg schon länger in den Rundbauten wohnen. „Mir stellte sich deshalb die Frage, ob es nicht auch lohnt, ins Betreibergeschäft einzusteigen“, so Anselm Franz.
Er tat es mit Partnern und so ist die Slube GmbH entstanden, die das smarte Übernachtungsmodul anbietet. Franz schrieb dafür 200 Bürgermeister in ganz Deutschland an, stellte das Projekt vor und bat um Flächen zur Pacht. „Der Rücklauf von 67 Prozent hat uns überwältigt“, sagt der 51-Jährige. In diesem Jahr werden die smarten Hotelzimmer in Neustrelitz, Meißen, Berlin-Schönefeld und Wiesenburg aufgestellt.
Zwischen acht und 25 Türme haben diese Orte bestellt. Den Betrieb der Hotelzimmer übernimmt die Slube GmbH, so dass die Kommunen gewissermaßen sorgenfrei ihren Touristen etwas Besonderes bieten können. Auf der Wittenberg-Messe ist solch ein Slube begehbar.
Netzwerk an schönen Orten
„Ich träume von einem ganzen Netzwerk der Hoteltürme an allen schönen Orten in Deutschland“, sagt der Unternehmer. Dass Ein- und Auschecken in den runden Hotelzimmern gut funktionieren, hat Franz in den vergangenen Monaten im „Resort 25 Teiche“ bei Ziesar getestet. Dort stellte der Forellenhof Rottstock eine Fläche zur Verfügung.
Die smarte Nutzung der Türme programmierte der Sohn von Anselm Franz. Per App kann der Chef jeden Slube ansteuern, Fenster schließen, die Heizung ein- und ausschalten.
Wie gut sein Modell der Übernachtung ankommt, merkt der Geschäftsführer nicht zuletzt an den Reaktionen aus der Region. „Wittenbergs OB Zugehör sucht wie ein Wiesel nach Standorten“, freut er sich, der Campingplatz am Brückenkopf hat auch Interesse. „Ich bin richtig froh, wenn hier vor der Haustür solche Projekte entstehen“, sagt Anselm Franz und sieht das auch als Bekenntnis zum neuen alten Standort in Coswig. (mz)
