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Fußball in Wörlitz Fußball in Wörlitz: So tickt der neue Coach der Aufsteiger

Von Michael Hübner 18.06.2020, 10:11
Joachim Schaffer wird Coach in Wörlitz.
Joachim Schaffer wird Coach in Wörlitz. Bösener

Wörlitz - Daniel Richter sorgt in der regionalen Fußballszene für einen Paukenschlag. Der Abteilungsleiter vom Aufsteiger in die Landesklasse Grün-Weiß Wörlitz verpflichtet einen in Anhalt sehr prominenten Trainer: Joachim Schaffer. Der inzwischen 69-jährige Roßlauer ist schon fast eine Legende. 1995 erwirbt er im ersten ostdeutschen Lehrgang an der Sportschule Leipzig die A-Lizenz. In der Region ist er einst damit der höchstqualifizierteste Übungsleiter und kann auch heute noch Teams der Regionalliga coachen.

Aber das Wort vom Cheftrainer hört der Fußball-Experte überhaupt nicht gern. „Entscheidend ist immer die Mannschaft. Ein Übungsleiter ist nur ein Teil der Mannschaft“ , so Schaffer, der auch den Zusammenhalt im Team als ausschlaggebend für Erfolge bezeichnet. Über Systeme - Dreier- oder Viererkette - redet er nicht so gern. „Das hängt doch in erster Linie von den Spielern ab“, erläutert er. Sein Team habe er bisher erst einmal aus der Ferne beobachtet. „Daniel Richter hat die Übungseinheiten geleitet, da kommt es nicht gut an, wenn der Neue zu dicht dran ist.“ Das ändert sich am Donnerstagabend.

Erste Einheit am Donnerstag

Schaffer stellt sich offiziell als Trainer vor und wird die erste Einheit leiten. Und vielleicht entdeckt er auch schon zwei schnelle Außen, einen echten Mittelstürmer und einen Chef für die Abwehr. „Früher Libero genannt“, sagt Schaffer, der auch in der Parkstadt mit seinen Schützlingen viel reden wird. Die MZ hat ihm deshalb einst Samariterdienste bescheinigt. „Manchmal bin ich mehr Pastor als Übungsleiter. Aber gerade mit den jungen Leuten muss viel geredet werden“, wird er in der MZ zitiert. „Daran erinnere ich mich“, erzählt er. Der Spruch aus Gräfenhainichener Zeiten stimme immer noch.

„In Gräfenhainichen habe ich ein Himmelfahrtskommando übernommen“, sagt er zu seinem Engagement kurz vor der Jahrtausendwende. Damals dreht sich das Trainer-Karussell in der Heidestadt schneller als in der Bundesliga. Auch Schaffer muss schließlich gehen. Und dann passiert Besonderes: Die Spieler stärken öffentlich ihrem Coach den Rücken. „Ich kann den Rauswurf nicht nachvollziehen“, erklärt ein Kicker. Ein anderer sagt: „Das war kein schlechter Trainer.“ Schaffer fühlt sich aber eher als Einzelkämpfer. „Man hätte hier was aufbauen können. Aber es gibt keinen Zusammenhalt“, sagt er zum Abschied.

Dabei hat die Vereinsführung zunächst für den sportlichen Absturz einen anderen Schuldigen ausgemacht: die Medien. Die Chefetage verteilt kräftige Pressehiebe und wundert sich über die Schlechtigkeiten in der Welt. „Mit der Presse“, sagte Schaffer, „habe ich keine Probleme“. Es werde „viel hinterfragt“, und das sei auch „völlig legitim“. Er erinnert sich: „Ich hatte einen Windschatten in Gräfenhainichen, aber auch in Oranienbaum.“

Die Zeit in der Barockstadt ist erfolgreich. „Da gab es dieses Wir-Gefühl und diese Super-Kameradschaft wie wir sie heute in Wörlitz brauchen. In Oranienbaum hatte ich aber auch tolle Spieler im Team wie zum Beispiel Ralf Jenichen“, lobt Schaffer den aktuellen Trainer des Kreisoberligisten und räumt ein: „Am Ende waren sie enttäuscht, dass ich nach Wolfen gewechselt bin.“

Trotzdem kennt Schaffer auch die Fußballszene des Landkreises Wittenberg nicht nur als Übungsleiter - unter anderem in Coswig -, sondern auch als Spieler. „Das waren in den 70er Jahren tolle Derbys mit Piesteritz“, sagt der Roßlauer, der einst in der DDR-Liga mit Lok Bergen gegen den FC Hansa Rostock kickt.

Anfrage beim Schwimmen

Zuletzt betreut er mit seinem Sohn - „Er ist 40 und damit im besten Traineralter und hat die DFB-Elite-Jugend-Lizenz“ - die Talente-Liga-Mannschaft von Roßlau und wollte eigentlich eine Fußballpause einlegen. Die überraschende Wende gibt es in einem Roßlauer Bad. „Meine Frau ist Schwimmerin und ich habe sie begleitet, als uns ein Wörlitzer Spieler erzählt, das der Verein einen Trainer sucht“, so Schaffer. Zum Ende ist es wie so oft im Fußball: Es geht alles ganz schnell. „Dass es so rasant und einvernehmlich geht, hat selbst mich ein wenig überrascht“, so Schaffer zur „lockeren Anfrage“.

Es folgt ein Treffen mit Richter. Komplettiert hat die Runde Teammanager Werner Engelhardt, den Schaffer noch bestens aus seiner Zeit als Coach in Gräfenhainichen kennt. Engelhardt ist da Trainer der Gräfenhainichener A-Jugend.

Anita gibt Coach das Jawort

„Wir hatten schon damals einen guten Draht, sind uns immer mit Respekt begegnet und haben uns nie aus den Augen verloren“, erklärt Engelhardt. Allerdings ist dies nicht der Hauptgrund, das Angebot vom Aufsteiger anzunehmen. „Ich hatte meine Frau zum Gespräch mitgenommen, und sie hat die eigentliche Hauptrolle dabei gespielt“, gibt Schaffer unumwunden und mit einem Lächeln zu. Gemeinsam mit seiner Anita hat er bei seiner Ankunft in der Parkstadt das gesamte Umfeld bei Grün-Weiß - „Zuletzt war ich hier vor Ewigkeiten, ich glaube mit Zerbst.“ - inspiziert: „Und das hat uns beide sehr imponiert. Was so ein relativ kleiner Verein in Eigenregie alles auf die Beine gestellt hat, ist beeindruckend. Daraufhin hat meine Frau spontan gesagt: ,Achim, mach es!’“

Erst im Anschluss daran hat der Übungsleiter den Wörlitzern die Zusage gegeben, mit dem erklärten Ziel, den Klassenerhalt zu ermöglichen. Richter betont: „Wir vertrauen seiner sportlichen Kompetenz“, sagt der Mann, der bisher ein Allrounder ist. „Trainer, Spieler, Abteilungsleiter, Beruf und Familie - das wurde einfach zu viel für mich, wir mussten reagieren“, so der 32-Jährige,

der auch eine Gräfenhainichener Vergangenheit als Spieler hat.

Der Abteilungsleiter ist sich sicher: „Wir brauchen noch zwei oder drei Verstärkungen“, sagt Richter im Gespräch mit der MZ. Davon redet Schaffer zumindest nicht offiziell. „Wir haben das Ziel und vor allem den Ehrgeiz, die Klasse zu halten“, betont der Neue. Ein Mann mit der A-Lizenz in der Landesklasse ist etwas ganz Besonderes. Das Projekt wird spannend, weil die Parkstädter vor zwei Jahren das Ziel Klassenerhalt deutlich verfehlten. Zum Wiederaufstieg bekennen sich bei einer Umfrage 80 Prozent der Kicker. (mz)

Die Wörlitzer Macher Werner Engelhardt (li.) und Daniel Richter
Die Wörlitzer Macher Werner Engelhardt (li.) und Daniel Richter
Harloff