Fürstliche Domäne Wörlitz Fürstliche Domäne Wörlitz: Ein Lebensthema kommt voran

Wörlitz - Ludwig Trauzettel macht nicht den Eindruck, als neige er zu überschwänglichen Auftritten. Am späten Vormittag dieses 12. Juni scheint er aber mindestens einigermaßen gerührt. Auf dem Belvedere des Amtshauses der Fürstlichen Domäne in Wörlitz wurde soeben eine Plakette enthüllt, darauf steht: Ludwig-Trauzettel-Blick.
Dieser Blick umfasst die Sichtachse Insel Stein/Villa Hamilton - Domäne - historische Wagenremise (Leichenhalle). Mit der Benennung nach dem langjährigen Gartendirektor der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz wollen die Hausherren der Domäne, Sven Kielgas und Falk Morten von Oeynhausen, den 2017 in den Ruhestand gegangenen Trauzettel ehren. Der sagt nach der Enthüllung zu den Gastgebern: „Ich würde Sie jetzt gerne drücken.“
Für die Nachwelt
Die Enthüllung ist Teil der Eröffnung des aufwendig restaurierten Treppenhauses des Verwalterhauses in dem zwischen 1783 und 1787 nach Plänen von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff errichteten Komplex. Etwas mehr als 20 Gäste sind der Einladung von Kielgas und Oeynhausen gefolgt.
Diszipliniert und angetan mit Corona-Mundschutzmasken schieben sie sich durch das mehrstöckige Treppenhaus, in dem besonders die dem Original nachempfundenen Türfassungen und Geländer auffallen. Die Rede ist von Cuba-Mahagoni und Honduras-Mahagoni. Entsprechende Imitationen hatte einst Fürst Franz geschaffen. Entstanden sind die Nachbildungen in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, dessen Rat auch sonst bei der schrittweisen Instandsetzung des historisch bedeutenden Gebäudes gefragt ist.
Dies gilt ebenso fürs Belvedere, an dem Kielgas zufolge erst vor wenigen Tagen offenbar unerwartet Vorzeichnungen sowie Pilaster (Pfeiler) gefunden wurden. „Je länger man hier ist, umso mehr findet man“, sagt der Bauherr sichtlich erfreut.
Das ist erkennbar auch Gunnar Schellenberger. Der Staatssekretär für Kultur von Sachsen-Anhalt und Präsident des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz würdigt das Engagement der Bauherren, und er erinnert an die stets klamme DDR: Man könne „froh sein, dass oft wenig Geld da war“. So wurde wenig umgebaut und blieb der Nachwelt erhalten.
In welchem Zustand die Architektur nach dem Untergang des real existierenden Sozialismus war, steht freilich auf einem anderen Blatt. Im Fall des Wörlitzer Amtshauses sei die bauliche Substanz gar nicht so schlecht gewesen, wie Kielgas gegenüber der MZ sagt. Er führt das auf die Nutzung des Gebäudes als städtische Kindertagesstätte zurück. „Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre die Domäne sicher verschwunden“, schätzt er und erinnert - wie auch der frühere Oranienbaum-Wörlitzer Bürgermeister Uwe Zimmermann - an diesem Freitag an die erste Begegnung mit der Immobilie.
Das war 2014 im Anschluss an die Jahreshauptversammlung der Gartenreich-freunde, als Kielgas, Kunstsammler und Marketingexperte aus München, und sein Partner, der Kunsthistoriker von Oeynhausen aus Berlin, wissen wollten, ob es nicht ein geeignetes Haus für sie im Gartenreich gebe. „Bis vier Uhr morgens waren wir in der Domäne und haben die Welt sortiert“, erinnert Kielgas und sagt auf Nachfrage der MZ, dass man inzwischen eine halbe Million Euro in das Haus investiert habe, da sei der Kaufpreis, er wurde 2015 mit 137.000 Euro beziffert, noch gar nicht enthalten.
Für Kielgas und Oeynhausen scheint sich jeder Cent zu lohnen für etwas, das sie ihr „Lebensthema“ nennen, Kielgas spricht am Rande auch von einer großen Liebe zu diesem Vorhaben.
Fluch und Segen
Eine Perle, die nicht in den Reiseführern zu finden ist, nennt Schellenberger den Ort in seinem Grußwort. Wenig später lässt er den Blick vom Belvedere aus über die liebliche Landschaft schweifen, die am Freitagmittag noch ein wenig im diesigen Licht zu verschwimmen scheint. Das Gartenreich, sagt der Mann aus Magdeburg zur MZ, empfinde er als Inspiration und fasziniert sei er davon, „wie langfristig“ die Menschen damals gedacht haben.
Dass Sachsen-Anhalt mit vielen Denkmalen gesegnet ist, sei zwar Fluch und Segen zugleich, aber das Land „bekennt sich zu seinem Kulturerbe“. Auch in barer Münze: Die Besitzer der Domäne wurden für ihre Bemühungen, ein Kulturdenkmal zu bewahren, mit 250.000 Euro gefördert. (mz)

