Fürstliche Domäne in Wörlitz Fürstliche Domäne in Wörlitz: Leben auf der Baustelle

Wörlitz - Erst kürzlich hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bekanntgegeben, dass sie Putz- und Stuckarbeiten im Amtshaus der einstigen Fürstlichen Domäne Wörlitz mit 25.000 Euro fördert, da sind in der Immobilie schon Ergebnisse zu sehen. In einem Raum, der bis zum Auszug einer städtischen Kindertagesstätte 2015 den lieben Kleinen als Sanitärbereich diente, wurde ein kleines Stück der sogenannten Schattenfuge freigelegt.
Sie geht auf Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff zurück und die Art ihrer Anlage soll den Eindruck vermitteln, als sei das Gesims von der Decke abgekoppelt. Dadurch entstehe der Eindruck einer schwebenden Leichtigkeit, wie Lars Schellhase sagt.
Nichts für Eilige
Schellhase ist Restaurator, er spricht von gut 20 Farbschichten, die in den Zeiten unterschiedlicher Nutzung des Gebäudes aufgetragen wurden. Um an der Schattenfuge zum Ursprung vorzudringen, hat er für einen Meter fünfeinhalb Stunden benötigt und dabei 1,5 Kilogramm Farbpartikel abgenommen. Unter anderem arbeitet er mit einem Skalpell, sein Geschäft ist nichts für Eilige und das meiste liegt ohnehin noch vor ihm.
Nach Auskunft des Eigentümers der Immobilie, Sven Kielgas, müsse anhand der jetzt stattfindenden Arbeiten und mit Blick auf weitere Räume auch geschaut werden, wie groß der Aufwand grundsätzlich ist. Dabei, so Kielgas, „ist es nicht die Frage, ob wir es machen, sondern wann“. Gemeint sind die Kosten; das Amtshaus ist ein Denkmal, Beträge im sechsstelligen Bereich wurden bereits ausgegeben, Kielgas sagt, und man darf annehmen, dass er scherzt: „Ich weiß wenigstens, wofür ich mich ruiniere.“
Bewusste Reduktion
Wie ernst dem Münchener Kunstsammler und Marketingexperten und seinem Partner Falk Morten von Oeynhausen, Kunsthistoriker aus Berlin, die Wiederherstellung des Amtshauses ist, wird beim Rundgang am Montag einmal mehr deutlich. Ihre Leidenschaft für diese Immobilie scheint ganz entschieden mit ihrer Liebe zu England zusammenzuhängen. Zuhause, so Oeynhausen, das sei die britische Insel. Kielgas nennt Wörlitz „die einzige Alternative zu England“.
Diese Neigung haben sie also mit dem England-Freund Fürst Franz gemeinsam, der den Park von Wörlitz nach englischem Vorbild anlegen ließ. Sein Architekt von Erdmannsdorff entwarf auch die Gebäude der Domäne. Er lehnte sich bei der Gestaltung an die der „Villa Emo“ von Andrea Palladio an. Von Oeynhausen sieht jedoch Bezüge auch zum Landsitz Stourhead bei Stourton in Wiltshire. Er zeigt Bilder, die Ähnlichkeit ist frappierend.
Was ihn und Kielgas hinsichtlich der Gestaltung im Inneren begeistert, ist die bewusste Reduktion und Zurücknahme von Zierrat. So sei etwa der Stuckfries der einzige architektonische Wandschmuck.
Umso auffälliger war offenbar die Farbgebung, unter anderem wurde Wedgewoodblau verwendet und auch in Wörlitz sollen einzelne Wände wieder so gestaltet werden. Was die vom Landesamt für Denkmalpflege begleitete Restaurierung betrifft, so sagt Kielgas: „Wir wollen alles zurückführen auf die Ausgangszeit.“ Das Schöne dabei ist offensichtlich, dass vieles bekannt ist: „Wir brauchen nichts zu raten, wir brauchen nur zu finden.“
Wo der Rückzug ist
Einer, der sich damit auskennt, ist Architekt Steffen Bräunig. Auf mehreren Baustellen sei er derzeit unterwegs, diese hier in Wörlitz aber sei die wichtigste. Bräunig, der 2016 eine Expertise erstellte, spricht von „im Kern gesunden Mauerwerk“ und scheint auch ansonsten nicht unzufrieden mit dem Zustand der Immobilie. Ein „Sorgenkind“ (Kielgas) sei eine Decke, doch macht beim Ortstermin niemand den Eindruck, als könnte es sich um ein unlösbares Problem handeln. Und angesprochen auf andere Fälle, wo Denkmalbesitzer angesichts immenser Auflagen und Herausforderungen mit ihrem Los schon mal ins Hadern gekommen sein sollen, sagt er: „Man muss hier niemanden vom Wert seines Baus überzeugen.“
Der ist noch lange nicht fertig, trotzdem, sagt Sven Kielgas - und Spuren finden sich unter anderem im zum Garten hin gelegenen Salon, „leben wir schon hier“. Zwar befänden sich die beruflichen Wohnsitze nach wie vor in München und in Berlin, aber „der Rückzug ist hier“. (mz)

