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Feuerwehr in Coswig Feuerwehr in Coswig: Eine Wehr wehrt sich

Von Ilka Hillger 01.12.2018, 08:34
Weidens Wehrleiter Lars Kolbe will sich nicht den viel kleineren Nachbarn anschließen.
Weidens Wehrleiter Lars Kolbe will sich nicht den viel kleineren Nachbarn anschließen. Klitzsch

Weiden/Coswig - Die Freiwillige Feuerwehr Weiden hat dieser Tage die Züge eines gallischen Dorfes angenommen. Ob ihr Kampf gegen eine Übermacht ähnlich erfolgreich ist wie in den Comics von Asterix und Obelix, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Im speziellen Fall kommt der Feind aus dem Coswiger Rathaus und droht mit einer Risikoanalyse und dem Brandschutzbedarf der Stadt und ihrer Ortsteile.

Das Papier, aus dem sich eine neue Brandschutzordnung ergibt, wurde im vergangenen Sommer vom Coswiger Stadtrat beschlossen. Mehr als ein Jahr später ist die Umsetzung durch die Verwaltung in vollem Gange.

Weniger Selbstständigkeit

Nun erst offenbart sich aber einigen, was das eigentlich konkret bedeutet: Die 19 Freiwilligen Wehren aus der Coswiger Region sollen in sechs Stützpunkten konzentriert werden, womit vor allem die kleineren Wehren hauptsächlich in Verwaltungsdingen ihre Selbstständigkeit aufgeben müssen. Weiden gehört dazu.

„Das werden wir nicht mitmachen“, sagt Weidens Wehrleiter Lars Kolbe ganz deutlich. Er und seine 21 Kameraden sehen nicht ein, warum sie sich als gut besetzte Feuerwehr, die auch über ausreichend Nachwuchs in der Kinder- und Jugendwehr verfügt, einem viel kleineren Nachbarn anschließen sollen. Es geht in diesem Aufbegehren viel um persönliche Befindlichkeiten und um Machtverlust.

Der eigentliche Sinn und Zweck einer Feuerwehr, die Bevölkerung rund um den Standort zu schützen und zu retten, ist längst ins Hintertreffen geraten. Aber eben darauf fußt die Risikoanalyse, der sich Feuerwehren im Turnus von vier Jahren unterziehen müssen.

Für die Coswiger Region wurde diese von einem erfahrenen externen Gutachter vorgenommen, erklärt Stadtwehrleiter Ingo Künne. Das 90-seitige Papier und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen zu neuen Strukturen seien allen Wehrleitern vorgestellt worden, bevor es im Juni 2017 im Stadtrat beschlossen wurde. „Damals gab es nicht einen Widerspruch“, erinnert Künne, weder von seinen Kameraden noch von den Stadträten.

Nun aber regt er sich in Weiden umso heftiger, bis hin zu Androhungen, dass alle Kameraden aus der Feuerwehr austreten werden, wenn es denn zum Anschluss kommen würde. „Das ist ernst gemeint und ich weiß, dass es wie Erpressung klingt“, bekräftigt Lars Kolbe seine deutlichen Worte aus einem Radiointerview.

Erpressen lassen will man sich im Rathaus aber nicht. „Unsere Kompromissbereitschaft ist erschöpft“, sagt Bürgermeister Axel Clauß. Irgendwann haben er und sein zuständiger Fachbereichsleiter Michael Stephan aufgehört zu zählen, wie oft sie Gespräche mit der Weidener Wehr und deren Leiter Lars Kolbe geführt haben. „Unsere Argumente fanden einfach kein Gehör“, sagt Clauß.

In dieser Woche im Hauptausschuss und im kommenden Stadtrat am 13. Dezember zieht man deshalb gewissermaßen mit einem Beschluss die Notbremse. „Sechs plus eins oder nur sechs – das muss entschieden werden“, so Coswigs Bürgermeister. Die Stadträte sollen sich also erneut positionieren, ob es bei den sechs Stützpunkten – Coswig, Cobbelsdorf, Jeber-Bergfrieden, Thießen, Serno, Klieken – bleiben wird oder ob es für Weiden eine Extrawurst gibt.

Dass Weidens Weigerung Nachahmer aus anderen Ortsteilen finden könnte, befürchten Clauß und Stephan nicht. „Natürlich gibt es solche Gedankengänge. Aber bis auf Weiden haben sich alle anderen Wehren freiwillig zusammengefunden. Für uns ist das ein gutes Signal, dass es funktionieren kann, wenn man kompromissbereit ist“, erklärt Michael Stephan.

Die geplanten größeren Einheiten seien nicht zuletzt auch eine Landesvorgabe, denn nur wenn bestimmte Kennzahlen erreicht werden, können auch Fördermittel beantragt werden. Bleibt Weiden in seiner Solorolle, könnte es diesbezüglich künftig eng werden.

Gerätschaft ist nicht betroffen

Letztlich gehe es um die Sicherheit der Bürger und nicht um persönliche Belange, findet Fachbereichsleiter Stephan. Die Konzentration auf sechs Stützpunkte berühre zudem weder die Gerätehäuser noch die Fahrzeuge der einzelnen Wehren.

Dass man trotz einer großen Zahl an Stimmen, die man einbringen könnte, ins Hintertreffen geraten wird, befürchtet allerdings Lars Kolbe. Mit den Nachbarn aus Jeber-Bergfrieden habe die Zusammenarbeit schon auf freiwilliger Basis nicht geklappt. „Das wird unter Zwang erst recht nichts“, weiß der Weidener.

„Das ist ein emotionales Thema, dass einen bis ins Private verfolgt“, sagt Coswigs Bürgermeister Axel Clauß. „Lieber zwei Mal eine Steuererhöhung als eine Feuerwehrreform“, stöhnt er. Die Stadträte, die nun am Ball sind, würden dies wohl jederzeit unterschreiben. (mz)