Dessauer NahverkehrsfreundeDessauer Nahverkehrsfreunde: Oben ohne nach Ferropolis

Ferropolis/Oranienbaum - Ein Hingucker ist er definitiv. Kaum ein Autofahrer oder Passant, der in diesen Tagen in Dessau unterwegs ist und dem „MAN SD 200“ begegnet, kann seinen Blick von ihm wenden. Schließlich sieht man einen Doppeldeckerbus nicht alle Tage. Doch die Nahverkehrsfreunde Dessau, die den einstigen West-Berliner Linienbus im vorigen Herbst für 5.000 Euro erwarben, haben dafür gesorgt, dass er ab sofort öfter zum Stadtbild gehört.
Am 29. Juni wurde der Doppeldecker wieder für den Straßenverkehr zugelassen. Am 11. Juli hat die neue Saison mit Themenfahrten begonnen. Bei einer Pressefahrt kurz zuvor wurden ein paar Hintergründe zum Bus erläutert und zudem erklärt, was die Nahverkehrsfreunde alles damit vorhaben.
Traum geht in Erfüllung
„Um so einen Doppeldecker haben wir uns schon lange bemüht“, erzählt Dirk Edelmann. Der 28-jährige Dessauer, der als Straßenbahnfahrer und Dispatcher für die Leipziger Verkehrsbetriebe arbeitet, hat 2015 die Dessauer Nahverkehrsfreunde mit einer handvoll weiterer Enthusiasten gegründet. Heute sind es zehn Mitglieder.
Nahverkehrsgeschichte wollen sie mit historischen Bussen und Straßenbahnen erfahrbar machen. Mit einem ehemaligen Berliner Linienbus von Mercedes-Benz, Baujahr 1983, drehen sie schon seit 2017 ihre Runden. Zwei weitere Anschaffungen aus ehemaligen Beständen des Dessauer Linienverkehrs werden gegenwärtig für den Einsatz vorbereitet.
Der Doppeldecker war bei seiner Überführung am 16. Oktober 2019 von Berlin auf einen Betriebshof in Oranienbaum in einem erstaunlich guten Zustand. „Es bedurfte nur kleiner Reparaturen, um ihn durch den Tüv zu kriegen“, erzählt Niklas Grigo. Für den 20-jährigen Oranienbaumer, der bei den Leipziger Verkehrsbetrieben als Busfahrer arbeitet, ist mit dem Doppeldecker ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen.
Am gleichen Tag Geburtstag
Früher, im Kinderzimmer, hat er in einem Bussimulator solch ein Modell durch die Gegend gesteuert, erinnert er sich. Jetzt sitzt er in echt hinter dem Lenkrad.
Eine persönliche Beziehung zu diesem Bus aufzubauen, fiel dem 20-Jährigen indes nicht schwer. „Wir haben am gleichen Tag Geburtstag“, erzählt er. Im Oktober 1977 wurde der Doppeldecker nach West-Berlin geliefert. Am 23. März 1978 erfolgte die Erstzulassung. 22 Jahre später, am 23. März, kam Grigo zur Welt.
Bis Ende 1989 fuhr der Doppeldecker im Westberliner Linienverkehr, danach noch bis 1992 im Linienverkehr im Berliner Osten. Ein Busunternehmer aus dem brandenburgischen Lehnin kaufte und verkaufte ihn bald wieder.
Im norddeutschen Neumünster nutzte ihn anschließend das Jugendamt für Betreuungsangebote als Jugendbus. Im Jahr 2006 ging es für den Bus dann zurück nach Berlin für Stadtrundfahrten - bis zu seiner Ausmusterung 2018. Das Dach wurde zum Schiebedach. „Bei gutem Wetter kann man somit echtes Cabrio-Feeling erleben“, verdeutlicht Edelmann.
Stadtrundfahrten denkbar
Für den Fahrer erfordert die Bushöhe von rund vier Metern vor allem bei Bäumen am Straßenrand viel Geschick. Manches Blatt verirrte sich bei der Pressefahrt ins Oberdeck. „Trotz aller Herausforderungen ist es ein gutes Gefühl, hinterm Steuer zu sitzen“, sagt Grigo. Er freut sich darauf, jetzt öfter mit dem Doppeldecker durch die Stadt Dessau und die Region zu fahren. So können beispielsweise Hochzeitsgesellschaften damit durch die Straßen chauffiert werden. Am 15. August ist eine Themenfahrt nach Ferropolis geplant. Langfristig sind außerdem regelmäßige Stadtrundfahrten mit dem Doppeldecker denkbar.
Für Events mietbar
Die Nahverkehrsfreunde Dessau haben sich im November 2015 gegründet. Ihr Ziel ist es, die lange Nahverkehrsgeschichte der Stadt Dessau-Roßlau zu bewahren und für die Öffentlichkeit erlebbar zu machen.
Neben der Aufarbeitung der Geschichte bieten sie Sonder- und Themenfahrten mit historischen Fahrzeugen in der Region Anhalt an. Sie kümmern sich außerdem um die Restaurierung und den Betrieb von historischen Omnibussen.
Für verschiedene Themen- und Sonderfahrten stehen momentan zwei Fahrzeuge zur Verfügung: der frühere Berliner Linienbus von Mercedes Benz und der Doppeldecker von MAN. Sie können auch für Anlässe wie Hochzeitsfeiern, Jubiläen oder Firmenevents gemietet werden.
Nähere Auskünfte dazu sind zu erfragen unter der E-Mail-Adresse [email protected] oder unter Telefon: 0341/68693684. (mz)

