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Schicksalsschlag Schicksalsschlag: Nach Trauerfall kommt die Kündigung

Von Daniela Kainz 24.09.2016, 14:00
Eine trauernde Engelsfigur auf einer Grabstelle
Eine trauernde Engelsfigur auf einer Grabstelle dpa-Zentralbild

Eisleben/Hettstedt - „Er wollte zu Hause sterben. Das war der letzte Wunsch meines Großvaters.“ Enkelin Nadine Schulze (Name geändert) zögerte keinen Augenblick. Die junge Frau holte ihren Großvater aus dem Krankenhaus, nachdem er dort acht Monate lang von Ärzten und Krankenschwestern medizinisch versorgt wurde und keine Hoffnung mehr auf Besserung bestand. Zu diesem Zeitpunkt ahnte die alleinerziehende Mutter noch nicht, dass sie schon wenig später ihre Arbeit in einer Physiotherapie-Praxis verlieren würde.

Mit einem Intensivpflegeteam teilte sich Nadine Schulze zu Hause die aufwendige Pflege ihres Großvaters. Die Betreuung fiel zufällig in ihren Urlaub. „Ich habe ihn 28 Stunden lang am Sterbebett begleitet. Als er gestorben war, war ich fix und fertig. Ich konnte nicht mehr klar denken.“ Zur selben Zeit lag auch noch ihre Oma im Krankenhaus. Alles kam zusammen.

Die einzige Angehörige, die sich um Notwendiges kümmert

Gleich am nächsten Morgen wieder zur Arbeit gehen? Für die junge Frau undenkbar: „Ich hätte meine Patienten nicht richtig behandeln können.“ Und dann waren da auch noch viele Wege zu erledigen; mit dem Bestatter mussten die nächsten Schritte für die Beerdigung besprochen werden. Nadine Schulze war die einzige Angehörige, die sich um all diese notwendigen Dinge nach einem Trauerfall kümmern konnte. Sie informierte ihre Chefin über die schwierige Situation und ließ sich krank schreiben.

Als sie wenige Tage nach dem Tod des Großvaters ihre Kündigung erhielt, verstand sie die Welt nicht mehr. „Das kann doch nicht sein. Ich bin sonst nie ausgefallen.“ Sollte ihre Kündigung mit dem Tod des Großvaters zusammenhängen? Eine Frage, die sie umtreibt. Eine Antwort von ihrer Chefin bekam sie bis heute nicht.

Überrascht zeigt sich Nadine Schulzes Arbeitgeberin, dass ihre ehemalige Mitarbeiterin in ihrer Verzweiflung an die Öffentlichkeit geht. „ Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich keine Informationen zu meinen Kolleginnen und Kollegen (auch nicht den ehemaligen) sowie Details aus deren Beschäftigungsverhältnissen preisgeben werde“, sagt die frühere Arbeitgeberin (Name der Redaktion bekannt) auf Anfrage der MZ.

Sie könne ganz allgemein versichern, dass niemandem in ihrer Praxis wegen berechtigter Arbeitsunfähigkeit oder gar Trauer gekündigt werde. „Der persönliche Verlust von Frau... tut uns allen sehr leid, was ich ihr auch durch meine Beileidsbekundung mitgeteilt habe“, versichert sie.

Sie verweist darauf, dass es nicht notwendig und auch nicht gängige Praxis als Kleinunternehmer sei, eine Kündigung zu begründen. Auch in diesem Sinne, aber vor allem aus Rücksicht auf ihre gekündigte Mitarbeiterin und deren beruflichen Entwicklung, möchte sie sich nicht weiter äußern.

Rat beim Anwalt für Arbeitsrecht gesucht

Dass die Kündigung nicht begründet werden muss, ist auch Nadine Schulze bekannt. Das sei bei kleinen Unternehmen gesetzlich so geregelt, weiß sie. Bei einem Anwalt für Arbeitsrecht hatte sie sich dazu Rat eingeholt. Er war auch zu dem Schluss gekommen, dass mit ihrer Kündigung alles rechtens sei.

Trotzdem: Nadine Schulze bleibt mit ihren Fragen zurück. Sie überlegt nun, wie es für sie und ihre kleine Tochter weitergehen kann. Zurzeit ist Nadine Schulze krank geschrieben. Aber was wird danach? Im nächsten Jahr möchte sie sich beruflich selbstständig machen. Das hatte sie sich schon vor dem Tod ihres Großvaters vorgenommen. Die Zeit bis zur Eröffnung einer eigenen Praxis muss sie aber überbrücken: „Ich würde so gern wieder in meinen Beruf arbeiten.“

Bei allen Problemen, vor denen die junge Frau jetzt steht. Nadine Schulze ist davon überzeugt, dass sie sich richtig entschieden hatte. Nicht eine Sekunde bereut sie, ihrem Großvater in seiner letzten Lebensphase zur Seite gestanden, ihm die Hand gehalten zu haben. „Er ging ganz friedlich. Das ist mein Trost.“ (mz)