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Historiker im Nebenberuf Mansfeld: Pfarrer Matthias Paul schreibt Buch über Kirchengeschichte

Von Jörg Müller 04.08.2020, 16:14
Pfarrer Matthias Paul hat sich intensiv mit der Kirche St. Georg, der Stadt Mansfeld  und dem Mansfelder Land beschäftigt.
Pfarrer Matthias Paul hat sich intensiv mit der Kirche St. Georg, der Stadt Mansfeld  und dem Mansfelder Land beschäftigt. Jürgen Lukaschek

Mansfeld - An diesem Buch kommt niemand vorbei, der sich für die Stadt- und Kirchengeschichte Mansfelds interessiert. Der jetzt erschienene, großformatige Band mit dem schlichten Titel „Die Kirche St. Georg“ ist das Ergebnis der Forschungs- und Archivarbeit von Pfarrer Matthias Paul.

Nach fast elf Jahren in Mansfeld ist er Anfang dieses Jahres mit seiner Familie in seine Heimatstadt Görlitz gezogen, wo er und seine Frau Dörte das Pfarramt in der Innenstadtgemeinde übernommen haben. Das Buch ist sozusagen Pauls Abschiedsgeschenk an die Lutherstadt - „eine Würdigung und Wertschätzung der Mansfelder“, wie der 46-Jährige im Gespräch mit der MZ sagt. Die geplante Präsentation, die wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden konnte, soll auf jeden Fall noch nachgeholt werden.

Mansfeld: Forschungsarbeit über die Kirchengeschichte

„Eine intensive Forschung über die Stadt hat es in dieser Breite und Tiefe vorher nie gegeben“, sagt der Pfarrer. Existierende Bücher würden jeweils nur Ausschnitte der Stadtgeschichte behandeln. „Mir ist schnell klar geworden, dass das ein Feld ist, das bearbeitet werden muss“, so Paul, der das Buch im Auftrag des Evangelischen Kirchspiels Mansfeld gemeinsam mit dem Altphilologen Thomas Hübner von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg herausgegeben hat.

Paul hat den größten Teil der Texte geschrieben, weitere Beiträge haben die Restauratorin Andrea Himpel, der ehemalige Pfarrer Martin Eber, Bettina Seyderhelm vom Landeskirchenamt und der Bauingenieur Sixtus Hermanns, der die Sanierung der Kirche geleitet hat, verfasst. Mit der detailreichen Beschreibung des Bauwerks, seines Inventars und der Kunstwerke und der prächtigen Illustrierung setzt das Buch Maßstäbe. Dazu gibt es spannende Hintergründe aus der Kunst-, Kirchen- und Stadtgeschichte. Ein weiteres Kapitel umfasst Quellen und Dokumente aus dem 15. bis 21. Jahrhundert.

Pfarrer Matthias Paul zeigt Menschen als Akteure

„Als ich 2009 nach Mansfeld gekommen bin, lag es mir nahe, mich mit der Geschichte der Stadt und der Kirche zu beschäftigen“, erzählt Paul, der in Halle Theologie studiert hatte. Dass er als promovierter Kirchenhistoriker auf die Pfarrstelle entsandt worden sei, sei sicher kein Zufall gewesen. Schließlich sei es um die Vorbereitung des Reformationsjubiläums gegangen. Auch für die spätere, umfassende Kirchensanierung seien historische Forschungen unabdingbar gewesen. „Ich habe das sehr gern gemacht“, so Paul - freilich immer neben seinem Hauptberuf. „Das war nur sporadisch möglich, zum Beispiel im Urlaub.“ Deshalb habe er auch insgesamt zehn Jahre an dem Thema gearbeitet.

„Mir war sehr wichtig, Menschen als Akteure zu zeigen und nicht nur Objekte zu beschreiben.“ So beginnt das Buch gleich mit einem „Tag in Mansfeld“: Paul beschreibt, welche Menschen man an einem Frühlingstag 1880 hätte treffen können. Nach dem Gottesdienst, so der Autor weiter, hätte man im Rathauskeller vier für Mansfeld wichtige Jahreszahlen erfahren können: 1580, 1680, 1780 und 1880. So steigt Paul in die Geschichte der Grafschaft ein. Wobei die Geschichte der Stadt in Vatterode beginne, wo vermutlich schon 973 eine sogenannte Mutterkirche gestanden habe.

Das Buch „Die Kirche St. Georg. Ein Reformationsort Europas in Luthers Heimatstadt Mansfeld“, herausgegeben von Matthias Paul und Thomas Hübner, ist im Verlag Janos Stekovics (Wettin-Löbejün) erschienen (Affiliate-Link zu Amazon). Der Verlag hat sich mit hochwertigen Kunst- und Reiseführern, Bildbänden und Städteporträts einen Namen gemacht. Der Ungar Stekovics, der nicht nur als Verleger, sondern auch als Fotograf bekannt ist, hat auch für das Mansfeld-Buch fotografiert. Es kostet 35 Euro und ist im Handel erhältlich sowie in der Kirche und im Gemeindebüro Mansfeld.

Auch die Luthers hätten die Pacht für ihr Grundstück nach Vatterode abführen müssen. 1434 wird in einer Urkunde erstmals die Kirche St. Georg erwähnt. Einen eigenen Pfarrer habe Mansfeld aber erst um 1460 bekommen, bis dahin habe der Pfarrherr in Vatterode gesessen. Paul nennt wichtige Stadtpfarrer vor dem Hintergrund der jeweiligen politischen Ereignisse. Dass in Mansfeld die Anfänge der deutschsprachigen Lutherverehrung liegen, gehe auf das Wirken von Cyriakus Spangenberg (1528-1604) zurück. Spangenberg, der als Chronist des Mansfelder Landes bekannt geworden ist, hatte 1562 begonnen, in seinen Predigten Glaubensinhalte mit Lebensstationen Luthers zu verbinden.

Ansiedlung von Schweizern im Jahre 1693

Bis 1973 habe Mansfeld einen eigenen Superintendenten gehabt, der „sich gewissermaßen noch in die Reihe des einst von Luther ausgewiesenen Dekans beziehungsweise Generaldekans stellen“ konnte, so Paul. Der letzte Superintendent sei Wolf-Dieter Staemmler (verstorben 1984) gewesen, der bis heute vielen Mansfeldern bekannt sei.

Eine wichtige Episode in der Mansfelder Geschichte, die heute kaum noch bekannt sei, sei die Ansiedlung einer reformierten Schweizer Gemeinde 1693 gewesen. Nach dem wirtschaftlichen Niedergang und der Entvölkerung während und nach dem 30-jährigen Krieg habe Brandenburg-Preußen versucht, die Reformierten anzusiedeln - was zu Konflikten mit den Alteingesessenen führte. Bereits 1713 seien viele Schweizer dann nach Calbe abgewandert. Damit sei die Besiedlungspolitik gescheitert.

30 Original-Urkunden im Archiv wiederentdeckt

Seinen größten Fund hat Paul im Landeskirchenarchiv in Magdeburg gemacht. Er hat dort 30 Originalurkunden aus dem 15. und 16. Jahrhundert wiederentdeckt, die als verschollen galten. Darunter seien die einzigen bekannten Urkunden, die die Familie Luder mit Mansfeld in Verbindung bringen. So wird Hans Luder, der Vater von Martin Luther, als einer der sogenannten Vierherrn erwähnt. Alle späteren Forscher hätten sich auf eine Publikation über die Urkunden von Carl Krumhaar aus dem 19. Jahrhundert bezogen. Niemand habe gewusst, dass die Originalurkunden erhalten seien. In seinem Buch hat Paul die Urkunden mit der Übersetzung von Thomas Hübner erstmals veröffentlicht.

Die aufwendige Produktion des Buches sei nur möglich gewesen dank der finanziellen Unterstützung durch das Land Sachsen-Anhalt, die Lutherstadt Mansfeld, die Katharina und Gerhard Hoffmann Stiftung (Hamburg) und den Evangelischen Kirchenkreis Eisleben-Sömmerda, so Paul. (mz)

Die Mansfelder Kirche
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Jürgen Lukaschek