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Kloster Gerbstedt Kloster Gerbstedt: Authentische Geschichte in geheimnisvollen Gängen

Von Thomas Schöne 29.05.2016, 07:44
Blick über zur St. Johannis Kirche in der Kleinstadt Gerbstedt
Blick über zur St. Johannis Kirche in der Kleinstadt Gerbstedt dpa-Zentralbild

Gerbstedt - Tief im Inneren des Berges unter der Stadt Gerbstedt (Landkreis Mansfeld-Südharz) erstrecken sich geheimnisvolle Gänge. Ein Teil soll jetzt für Besucher hergerichtet werden. „Die Anfänge dieses Stollensystems gehen auf die Gründung des Benediktinerinnen-Klosters im Jahr 985 durch Markgraf Rikdag II. von Meißen zurück“, sagt Ortsbürgermeisterin Barbara Höhndorf. Der steinerne Sarg des Herrschers, der im Kloster beerdigt wurde, ist in einem der Gänge zu sehen.

„Es gab immer viele Belagerungen, weil das Gerbstedter Kloster das reichste der zwölf Klöster des Mansfelder Landes war. Das zwang die Nonnen oft zur Selbstversorgung. Also gruben sie Gänge bis unter die Häuser im Ort, um dort von den Bewohnern Essbares zu erbitten.“ Das Kloster wurde 1564 aufgrund der Reformation aufgegeben. Die Gebäude zerfielen, Plünderungen, Pestepidemien und der 30-jährige Krieg hinterließen ihre Spuren.

Jetzt soll ein Teil der Gänge für Touristen begehbar gemacht werden: authentische Geschichte unter der 8000-Einwohner-Stadt. Der Eingang in die „Unterwelt“ liegt im heutigen Stadtmuseum. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht die 1741 erbaute evangelische Johanniskirche. „Ein Gang führt fast zu dieser Kirche. Rund zwei Meter fehlen noch und dazu etwa noch sechs Meter nach oben. Der Gang würde dann direkt in der Kirche herauskommen“, sagt Stadtmitarbeiter Christian Heidler.

„Eine Verbindung zwischen katholischem Kloster und evangelischer Kirche - etwas Einzigartiges wäre geschaffen.“ Die Kosten für den Gangdurchbruch bezifferte Heidler auf rund 120 000 Euro. „Wir hoffen auf Förderung durch das EU-Leader-Programm, verteilt auf drei Jahre“, sagt der Experte. „Die Kirche wird damit bewusst ein Teil des Tourismuskonzeptes der Stadt“, sagt die Pfarrerin der Johannisgemeinde, Anna-Maria Binder. „Es ist auch eine kreative Idee, die Kirche für Besucher in ungewöhnlicher Weise offen zu halten.“

Im unterirdischen Wegesystem bekommen Touristen einen unmittelbaren Eindruck der damaligen Zeit. „Die Gänge wurden in drei verschiedenen Ebenen angelegt. Die tiefsten liegen 16 Meter unter der Oberfläche“, sagt Heidler. Außerdem gibt es Hohlräume in verschiedenen Größen. Einer dieser Räume wird im Stil einer mittelalterlichen, klösterlichen Gebetsstube eingerichtet. In einem anderen Raum steht bereits das Modell der eindrucksvollen Klosteranlage, so wie sie im 12. Jahrhundert existiert hat. Ein ortsansässiger Hobby-Modellbauer fertigte es nach alten Zeichnungen an.

Zudem fanden sich Steine, die zur Klosteranlage gehörten. Auch die sind in einem der Gänge zu sehen, etwa ein sogenannter Näpfchenstein mit Vertiefungen für Dochte und Öl. An Festtagen brannten die Lichter zu Ehren und zum Andenken der Verstorbenen. „Diese Näpfchensteine sind selten. In Sachsen-Anhalt sind nur noch zwei Näpfchensteine bekannt“, sagt Archäologe Michael Dapper.

Um die Gänge ranken sich der viele Legenden. „Es gibt Überlieferungen, dass einer der Gänge sogar bis zum rund 20 Kilometer entfernten Kloster Helfta in Eisleben ging und dass er so breit und hoch war, dass Fuhrwerke darin fahren konnten“, sagt Bürgermeisterin Höhndorf. „Allerdings fehlen bis jetzt die Beweise.“ (dpa)