Jugendwaldheim "Wildenstall" Jugendwaldheim "Wildenstall": Außergewöhnlicher Unterricht: Jugendliche lernen im Forst

Grillenberg - „Achtet drauf, dass ihr den Hammer gerade haltet“, mahnt Uwe Bischoff, der an diesem Vormittag eine kleine Gruppe von Neuntklässlern aus Ballenstedt betreut. Aus Fichten bauen sie Ansitze für die Drückjagd. „Die Stämme sind am Tag zuvor gefällt worden“, erklärt Harald Schreier. Er leitet das Jugendwaldheim „Wildenstall“, das idyllisch im Wald zwischen Grillenberg und Wippra nahe der Kohlenstraße liegt.
Das Entasten und Schälen gehört zu den Arbeiten, die die Schüler erledigen dürfen, sagt Schreier: „Alles manuell, die Schüler kriegen kein technisches Gerät in die Hand.“ Die 14- und 15-Jährigen bringen die Stämme auf Länge und nageln sie zusammen. Was leichter aussieht als es ist. Es macht Spaß, finden Aleksandra, Stefan und Pascal.
Schüler arbeiten im Wald bei Grillenberg und lernen dabei etwas über die Umwelt
Klassenleiterin Elke Neumann schaut nicht etwa zu, sondern arbeitet mit. „Es ist ein schöner Umgang mit den Vorarbeitern und miteinander“, findet sie. Den Schülern tue es gut, selbst zu arbeiten und etwas zu schaffen. Was Schreier, der früher Revierförster in Morungen war, bestätigt.
Als damals das einstige Forst- und Jagdhaus zum Jugendwaldheim umgebaut wurden, erzählt er, habe er kaum eine Vorstellung von der inhaltlichen Arbeit gehabt. „Mir hat jemand zu erklären versucht, das wäre so, als kämen junge Pioniere und nagelten Nistkästen zusammen.“ Schreier lacht.
Produktiv im Wald zu arbeiten und das mit Umweltbildung zu verbinden, sei wichtig für junge Menschen - egal, ob sie an Förderschule oder Gymnasium, Sekundarschule oder Berufsbildender Schule lernten.
Jugendwaldheim „Wildenstall“ bis 2022 ausgebucht
Mittlerweile gibt es das Jugendwaldheim seit 20 Jahren, es ist bis 2022 ausgebucht. Fast 18.000 Jugendliche ab 14 Jahren und ihre Betreuer waren hier. Die Klassen reisen montags an und bleiben bis Freitag. „Sie werden belehrt, wir zeigen ihnen das Objekt, teilen sie in Gruppen ein - und Montagmittag geht es das erste Mal raus zur Arbeit. Auch bei Frost, von Januar bis Dezember, ohne Murren“, sagt Schreier.
Jede Gruppe werde durch einen Vorarbeiter betreut, der seine Erfahrung als Waldarbeiter mitbringt und für die Arbeit mit Schülern qualifiziert ist. „Wir erleben oft, dass Jugendliche hier zum ersten Mal im Leben mit ihren Händen etwas schaffen.“
Wege werden ausgebessert und freigeschnitten, Flächen entbuscht oder wie jetzt nach Sturm „Friederike“ von Windbruch beräumt, Stichgräben an nassen Wiesen gezogen, Buchenholz mit Spalthammer und Keil für die Holzvergaserheizung vorbereitet. „Obwohl so ein Hammer um die zwei Kilogramm wiegt, die Schüler sind mit Leidenschaft dabei“, sagt Schreier.
Arbeitstag im Wald bei Grillenberg beginnt um sieben
Während Bischoffs Gruppe noch die Ansitze zusammenbaut, ist eine andere Gruppe ein Stück weiter im Wald unterwegs. Das kleine Feuer, das zur Frühstückspause dazugehört, ist am Verlöschen. Der Vorarbeiter fällt junge Fichten. „Wir haben erst die Äste abgesägt und den Stamm hergetragen“, erzählt Marie-Luise, während sie Rinde abschabt. Sonst habe sie noch nie mit Holz gearbeitet.
„Es ist anstrengend“, gesteht sie, „ aber es macht Spaß.“ Es sei eine Abwechslung zum üblichen Schulalltag und gehe entspannter zu als in der Schule. Dabei beginnt der Arbeitstag bereits morgens um sieben, fast eine halbe Stunde eher als sonst die erste Schulstunde.
Heike Schulze, die am Ballenstedter Gymnasium Deutsch und Geschichte unterrichtet, hilft beim Entrinden. „Es ist Tradition, dass unsere neunten Klassen ins Waldlager fahren“, erzählt die Quedlinburgerin. „Ich habe gewusst, worauf ich mich einlasse. Es ist eine schöne Abwechslung vom Schreibtisch.“ Es sei interessant, die Schüler von einer ganz anderen Seite kennenzulernen. Zu erleben, wie hilfsbereit jemand ist, von dem man es vielleicht gar nicht erwarten würde.
Schüler erkunden Sangerhausen und Bergbaumuseum Wettelrode
Nachmittags ist Freizeit. „Die Klassen fahren gern nach Sangerhausen ins Kino, Ski oder zum Baden, besuchen das Wildgehege in Horla oder das Bergbaumuseum in Wettelrode, wandern nach Wippra zum Klettern und zur Rodelbahn“, zählt Schreier auf. Die Ballenstedter hätten sich tags zuvor mit ihren Bio-Projektarbeiten beschäftigt.
Probleme mit der Nachtruhe, sagen die beiden Lehrerinnen, gebe es übrigens nicht. Obwohl erst 22 Uhr Nachtruhe sei, halte nicht jeder so lange durch. (mz)