Adventskalender Adventskalender: Das Türchen zur Sakristei

Stolberg - Wer in Stolberg auf Schatzsuche gehen will, sollte die Martinikirche besuchen. Dort wartet schon Jörg Thoms, der Pfarrer, an der Tür.
Drei Steinstufen führen im Chor seitlich nach unten. Der Pfarrer zückt einen riesigen Schlüssel, gut und gerne 20 Zentimeter lang, dreht ihn im Schloss herum und öffnet die klobige Eichentür.
Sie könnte durchaus noch original erhalten sein, vermutet Thoms, aber ganz sicher ist er sich da nicht. Original erhalten ist aber auf alle Fälle das schwarz lackierte, kunstvoll gefertigte Türschloss, dessen eigenartige Konstruktion findige Handwerker vor mehr als 500 Jahren ausgetüftelt haben. Es funktioniert wie eh und je.
Durch die Eichentür geht es in die Sakristei. Der Raum wurde nach einem Umbau der Kirche im Jahr 1487 fertiggestellt und Karl dem Großen (747 - 814) geweiht; der war bereits im 12. Jahrhundert heiliggesprochen worden - daher hieß die kleine Kapelle St. Karoli.
Ursprünglich war sie sogar viel größer als heute, wurde aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts gewissermaßen halbiert. Der abgetrennte Bereich wurde benötigt, um die Treppe zur herrschaftlichen Gruft anzulegen.
Ein Ort der Stille
„Eigentlich dient die Sakristei zur Vorbereitung auf den Gottesdienst“, erklärt der Pfarrer. Denn hier werden üblicherweise Dinge aufbewahrt, die in der Liturgie wichtig sind, beispielsweise Kelche, Kerzen, Messwein, Kruzifixe oder Hostien.
Hier kann sich Thoms seinen Talar überziehen und in der verbleibenden Zeit kurz vor dem Gottesdienst noch einmal sammeln. „Die Sakristei ist ein Ort der Stille“, sagt Thoms, das sei ihm wichtig.
Wer einen Raum der Stille suche, einen Ort wie „seine“ Sakristei, ermutigt der Pfarrer, der finde ihn übrigens auch ganz woanders: „Ein solcher Ort kann eine Ecke zu Hause im Wohnzimmer sein. Oder unter der Bettdecke.“
Überall könne man still werden, zur Ruhe kommen und Gott nahe sein. „Er ist doch nur ein Gebet weit von mir entfernt. Die Kapelle der Stille ist einfach da, wo ich innehalte, wo ich für einen Moment Rast halte. Das kann Wunder wirken!“
Schutzpatron der Stolberger Kirche
Doch die Stolberger Sakristei ist weit mehr als ein solcher Ort der Stille. Nicht nur für den Pfarrer, sondern auch für interessierte Besucher. Eine echte Schatzkammer! Thoms deutet nach oben auf das Deckengewölbe. „Sehen Sie den Schlussstein?“, sagt er.
Natürlich, der Stein zeigt den Heiligen Martin, den Schutzpatron der Stolberger Kirche. Jener Martin, der als römischer Soldat seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte, der als Bischof von Tours in die Geschichte einging und bis heute in der katholischen, orthodoxen und evangelischen Kirche als Heiliger verehrt wird.
„Es wird erzählt“, plaudert der Pfarrer weiter, „dass ihm, nachdem er den Mantel geteilt hatte, Jesus im Traum erschienen ist und zu ihm gesprochen hat.“ Das, was Martin für den Bettler getan habe, habe er ebenso für ihn selbst, für Jesus, getan.
Doch Martin ist längst nicht der einzige Heilige, der in der Sakristei auf besondere Weise geehrt wird. Außerdem stehen hier zehn Nothelferfiguren auf einem Mauervorsprung vor der weiß getünchten Wand, beinah in Reih’ und Glied. Sicher gab es früher sogar mal 14 Nothelferfiguren, doch nicht alle haben die Zeiten überstanden. Aus Holz geschnitzt und schlicht bemalt, gehörten sie ursprünglich zu einem Altar, der 1468 für die sogenannte Herrenkapelle gestiftet wurde - vor genau 550 Jahren!
Ablass für die Sünden
In der Sakristei gibt es weitere wertvolle Stücke. Einen Ablassbrief, der im Jahr 1300 für die Stolberger Martinikirche in Rom ausgestellt wurde. Ein prächtiges Holzpult. In einer Vitrine liegt eine Bibel aus dem Jahr 1481, die Teil der Stolberger Kirchenbibliothek ist.
„Sie hat Ulrich Rispach gehört“, berichtet Pfarrer Thoms, Rispach war einer seiner Amtsvorgänger. Wie es in einem Heft über die Stolberger Martinikirche heißt, wurde Rispach um 1436 geboren.
Er lehrte an der theologischen Universität in Erfurt, bevor er 1465 die Pfarrstelle in Stolberg antrat. „Das war noch vor der Reformationszeit“, sagt Thoms. Rispach gehörte zu den Initiatoren des Kirchenneubaus im 15. Jahrhundert, nach seinem Tod im Jahr 1488 wurde er im alten Chor der Kirche begraben.
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Übrigens haben auch schon Einbrecher die Sakristei heimgesucht. Das war im April 1733. Wie es damals in der Stolberger Zeitung hieß, hätten sie Kelche, Leuchter und Teller geraubt, notierte Johann Gottfried Schnabel empört. Um hineinzugelangen, hätten sie die Gitterstäbe vorm Fenster zerbrochen. Durch die schwere Eichentür hätten sie es gewiss gar nicht erst versucht. (mz)


