Von Anhalt nach Ungarn Zwischen den Städten Ballenstedt und Ùjkigyòs liegen mehr als 1.000 Kilometer
Was sie nach ersten gemeinsamen Gesprächen künftig verbinden könnte.

Ballenstedt/MZ - Die Suche im Internet nach Ùjkigyòs ergibt eine recht überschaubare Zahl von Ergebnissen. Leicht zu entdecken ist die rund 5.500 Einwohner zählende Stadt im Südosten Ungarns auf diese Art nicht, und die sechs Ballenstedter, die sie vor Kurzem in offizieller Mission besucht haben, hätten diese Reise vermutlich nie angetreten, wenn es nicht Stefan Skob und seinen Neffen Victor Urban gegeben hätte.
Noch ein Haus in Ballenstedt
Die Familiengeschichte der beiden Männer ist nämlich mit Ballenstedt verbunden, denn Skop ist ein ehemaliger Ballenstedter, hat noch ein Haus in der Stadt, die er regelmäßig besucht, sagt Bürgermeister Michael Knoppik. Nun könnte sich möglicherweise ein kultureller Austausch zwischen Ballenstedt und Ùjkigyòs anbahnen - wenn es denn von den Einwohnern beider Städte gewollt ist.
Die Idee dazu habe Skops Neffe gehabt, der sich im vergangenen Jahr bei der Stadt gemeldet hat. Weil aber Städtepartnerschaften und ähnliche Vorhaben nicht ohne Weiteres einzurichten sind, hat der Ballenstedter Bürgermeister zunächst einmal um ein offizielles Schreiben aus der ungarischen Stadt gebeten. „Und das ist anderthalb, zwei Monate später tatsächlich passiert“, erzählt er, immer noch ein wenig erstaunt, aber auch freudig und neugierig.
„Wir haben die Stadtkasse damit nicht belastet“
Dem darauf folgenden monatelangen E-Mail-Austausch und einer Videokonferenz im Sommer folgte schließlich vor Kurzem der erste offizielle Besuch von Verwaltungsmitarbeitern und Privatleuten in Ùjkigyòs. Auf eigene Kosten, wie Knoppik betont. „Wir haben die Stadtkasse damit nicht belastet.“
Am Ende der mehrtägigen Reise steht nun eine erste Idee: ein Schüleraustausch. Erste Gespräche sollen mit dem Wolterstorff-Gymnasium geführt werden, sagt der Bürgermeister, dann wolle man „in Details einsteigen“. Ziel ist es, ungarischen Schülern in Ballenstedt zu ermöglichen, ihre Deutschkenntnisse zu erwerben oder zu vertiefen. „Wir versuchen, ein erstes gemeinsames Projekt daraus zu machen“, sagt Knoppik. Hintergrund ist der Kontakt, den die Ballenstedter bei ihrem Besuch in Ùjkigyòs zu einer Deutschklasse in einer Schule geknüpft haben.
Bessere Bedingungen
Auf dem Programm habe auch der Besuch einer Kindertagesstätte gestanden, der überraschende Erkenntnisse geliefert habe: „Der Betreuungsschlüssel ist dreimal besser“, schildert der Bürgermeister und meint das wörtlich. Während beispielsweise in der städtischen Kindertagesstätte „Spatzennest“ bei rund 100 Kindern zwölf Erzieherinnen beschäftigt seien, wären es in der vergleichbar großen Einrichtung in Ùjkigyòs 35 Erzieherinnen. Die dortige Kita verfüge auch über eine eigene Turnhalle, was ihn zu dem Schluss kommen lässt, dass Investitionen in die Kindertagesstätten dort besser funktionieren. Die Schwerpunkte würden anders gelegt als in Deutschland.
Probleme sind ähnlich
Zum Besuchsprogramm haben auch ein Treffen mit dem dortigen Stadtrat, Besichtigungen einer Möbelfabrik und eines Landwirtschaftsunternehmens gehört. „Die zwei Tage waren durchgetaktet“, beschreibt Knoppik das Programm, die Gastgeber hätten viel von ihrer Stadt und dem Umland zeigen wollen. Fachkräftemangel kenne man in Ùjkigyòs nicht in dem Ausmaß wie hierzulande, „aber es gibt ähnliche demografische Probleme“.
Sein Fazit: „Wir hatten permanent Gelegenheit, Gespräche zu führen und uns gegenseitig kennenzulernen.“ Der Bürgermeister zeigt sich auch beeindruckt von dem Interesse, das den Ballenstedtern in Ùjkigyòs entgegengebracht worden sei. Ein Gegenbesuch der Ungarn soll nun im April oder Mai kommenden Jahres erfolgen. Knoppik: „Ich hatte nicht das Gefühl, wir fahren dort hin und das war’s dann.“