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Impfen im Landkreis Harz Wie Ärzte auf mehrfache Anmeldungen reagieren

Doppelt hält besser, denken sich manche Menschen und buchen mehrere Impftermine. Das stört die in Abläufe.

Von Petra Korn, Susanne Thon und Benjamin Richter 20.05.2021, 08:00
Coronavirus-Impfungen in Arztpraxen sind eine mächtige logistische Herausforderung.
Coronavirus-Impfungen in Arztpraxen sind eine mächtige logistische Herausforderung. Foto: dpa

Quedlinburg/Harzgerode/Thale - Er ist etwas gefrustet. Daraus macht Dr. Ernst-Ulrich Trog keinen Hehl. „Die Leute denken, sie sind im Supermarkt“, wo sie beliebig wählen und Sachen auch wieder zurücklegen könnten, sagt der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der eine Praxis in der Oberstraße in Harzgerode betreibt.

Dort impft er seit April gegen Corona. „Wir schaffen in der Woche, wenn es gut geht, 50 Impfungen“, sagt Trog. Der Aufwand ist ihm zufolge ungleich höher als bei einer Krebsvorsorge oder anderen Impfungen, obwohl „die nicht unwichtiger oder schwerer zu handhaben sind“.

Der Informationsbedarf ist eben groß. Und erschwerend kommt hinzu: Der zur Verfügung stehende Impfstoff ist begrenzt; wie viel er bekommt, erfährt er immer erst kurz vorher. Danach müssen die Termine ausgerichtet werden.

Regelmäßig bleiben Angemeldete fern, weil sie auf mehreren Wartelisten stehen

Aber regelmäßig bleiben für die Impfung Angemeldete fern, weil sie mehrgleisig fahren, sich nicht nur auf eine Warteliste setzen lassen haben. Dann sagen sie kurzfristig ab oder kommen einfach überhaupt nicht. Und das, so Trog, bringe die Abläufe empfindlich durcheinander. Wenn jemand ausfällt, gilt es, einen Nachrücker zu finden.

„Die Liste ist lang“, aber es stünden auch immer mehr unbrauchbare Telefonnummern darauf, so der Arzt. „Der eine sagt, er hat schon. Der nächste kriegt die Impfung morgen. Und es ist ja nicht jeder in der Lage, gleich in die Praxis zu kommen.“

Der zeitliche Spielraum, den er hat, ist nicht groß: Ist der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer erst mal verdünnt, bleiben Trog sechs Stunden, ihn zu verimpfen; beim Astrazeneca-Präparat sind es immerhin 48, wenn die Ampulle einmal angestochen ist. Doch das Misstrauen gegenüber dem britisch-schwedischen Vektorimpfstoff ist nach wie vor groß.

Schuld sind die Sinus- und Hirnvenenthrombosen, die nach Astrazeneca-Impfungen aufgetreten sind. Nicht nur einmal am Tag passiere es, so Trog, dass Impfwillige, die sich anmelden wollten, ablehnten, wenn sie hörten, dass sie den Impfstoff von Astrazeneca bekommen sollten. Für den Arzt unbegreiflich. Auch wenn verschiedene Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kämen: Unterm Strich, „treten diese Thrombosen sehr selten auf. Die Wahrscheinlichkeit, im Verkehr umzukommen, ist höher“, sagt er, „aber die Wahrnehmung ist durch die Popularität der ganzen Geschichte eine andere.“

„Der eine sagt, er hat schon. Der nächste kriegt die Impfung morgen. Und es ist ja nicht jeder in der Lage, gleich in die Praxis zu kommen.“

Dr. Ernst-Ulrich Trog, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Dass Patienten ihre Impftermine absagen wollten, weil sie das Vakzin schon woanders bekommen hätten, passiere immer mal wieder, berichtet auf MZ-Anfrage auch eine Schwester der Hausarztpraxis von Andrea Unger im Theodor-Fontane-Ring in Thale.

Allerdings habe es bislang bei der Allgemeinmedizinerin keinerlei Schwierigkeiten mit vorsorglich vereinbarten und dann doch nicht wahrgenommenen Terminen für die Covid-19-Impfung gegeben. „Die Leute sagen uns rechtzeitig Bescheid“, erklärt die Schwester zufrieden, sodass letztlich kein Mehraufwand bei dem Unterfangen entstehe, die Dosen an die Impflinge zu bringen.

Dass Patienten zu vereinbarten Terminen einfach nicht erscheinen, das Problem kennt auch Dr. Christoph Gloser nicht. „Wir hätten gern mehr Impfstoff bekommen“, sagt der Hausarzt aus Quedlinburg. „Wir impfen seit dem 7. April und haben eine Warteliste angelegt“, erklärt er.

Rund 600 Patienten - „alle unser Patientenstamm“ - hätten darauf gestanden, eingeteilt in die Priorisierungsgruppen. Wenn manche Woche nur 12 oder 24 Dosen kämen, sei vorstellbar, wie lange es dauern würde, bis alle geimpft würden.

„Wir sagen den Patienten auch: Wenn sie einen Termin im Impfzentrum haben, sollen sie diesen wahrnehmen“, erklärt Christoph Gloser. In der Praxis werde immer gewartet, bis feststehe, wie viele der bestellten Dosen - aktuell von Biontech und Astrazeneca, ab der kommenden Woche auch von Johnson und Johnson - tatsächlich kämen.

Das sei in der Regel am Donnerstagnachmittag für die Lieferung in der nächsten Woche bekannt, und erst dann würden die Patienten angerufen. Die, die noch nicht geimpft seien, noch keinen Termin im Impfzentrum hätten und zum Impfen in die Praxis kämen, „sind glücklich und dankbar“.

Die Impfungen neben dem Praxisbetrieb zu koordinieren, sei ein Mehraufwand

Das bestätigt Dr. Renate Brecht: „Alle wollen ihre Impfung bekommen.“ In ihrer Praxis gebe es rund 300 Anmeldungen, sagt die Quedlinburger Allgemeinmedizinerin. Viele Patienten erklärten, sie möchten sich lieber beim Hausarzt impfen lassen. „Wir sagen, dass wir nicht so viel Impfstoff bekommen.“

Bislang sei in ihrer Praxis der von Biontech verimpft worden. Wenn dieser geliefert worden sei, komme er in die Kühlung, würden Termine vereinbart und für diese Zeit keine weiteren Patienten bestellt. Das alles zu koordinieren sei schon Aufwand. „Wir haben ja die normale volle Sprechstunde“, sagt die Allgemeinmedizinerin.

Die Patienten würden auch gebeten, Bescheid zu sagen, wenn sie schon eher einen Termin im Impfzentrum bekommen hätten. Das funktioniere auch. Und sollte tatsächlich einmal jemand kurzfristig seinen Termin in der Praxis nicht wahrnehmen können, gebe es eine Reserveliste mit Patienten, die schnell da sein könnten. Das sei aber bislang nur ein einziges Mal vorgekommen.

Im dezentralen Impfzentrum in der Ernst-Bremmel-Halle in Harzgerode war das schon mehr als nur einmal der Fall. „Kommt immer wieder vor“, dass Termine abgesagt würden, sagt Bürgermeister Marcus Weise (CDU), „das ist sehr ärgerlich und sorgt für Mehraufwand.“ Eben, weil Ersatz organisiert werden muss. „Bisher haben wir es immer gehandelt bekommen“, sagt er. Dennoch: „Wenn ich einen Termin habe, sollte ich den wahrnehmen.“

„Wir haben auch mit Fällen zu tun, in den Menschen nicht zum Impftermin erscheinen. Es handelt sich um Einzelfälle.“

Manuel Slawig, Sprecher des Landkreises Harz

Das macht auch in Quedlinburg nicht jeder; im August-Bebel-Ring befindet sich das zentrale Impfzentrum des Landkreises: „Wir haben auch mit Fällen zu tun, in den Menschen nicht zum Impftermin erscheinen und den nicht absagen“, sagt Landkreissprecher Manuel Slawig, „es handelt sich um Einzelfälle.“

Vereinzelt seien auch Zweitimpftermine nicht wahrgenommen worden, „weil die Zweitimpfungen schon vorher an anderer Stelle durchgeführt wurden“. Schaden ist bisher nicht entstanden: Nachrücker waren immer zur Stelle. „Wir haben noch keinen Impfstoff entsorgen müssen“, so Slawig.

Auch in Trogs Praxis ist noch keine Impfdosis umgekommen: „Wir haben es immer geschafft.“ Nichtsdestotrotz würde er sich wünschen, dass es ihm und seinem Team nicht noch schwerer gemacht werde, als es schon sei, sagt er. Dass die Leute „die Termine wahrnehmen, die von uns geplant werden“. Dass sie sich die Zweitimpfung im selben Impfzentrum oder derselben Praxis holten wie die Erstimpfung. Und dass sie wenigstens Bescheid gäben, wenn sie keinen Bedarf mehr hätten und von der Liste gestrichen werden könnten. (mz)