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Unterwegs im Grenzgebiet Was erlegte Wildschweine aus dem Harz mit dem Salzlandkreis zu tun haben

Ein Amtsschreiben bei Falkensteiner Jägern sorgt plötzlich für Unverständnis.

Von Rita Kunze 28.09.2021, 14:00
Wildschweine auf Futtersuche.
Wildschweine auf Futtersuche. Foto: dpa

Falkenstein/Harz/MZ - Zehn Kilometer Fahrt oder vierzig - das ist die Frage, vor die sich Marko Scheinpflug und andere Jäger in Falkenstein/Harz gestellt sehen.

Wenn er in seinem Jagdpachtgebiet ein Wildschwein erlegt und das Fleisch verkaufen will, muss er dafür zuvor eine Trichinenprobe beim Veterinäramt des Landkreises abgeben, so will es das Gesetz. Bislang wurden die Proben in der nahen Ascherslebener Kreisverwaltung untersucht, jetzt soll das in Halberstadt übernommen werden.

Ein entsprechendes Schreiben vom Salzlandkreis hat für Irritationen bei der Harzer Jägerschaft gesorgt, denn die hat seit 20 Jahren die Proben gegen eine Gebühr in Aschersleben abgegeben - und darf das jetzt nicht mehr. Ums Spritgeld geht es ihnen dabei nicht, sagt Scheinpflug. Es ist die Zeit: Alle seien berufstätig, die knappe halbe Stunde nach Aschersleben und zurück gut machbar gewesen. Wie nun aber die Fahrten nach Halberstadt organisiert werden sollen, wüsste derzeit niemand.

Nicht länger zuständig

„Wir können nachvollziehen, dass die von den Änderungen betroffenen Jäger Kritik üben. Denn die Wege waren tatsächlich kurz“, sagt dazu Marco Jeschor, Sprecher des Salzlandkreises. Allerdings halte sich die Kreisverwaltung in Aschersleben an rechtliche Vorgaben. Demnach regle die Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung eindeutig, dass ein Jäger die Trichinen-Untersuchung bei der zuständigen Behörde anmelden muss. Die Zuständigkeit ergibt sich entweder aus dem Ort, an dem das Wild erlegt worden ist, oder dem Wohnort des Jägers. Im Bereich Falkenstein/Harz ist das seit der Gemeindegebietsreform im Jahr 2007 der Landkreis Harz.

Allerdings schien das bislang keine Rolle zu spielen, konnten doch die Falkensteiner Jäger die Proben nicht nach Halberstadt, sondern nach Aschersleben zur Untersuchung bringen. „Tatsächlich haben wir bisher dennoch die Proben aus dem genannten Bereich im Harz entgegengenommen“, sagt Jeschor, „im Rahmen von speziellen Öffnungszeiten unserer Information im Kreishaus II in Aschersleben. Dafür stand eine Mitarbeiterin zur Verfügung. Mit Blick auf die Vorgaben aus der Tierischen Lebensmittel-Hygieneverordnung sowie aufgrund der geforderten sparsamen Haushaltsführung hat sich der Salzlandkreis entschieden, die bisher geübte Praxis zu beenden.“ Die von Jeschor genannten Zahlen machen deutlich, worum es dabei geht: „Im vergangenen Jahr stammten von insgesamt 368 Fremdproben 280 aus dem Landkreis Harz.“

Zentrale Abgabestellen wären hilfreich

Auch die Harzer Landkreisverwaltung untersucht solche „Fremdproben“ auf Trichinen. Das ist mit den Landkreisen Goslar und Bördekreis vertraglich geregelt, sagt Amtstierarzt Dr. Rainer Miethig auf Nachfrage der MZ. Proben aus Goslar bringe dreimal in der Woche ein Kurier, auch beim Bördekreis sei das zum Teil dreimal wöchentlich der Fall. Zentrale Abgabestellen, von denen aus die Proben zur Untersuchung gebracht werden, wären auch für die Falkensteiner Jäger hilfreich, sagt Scheinpflug. Es gibt eine solche Stelle in Thale, „aber das hilft uns wenig“, sagt er. Zeitlich sei das nicht zu schaffen.

Die Trichinenuntersuchungen werden im Landkreis Harz täglich durchgeführt, drei Mitarbeiter stehen dafür zur Verfügung, das Labor sei entsprechend akkreditiert, sagt der Amtstierarzt. Bei Trichinenuntersuchungen gelte eine Bringepflicht, betont er: Wer das erlegte Wild verkaufen will, muss Proben einreichen. Für die Jäger aus dem Falkensteiner Raum sei das nun nicht einfach, aber „wir können keinen Kurier auf den Weg schicken“. Zudem müssten auch Fahrt- und Personalkosten müssten umgelegt werden, überlegt Miethig.

Allerdings bekommen Jäger auch finanzielle Anreize vom Land: Seit zwei Jahren unterstützt Sachsen-Anhalt die Beprobung von Risikotieren - laut Landkreis unter anderem „Wildschweine, die vor dem Erlegen Krankheitsanzeichen oder beim Aufbrechen Veränderungen der inneren Organe aufweisen“ - mit 50 Euro Prämie je untersuchungsfähiger Probe. Erste Prämien seien schon ausgezahlt worden, sagt Miethig.

Die Tiere sind auf Wanderschaft

Einfach ist die Sache nicht: „Wildschweine wandern dorthin, wo der Fraß am besten ist“, so der Amtstierarzt. Nahrung bieten den Tieren die Maisfelder der Region. Wenn die abgeerntet sind, ziehen sich die Wildschweine dorthin zurück, wo sie sich Reserven für den Winter anfressen können. „Heute sind sie im Steinholz, morgen können sie bei Münchenhof sein“, erklärt Miethig: Feste Standorte gibt es nicht, sie wechseln je nach Nahrungsangebot.

Ein weiteres Problem droht mit der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Sachsen und Brandenburg seien von der Seuche bereits betroffen, sagt der Amtstierarzt. Wo die Seuche auftritt, müssen Schutzmaßnahmen getroffen und etwa Elektro- oder Drahtgeflechtzäune um die betroffenen Gebiete gezogen werden.

„Wir wollen verhindern, dass die Afrikanische Schweinepest herkommt, und wir wollen Wildschaden verhindern“

„Wir wollen verhindern, dass die Afrikanische Schweinepest herkommt, und wir wollen Wildschaden verhindern“, sagt dazu Marko Scheinpflug. „Wir sind der Landwirtschaft verpflichtet“, setzt er hinzu. Im Falle eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest könnte kein Landwirt mehr auf seine Flächen: „Da kommt ein Zaun drumrum. Der Landwirt darf die Flächen nicht düngen, er darf nicht ernten“, macht Scheinpflug - selbst Landwirt - das Ausmaß deutlich.

Er hofft nun ebenso wie die anderen Jäger aus Falkenstein, dass eine Lösung gefunden wird, mit der die Abgabe der Proben leichter zu organisieren ist. Ansonsten werde es schwierig - auch mit der Wildschweinjagd.