Pflanzenschutz ohne Chemie Raubmilben fressen schädliche Insekten: Gärtnerei Fehse in Hedersleben verzichtet auf Chemie

Hedersleben - Wie kleine Fähnchen sehen sie aus: blaue und gelbe Tafeln an Holzstielen, die in manchen Blumentöpfen in einem Treibhaus der Gärtnerei Fehse in Hedersleben stecken. Die Täfelchen sind mit Leim bestrichen, damit winzige Tierchen - Schädlinge der Pflanzen - daran kleben bleiben.
„Ich kann daran erkennen, welche Schädlinge es sind, wie viele, und wie ich gegen sie vorgehen muss“, erklärt Lars Fehse. In diesem Fall hat er den kalifornischen Blütenthrips identifiziert. „Er wird von der blauen Farbe angezogen, im Winter von der gelben.“
Raubmilben sind die natürlichen Feinde der schädlichen Thripse
Doch was - außer der chemischen Keule - hilft gegen die ein bis zwei Millimeter großen Thripse, die in den 1990er Jahren in Deutschland eingeschleppt wurden? Fehse setzt auf Raubmilben, die nur einen halben Millimeter groß sind. Sie sind natürliche Feinde der Schädlinge und ernähren sich von ihnen. Die Milbenlarven werden in Tütchen geliefert, aus denen sie nach und nach krabbeln. Oder in einem Kleiegemisch, das über die jungen Pflanzen gestreut wird.
Familie Fehse setzt seit sechs Jahren auf biologischen Pflanzenschutz, auf Nützlinge. „Früher haben wir jeden dritten Tag gegen die Thripse gespritzt“, berichtet der 41 Jahre alte Lars Fehse. Das habe Stunden gedauert und die Gärtner mussten dabei Schutzmasken tragen. „Es geht ja auch um uns und unsere Mitarbeiter“: Die Schädlingsbekämpfungsmittel klebten an Scheiben und Tischen, man kam immer mit ihnen in Kontakt.
Gartenbaubetrieb Fehse setzt seit sechs Jahren auf biologischen Pflanzenschutz mit Nützlingen
„Der Nabu begrüßt, dass immer mehr Betriebe auf natürliche Mechanismen bei der Schädlingsbekämpfung setzen“, sagt Annette Leipelt, Landesgeschäftsführerin der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in Sachsen-Anhalt. Es liege gerade im Trend, dass Unternehmer wie Gärtner und Gemüsebauern auf die biologische Bekämpfung umstellen.
Das bestätigt der Verbund der Ökohöfe in Wanzleben, der ökologische Betriebe im Land zertifiziert. Ein Grund sei, dass Sachsen-Anhalt den ökologischen Landbau fördere, teilt eine Sprecherin mit. Zahlen, wie viele Betriebe im Harzkreis ihre Schädlingsbekämpfung umgestellt haben, könne sie aber nicht nennen.
Zahlen würden, so Annette Leipelt, kaum das ganze Umdenken der Unternehmer widerspiegeln. Weil die Zertifizierung teuer sei, melden sich viele Betriebe gar nicht erst an, obwohl sie ökologisch produzieren.
Die Umstellung bedeutete für die Gärtner vor allem, viel über die Schädlinge und ihre natürlichen Feinde dazuzulernen
So wie die Gärtnerei Fehse in Hedersleben. Im ersten Jahr der Umstellung auf die vergleichsweise teuren Nützlinge habe die Gärtnerei „Lehrgeld“ bezahlen müssen, sagt Lars Fehse. Der Gärtner muss alles über seine winzigen Feinde und Freunde lernen.
Die Raubmilbe aus dem Mittelmeerraum fühlt sich bei rund 20 Grad Celsius und einer hohen Luftfeuchtigkeit wohl. Die Milben fressen nur die Thrips-Larven. Das Larven-Stadium ist eines von vier Entwicklungsstadien, die der Schädling durchlebt - je zwei im Boden und auf der Pflanze. Seien die Thripse eines Stadiums vernichtet, werde die Vermehrung unterbrochen, erläutert Fehse, der im ersten Jahr einen Berater engagiert hatte.
Früher wurden Weiße Fliegen mit Insektiziden bekämpft, heute mithilfe von Schlupfwespen
Im Großen und Ganzen gibt es Fehse zufolge drei Schädlinge, die es Gärtnereien mit Treibhäusern schwer machen: neben dem Thrips sind es Blattläuse und Weiße Fliegen. Letztere saugen zum Beispiel an den Blättern von Weihnachtssternen und hinterlassen Honigtau, auf dem Pilze wachsen können.
Mit Gift kann man diese Schädlinge nur bis zu einer gewissen Größe der Pflanzen bekämpfen, weil sie sich unter den Blättern verstecken, wo die versprühte Chemie nicht hinkommt. „Mit Weißen Fliegen hatten wir schon vor 15 Jahren Probleme“, erinnert sich Fehse. Jetzt werden Schlupfwespen als Nützlinge eingesetzt. Und die 10 bis 15 Millimeter großen Florfliegen helfen gegen Blattläuse und Thripse: Florfliegen-Larven saugen die Schädlinge aus.
Diese Art der Schädlingsbekämpfung sei teurer, aber gesünder. Und „die Pflanzen wirken vitaler“, sagt Lars Fehse. Damit nicht unnötig viele Nützlinge gekauft werden müssen, sei die Vorbeugung das A und O.
Es gibt eine ganze Reihe an biologischen Mitteln, zum Beispiel aus den Kernen des tropischen Neembaums. Das wirkt vorbeugend gegen die drei genannten Schädlinge und auch gegen Spinnmilben und Kartoffelkäfer. Und ein besonderer Pilz im Erdboden macht die Pflanzen widerstandsfähiger.
Wer Fragen zu dem Thema hat, kann an den Tagen der offenen Gärtnerei am 27. und am 28. April in Hedersleben, Mühlenstraße 10, vorbeischauen. (mz)

