Prozess in Quedlinburg Prozess in Quedlinburg: Prügelei unter Rentnern landet vor Gericht

Quedlinburg - „Sie können sich nicht aufs Fell gucken.“ So beschrieb der Verteidiger Alexander Wischwill das Verhältnis zwischen zwei 77 und 71 Jahre alten Rentnern aus Reinstedt, die seit vielen Jahren im Streit liegen. An einem Nachmittag im Juni vergangenen Jahres eskalierten die Auseinandersetzungen, weshalb sich die beiden nun vor dem Amtsgericht Quedlinburg trafen. Die Anklage warf dem 77-Jährigen vor, seinen 71 Jahre alten Nachbarn mehrmals mit einer Reitgerte geschlagen zu haben. Deshalb musste er sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten.
Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 77-Jährige selbst schwieg vor Gericht. „Ich erkläre das mal für meinen Mandanten“, sagte sein Anwalt. An jenem Nachmittag habe der 71-Jährige ohne Auffangkorb Rasen gemäht, weswegen das Gras auch auf dem angrenzenden Grundstück des 77-Jährigen landete. „Der Angeklagte war sehr erbost und erzürnt.“
Da er Angst vor seinem Nachbarn gehabt habe, habe er eine Reitgerte mitgenommen, als er zu dem 71-Jährigen gegangen sei. Dieser sei mit dem Rasenmähertraktor auf den Angeklagten zugefahren und habe erst gestoppt, „als sich der Schuh des Angeklagten bereits im Mähwerk befand“, so Wischwill. Der 77-Jährige sei so erstaunt gewesen, dass er dem Nachbarn zwei Hiebe verpasst habe.
Der 71-jährige Nachbar, der auch als Nebenkläger auftrat, schilderte den Vorfall jedoch anders. Ein Bekannter habe an jenem Tag die Wiese gemäht, um Futter für seine Tiere zu haben. Die Mahd sei allerdings unsauber gewesen, weshalb er noch einmal nachmähen wollte, erklärte der 71-Jährige. Dabei habe er seinen Nachbarn am Zaun gesehen, der ihn angebrüllt habe: „Du Verbrecher! Du Betrüger! Du Stasischwein!“ Er habe weitergemäht und sei dabei an einem auf seinem Grundstück stehenden Bauwagen vorbeigekommen.
„Du Verbrecher! Du Betrüger! Du Stasischwein!“
Plötzlich sei sein Nachbar hinter diesem hervorgetreten. „Ich habe die Kupplung getreten, doch der Traktor ist noch ein Stück weitergerollt, und er ist auf die Motorhaube gefallen.“ Dann sei der 77-Jährige an ihm vorbeigegangen und habe angefangen, ihn mit der Reitpeitsche auf den Rücken zu schlagen. Wie der 71-jährige weiter schilderte, sei es ihm nach mehreren Hieben gelungen, die Reitgerte zu fassen und den 77-jährigen so zu sich heranzuziehen.
Dieser habe ihm dann zwei Hiebe auf den Unterarm versetzt; womit, das konnte der 71-Jährige jedoch nicht sagen. Er erlitt fünf Hämatome auf dem Rücken und eins auf dem Arm. Er habe, so schilderte der Mann weiter, bis heute Schmerzen.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatten sich die Anklagevorwürfe bestätigt. Der Verteidiger sah das anders; er sprach von einer „Notwehrhandlung“.
Richter kann keine Notwehr erkennen
Das Gericht konnte eine solche aber nicht erkennen. Es verurteilte den 77-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem muss er seinem Nachbarn 2 000 Euro Schmerzensgeld zahlen. „Man kann sich vielleicht ärgern, wenn Gras auf das eigene Grundstück fliegt, aber das ist noch lange kein Grund, dermaßen brutal darauf zu reagieren“, erklärte Richterin Antje Schlüter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (mz)