MZ-Adventskalender MZ-Adventskalender: Was will Amerikaner mit Hof in Hedersleben?

Hedersleben - Fast unscheinbar steht in der Breiten Straße inmitten von Hedersleben eine alte, hohe Bruchsteinmauer mit einem großen Tor unter dem Bogen. Daneben befindet sich die grün-schwarz gestreifte Tür, die für das Adventsrätsel gesucht wurde.
Darüber kann ein Wappen an der Mauer über der sanierten Pforte entdeckt werden, das auf die Herkunft und die frühere Besitzerin verweist - Elisabeth Paula von Ringen, Äbtissin der Propstei in Adersleben. Zugleich ist mit 1739 auch das Jahr der Entstehung des Hofes in den Sandstein eingemeißelt.
Bei den Einheimischen ist das, was von der Straße aus zu sehen ist, heutzutage nur als Obermannhof bekannt. „Das waren die letzten Besitzer“, wissen es Chronisten zu begründen.
Noch genauer weiß es Dorothea Fabian, die Tochter der letzten Besitzer. „Meine Mutter ist 2006 gestorben, mein Vater war es schon eher“, berichtet sie. Noch bis 2008 habe sie mit ihrer Familie dann auf dem Vierseiten-Hof gewohnt, bevor sie ins benachbarte Hausneindorf zog.
Danach stand das Grundstück zum Verkauf. „Weil sich keine Interessenten fanden, wurde es schließlich im Internet angeboten“, weiß Bürgermeisterin Kornelia Bodenstein noch. Inzwischen gehört der gesamte Hof einem in Amerika lebenden englischen Musiker, den es zumindest einmal im Jahr auf sein Grundstück zieht.
Interessanter ist die Historie des Bauernhofs selbst und seiner Verbindung zu Adersleben. Das Zisterzienser-Nonnenkloster im Nachbarort Adersleben wurde schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts unter Bischof Volrad von Halberstadt gegründet und dem Heiligen Nikolaus geweiht, berichtet die Chronik. Anfangs wurde es auch mit Nonnen aus dem Sankt-Burchardi-Kloster Halberstadt besetzt und diente vor allem zur Versorgung würdiger, aber gebrechlicher Jungfrauen.
Sowohl im Bauern- als auch im Dreißigjährigen Krieg wurde die Klosteranlage Opfer von Angriffen. Wurde sie 1525 vor allem ausgeplündert, zerstörten sie etwa hundert Jahre später marodierende Truppen fast vollständig.
Trotzdem blieb der Klosterbetrieb weiterhin aufrechterhalten. Zum Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts wurde das Kloster wieder aufgebaut und erlebte eine neue Blüte. In diesen Zeitraum fiel auch der Ausbau von Versorgungshöfen für das Kloster. Zu ihnen gehörte auch der Hof in Hedersleben.
Später erlebte das Kloster eine Zeit des Niedergangs, die mit dem Einmarsch der Franzosen zu Beginn des 19. Jahrhunderts endete. Die Klöster wurden aufgelöst, die Versorgungshöfe verstaatlicht oder privatisiert.
Auch die Besitzer des „Obermannhofs“ wechselten häufiger, die Nutzung als Bauernhof aber bleibt bis heute erhalten. Ein Einheimischer darf auf dem weitläufigen, bis an das Ufer der Selke reichenden Gelände seine Tiere weiden und die - allerdings heruntergekommenen - Stallungen zur Futteraufbewahrung nutzen. Einen längeren Zeitraum und vor dem Zweiten Weltkrieg habe eine Familie Ziemer aus Wegeleben auf dem Hof gelebt, kann sich ein älterer Einwohner erinnern. Der Vater habe als Schneidermeister auch Uniformen für die Armee genäht. Während und nach dem Krieg habe die Familie Rindert den Hof bewirtschaftet.
Ansonsten ist von der Geschichte des Hofes wenig bekannt. Ein ehemaliger Landarbeiter weiß nur noch, dass „in der Scheune im vorderen Teil direkt an der Straße das Korn gedroschen wurde, aber irgendwann das Dach einstürzte“. Der einstige Kornspeicher sei nach dem Krieg zu Wohnungen umgebaut worden.
Schaut man in den Hof, bietet sich eher ein trostloser Anblick. Ein Teil der Stallgebäude wurden bereits abgerissen, oder sie verfallen zusehends. Halbwegs erhalten blieben lediglich das zweistöckige Verwalterwohnhaus im Fachwerkstil. Auch die anhängende Fachwerkscheune in Ständerbauweise, einst Kornspeicher, steht noch.
Ältere Mauern eines Bruchsteinbaus an der Straße, in der früher die Küche war, sind mit der Toreinfahrt verbunden. Die historische Bausubstanz wurde aber beim Einrichten einer Wäschemangel in Mitleidenschaft gezogen.
Auch das Fachwerkhaus auf einem Bruchsteinsockel in der Mitte des Hofes steht noch - das „Schatzhaus“. Darin wurden Geld und Saatgut für einen Neustart aufbewahrt, falls der Hof abbrennen sollte. Es war bei früheren Höfen üblich, wobei auch Taubentürme diese Aufgabe übernahmen - samt Wachhund im Unterbau. (mz)

