1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Harz
  6. >
  7. Lehrer in Rente bot vergeblich Hilfe für Grundschule in Hedersleben an

„Ich wurde behandelt wie ein Bittsteller“ Lehrer in Rente bot vergeblich Hilfe für Grundschule in Hedersleben an

Ehemaliger Lehrer wollte ein paar Stunden Unterricht in der Woche anbieten, weil Pädagogen fehlen. Nach Telefonaten ist er frustriert.

Von Uta Müller 19.08.2021, 14:00
Eltern wie Schüler und Lehrer hoffen, dass die Stühle an der Grundschule in Hedersleben zu Schuljahresbeginn runtergenommen werden können.
Eltern wie Schüler und Lehrer hoffen, dass die Stühle an der Grundschule in Hedersleben zu Schuljahresbeginn runtergenommen werden können. Foto: Symbolbild/Imago

Hedersleben/MZ - In zwei Wochen beginnt das neue Schuljahr. Ob die Klasse ihres Sohnes dann wieder einen Lehrer oder eine Lehrerin hat, weiß Ulrike Noah vom Schulelternrat der Grundschule in Hedersleben noch nicht. Auch Lehrern der Schule liegen noch keine neuen Informationen vor, wie dem akuten Lehrermangel an der Grundschule entgegengewirkt werden soll.

„Wir haben dem Bildungsministerium bis Ende des Monats Zeit zum Reagieren gegeben“, sagt die Schulelternratsvorsitzende Ulrike Noah. Bisher sei noch keine Lösung seitens des Landesschulamts vorgetragen worden, könnte eine solche also eine ziemlich knappe Angelegenheit werden.

Umso ärgerlicher, dass potenzielle Bewerber vor bürokratische Hürden gestellt werden. Denn nach Informationen der MZ gibt es einen potenziellen Bewerber für die vakante Schulleiterstelle. Und ein ehemaliger Lehrer wollte gern ein paar Stunden Unterricht in der Woche anbieten.

Der Rentner, dessen Name der Redaktion bekannt ist, hatte bereits mit dem Schulamt in Halle zu tun und hat nun resigniert. „Ich habe meine Hilfe angeboten und wurde behandelt wie ein Bittsteller“, so der ehemalige Lehrer, der 38 Jahre lang im Schuldienst tätig war.

„Ich habe meine Hilfe angeboten und wurde behandelt wie ein Bittsteller.“

Ein ehemaliger Lehrer, der 38 Jahre lang im Schuldienst tätigt war, zur MZ

„Ich wollte es nur wegen der Kinder machen, das war mein alleiniger Beweggrund.“ Einige seiner ehemaligen Schüler, die mittlerweile selbst Kinder an der Grundschule haben, hätten ihn auf das Problem aufmerksam gemacht, und er habe helfen wollen. Nach vielen Telefonaten und Bewerbungsschreiben ist er aber einfach nur noch frustriert.

Auch die Landtagsabgeordnete der Linken, Monika Hohmann, ist fassungslos. „Das Tal ist noch nicht erreicht“, teilt sie mit. Auch der Seiteneinstieg habe deshalb eine „sehr hohe Bedeutung“. Es könne nicht sein, dass sich potenzielle Bewerber wie Bittsteller vorkämen - noch dazu in solch einer Situation.

Warum seien Ausschreibungen nötig, die genau auf die Bewerber zugeschnitten sein müssten - warum gehe das nicht einfacher, fragt sie. Für interessierte Umsteiger wie für die Schüler und die Schulen, die weiterhin mit ihrem knappen Personal haushalten müssen.

„Die Bewältigung des Lehrermangels ist eine der größten Aufgaben der nächsten Jahre“, sagt die Politikerin. Sie setze sich für eine vereinfachte Bewerbung ein, die den Schulen selbst die Möglichkeit gebe, kurzfristig zu agieren.

Die Ausschreibungspraxis sei immer noch dieselbe wie vor zehn Jahren, als es noch viele Lehramtsanwärter gab, so Hohmann. „Solange Sachsen-Anhalt so mit seinen Lehramtsstudenten umgeht, können wir nicht sagen, dass es keine Lehrer gibt“, so die Landtagsabgeordnete. Kollegen wie der Bewerber in Hedersleben sollten mit Kusshand genommen werden.

Das sieht Eva Gerth, Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), ähnlich. Das Bewerbungssystem in Sachsen-Anhalt werde immer wieder kritisiert, aber nichts geändert, sagt sie. Kurzfristige und befristete Vertretungen müssten vereinfacht werden.

„Die Schulleitung muss die Möglichkeit haben, kurzfristig Honorarverträge aufzusetzen“, so Gerth. Das Landesschulamt müsse dafür die Voraussetzungen schaffen und solche Verträge für die Schulen vorbereiten. Es gehe um kurzfristige Hilfen für die Schulen, so die GEW-Vorsitzende. Die Potenziale im sogenannten Quer- und Seiteneinstieg würden nicht voll ausgeschöpft und interessierte Kandidaten so in andere Bundesländer getrieben.

„Die Schulleitung muss die Möglichkeit haben, kurzfristig Honorarverträge aufzusetzen.“

Eva Gerth, Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW)

Auf Nachfrage beim Landesschulamt in Halle hieß es, man könne man die Einschätzung, es würde Lehramtsanwärtern schwierig gemacht, nicht nachvollziehen. So würden alle angehenden Lehrer vor dem Ende ihres Referendariats aktiv angesprochen, ob sie zukünftig im Schuldienst des Landes arbeiten möchten und wo sie sich eine Tätigkeit vorstellen können, teilt Sprecher Tobias Kühne mit.

Die Rückmeldungen würden mit den Bedarfen in den Schulen abgeglichen und - wo immer möglich gezielt - und rechtzeitig Stellenausschreibungen veröffentlicht. „Erklärtes Ziel des Landes ist es, dass möglichst alle in Sachsen-Anhalt ausgebildeten Lehrkräfte auch hier tätig werden“, so Kühne.

Den Mädchen und Jungen in Hedersleben hoffen, dass sie zu Beginn des neuen Schuljahres in zwei Wochen einen Klassenlehrer bekommen, der nach dem schwierigen vergangenen Jahr für einen entspannten Schulstart sorgt.