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Kommune des Jahres  Kommune des Jahres : Wie Harzgerode um neue Bewohner und Arbeitskräfte kämpft

Von Rita Kunze 12.11.2018, 11:00
Das Rathaus in Harzgerode
Das Rathaus in Harzgerode Marco Junghans

Harzgerode - Händelstadt Halle, Bauhausstadt Dessau oder doch Ottostadt Magdeburg? Nein, die „Kommune des Jahres 2018“ in Sachsen-Anhalt heißt: Harzgerode. Die Kleinstadt im Harz mit ihren 8000 Einwohnern erhält am 22. November in Potsdam den Unternehmerpreis des Ostdeutschen Sparkassenverbandes. Gewürdigt wird damit der Ideenreichtum, mit dem die Kommune die heimische Wirtschaft fördert und vor allem neue Wege gegen Abwanderung, Überalterung und Wohnungsleerstand beschreitet.

Die Jury habe beeindruckt, „wie wirtschaftlich stark so ein kleiner Ort sein kann“, sagt Bürgermeister Marcus Weise (CDU) und verweist gerne auf die jüngsten Erfolge. So gelang es der Stadt 2017, innerhalb von neun Monaten eine 50-Millionen-Euro-Investition zum Abschluss zu bringen: Die Trimet Aluminium SE und ihr strategischer Partner Schlote haben ihren Standort in Harzgerode ausgebaut und wollen damit 100 neue Jobs schaffen.

„Die Zeiten, wo wir demütig unser Licht unter den Scheffel stellen, sind vorbei“, sagt Weise mit einer Mischung aus Stolz und Selbstbewusstsein. Und das nicht ohne Grund, denn schon heute steht die Stadt gut da. Mit rund 1700 Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe darf sich Harzgerode zu den landesbedeutsamen Standorten zählen.

Harzgerode schmiedet „Demografie-Allianz“ für neues Wachstum

Doch Weise schaut nach vorne, will, dass Stadt und Wirtschaft weiter aufblühen. Daher hat sich eine Vielzahl von Akteuren zu einer „Demografie-Allianz“ zusammengeschlossen, die nicht nur erste Früchte trägt, sondern landesweite Beachtung und Anerkennung findet. Vertretbare Mieten, schöne Landschaft und günstiges Bauland sind neben der brummenden Wirtschaft die Faktoren, mit denen die Akteure neue Bewohner anlocken wollen.

„Das größte Problem ist, qualifizierte Leute zu finden“, sagt Mathias Meinen, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Es gehe nicht nur darum, sichere Jobs zu bieten, auch das Umfeld müsse stimmen. Unter dem Motto „Harzgerode macht Zukunft“ verbindet seit März das Internetportal „Zukunft-Harzgerode.de“ dabei die Themen Leben, Wohnen und Arbeiten. Seit Juli ist zudem eine Online-Wohnraumvermittlung nutzbar. Seitdem seien vier Wohnungen an Zuzügler vermittelt worden, darunter seien drei Rückkehrer und drei Familien gewesen.

Landesentwicklungsministerium unterstützt Harzgerode mit 80.000 Euro

Das Landesentwicklungsministerium lobt das Harzgeröder Projekt nicht nur, sondern unterstützt es mit 80.000 Euro. Eine bewusste Entscheidung, heißt es aus dem Haus von Thomas Webel (CDU). Harzgerode habe zwar wie viele Städte mit Abwanderung und Überalterung zu kämpfen, präsentiere aber mit kreativen Ideen all seine Vorzüge: starke Unternehmen, zukunftsfähige Jobs, Wohnungen und Immobilien, Freizeitangebote.

„Erfahrungen haben gezeigt, dass sich Menschen, die sich für eine Region interessieren, oft mühsam durch das Internet wühlen müssen. Hier bietet Harzgerode eine große Hilfe an“, heißt es aus dem Ministerium. Andere Städte könnten da von Harzgerode lernen.

Lob kommt aber auch vom Städte- und Gemeindebund. Harzgerode, so Geschäftsführer Jürgen Leindecker, sei eine kleine Stadt, die durch ihre Lage mitten im Harz - und damit mit langen Anfahrtswegen - „geografisch benachteiligt“ sei, die aber gute Ideen entwickelt habe.

Viele neue Arbeitsplätze - Harzgerode hofft auf Zuzügler

Den Anstoß für die „Demografie-Allianz“ gaben Investitionen der Automobilzulieferindustrie im Industriepark Harzgerode; dort sollen bis Jahresende rund 70 Arbeitsplätze geschaffen und mit Fachkräften besetzt werden. Das will die Stadt nutzen, um neue Einwohner zu gewinnen.

Das „Landing-Portal“, wie Bürgermeister Marcus Weise es nennt, informiert nicht nur über freie Stellen am Arbeitsmarkt und Wohnungsangebote. Es bietet auch einen Überblick über Schulen, Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Freizeiteinrichtungen. „Hier kann sich jeder ein Bild machen, worauf er sich einlässt“, erklärt Wirtschaftsförderer Meinen. Und die Resonanz ist groß: Seit März sind mehr als 1800 Nutzer gezählt worden. Und die Zahlen steigen. Allein in den vergangenen drei Wochen gab es 450 Zugriffe.

Doch auch in der Wirtschaft ist die Resonanz positiv. So sucht die Schlote Gruppe in ihrer neuen Fertigungshalle für Aluminium-Kupplungsgehäuse „von null auf hundert“ 100 neue Mitarbeiter, sagt eine Sprecherin. Das Unternehmen setzt dabei ebenfalls auf die „Demografie-Allianz“. Benötigt werden vor allem Mechatroniker und Mechaniker, „gerne auch Quereinsteiger“. Aber die sollten dann auch bleiben, daher müsse gleichermaßen das Umfeld stimmen: „Wichtig ist zu zeigen: Es gibt eine Perspektive für den Einzelnen.“

Ähnlich ist es beim Unternehmen Pyrotechnik Silberhütte, das mit unbefristeten Arbeitsverträgen und Ausbildungsplätzen für sich wirbt. Für die Niederlassung der Rheinmetall Waffe Munition GmbH mit 200 Mitarbeitern sei es schwierig, Fachpersonal zu finden, sagt eine Sprecherin. „Wir hoffen, mit dem Projekt als Arbeitgeber attraktiver zu werden.“

„Demografie-Allianz“ in Harzgerode - auch Vereine der Stadt sollen mitmachen

Bürgermeister Weise blickt derweil schon vor der Auszeichnung des Sparkassenverbandes nach vorne. In einem nächsten Schritt möchte er auch die 60 Vereine mit ins Boot holen. Am Dienstag soll es ein Treffen geben. Nutzer sollen auf dem Portal künftig schnell erfahren, wann und wo man etwa Fußball oder Volleyball spielen kann und welche Angebote - für Kinder bis zu Senioren - es gibt. „Mit den Unternehmen haben wir das vorgemacht, da haben wir schon alle Stellenangebote“, erklärt Weise. „Nun sind die Vereine dran.“ (mz)

Das Portal im Internet: www.zukunft-harzgerode.de

Mit Ideen und Selbstbewusstsein will Bürgermeister Weise seine Stadt nach vorne bringen.
Mit Ideen und Selbstbewusstsein will Bürgermeister Weise seine Stadt nach vorne bringen.
Marco Junghans