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Eisenkunstguss Heimatverein Harzgerode ersteigert Bronzeskulptur des Bildhauers Wilhelm Otto: Irene Eden als Zerbinetta in Ausstellung im Schloss

Von Susanne Thon 06.09.2020, 12:56
Den Bronzeguss hat der Kultur- und Heimatverein - hier im Bild der Vorsitzende Harald Koch - ersteigert.
Den Bronzeguss hat der Kultur- und Heimatverein - hier im Bild der Vorsitzende Harald Koch - ersteigert. S. Thon

Harzgerode - „Das ist kein leichtes Mädchen“, sagt Harald Koch, der Vorsitzende des Kultur- und Heimatbundes Harzgerode, und lacht, während er den 33 Zentimeter hohen Bronzeguss auf die Vitrine wuchtet. Stellprobe sozusagen.

Ab Mitte des Monats werden die Skulptur des Bildhauers Wilhelm Otto, drei Arbeiten seines jüngeren Bruders Carl und ein Reliefbild, das den früheren Hüttenmeister in Mägdesprung, Wilhelm Lüders, zeigt, die Ausstellung im Kaminzimmer des Schlosses bereichern. Damit wächst die Zahl der Exponate aus dem Hause Otto auf 74.

2010 war die Schau mit den Arbeiten der Bildhauerbrüder im Turm des Schlosses eröffnet worden. 2017 zog die Dauerausstellung in das Kaminzimmer um, zum einen, weil sich die Sammlung vergrößert hatte, zum anderen, weil das Klima im Turmzimmer – es ist nicht beheizbar – den Gipsmodellen nicht bekam.

Seit 2017 befindet sich die Skulpturen im Kaminzimmer von Schloss Harzgerode

Wilhelm und Carl Otto wurden in Harzgerode geboren. Wilhelm (1871 bis 1943) ließ sich in der Eisenhütte Mägdesprung zum Modelleur ausbilden. Carl (1875 bis 1916) lernte in der Metallgießerei in Harzgerode, er wurde Ziseleur. Beide gingen nach Berlin und arbeiteten haupt- bzw. nebenberuflich als Lehrer an der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule.

„Iren(e) Eden als Zerbinetta“ - so heißt der Bronzeguss, den der Kultur- und Heimatbund kürzlich erworben hat. Dass er zum Verkauf steht, darauf habe ihn Andreas Friebe aufmerksam gemacht, erzählt Koch.

Friebe, Mitglied im Eisenhüttenverein Mägdesprung „Carl Bischof“ und Kunstgusssammler, durchstöbert regelmäßig das Netz und entdeckte die Skulptur, eine Arbeit Wilhelm Ottos, im Angebot von Neumanns Auktionen, einem Auktionshaus in Celle.

„Ohne ihn wären wir nicht darauf gestoßen“, räumt Koch ein. Und Friebe war es auch, der sie für den Verein ersteigerte. Denn der war ganz heiß auf den Guss, der zwar nicht datiert, im Sockel aber signiert ist: „W. Otto - Berlin“ steht da.

Andreas Friebe entdeckte die Skulptur im Angebot eines Auktionshauses

Die bräunlich patinierte Bronze zeigt das Abbild einer Frau, Irene Eden, eigentlich Edehofer. Sie war eine enge Freundin der Familie des Bildhauers, lebte mit ihr im selben Haus. „Eine begabte, junge Frau, Sängerin“, erklärt Koch.

Otto reiste mehrfach von Berlin - seiner späteren Wirkungsstätte - nach Zürich, um ihre Vorstellungen zu besuchen. Dort spielte sie von 1911 bis 1914 am Stadttheater unter anderem die „Zerbinetta“ in „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss.

Laut Koch war Friebe nicht der einzige Bieter, bekam am Ende aber den Zuschlag; und der Kaufpreis lag sogar noch unter der „Schmerzgrenze“. Dennoch haben die knapp 1.000 Euro ein Loch in die Vereinskasse gerissen. 

„Wir sind damit finanziell fast am Limit“, sagt Koch, für weitere Investitionen müssten künftig erst mal große Anstrengungen unternommen werden. Aber auf den Ankauf verzichten, das war keine Option. „So etwas gibt es nicht noch mal“, überhaupt sei es außergewöhnlich, dass der Bronzeguss aufgetaucht sei.

Familie von Harald Mau stiftete zwei so genannte Treibarbeiten

Zwei Treibarbeiten - bei dieser Technik wird das kalte Metall mit dem Hammer bearbeitet - und eine kleine Büste, angefertigt von Carl Otto, hat die Familie von Harald Mau dem Kultur- und Heimatbund überlassen. Sie kam während ihres Urlaubs in Harzgerode vorbei, brachte einen Teller mit, den eine Putte ziert, eine ovale Schale mit eingesetztem Stein und die Plastik.

„Handwerklich sehr anspruchsvolle Arbeiten“, so Koch, der hocherfreut darüber ist, dass dem Verein wiederholt Ausstellungsstücke überlassen wurden. Es sei nicht die erste Schenkung der Berliner, sagt er. Sie argumentierten: „Das ist aus Harzgerode, und das gehört nach Harzgerode.“ Darüber könne man nur sehr, sehr dankbar sein, sagt der Vereinsvorsitzende.

Was die Maus mit Carl Otto zu tun haben? Seine Tochter wuchs bei der Familie aus der Nachbarschaft auf. Carl Otto und seine Frau starben jung. Ihr Kind war sechs Jahre alt, als es Waise wurde. Die Familie Mau nahm sich des Mädchens an; es wuchs zusammen mit ihren Söhnen auf.

Das Relief, das demnächst seinen Platz im Kaminzimmer finden wird, hat auch seinen Weg von Berlin nach Harzgerode gefunden. Der Eigentümer war im Internet auf den Kultur- und Heimatbund gestoßen, fragte an, ob Interesse besteht.

„Das hatte ich natürlich sofort“, sagt Koch. Denn das Bild zeigt Wilhelm Lüders (1832 bis 1904), der, nachdem er Mägdesprung verlassen hatte, in Wernigerode eine Eisengießerei gründete. Auch Carl Otto arbeitete Koch zufolge eine Zeit lang für Lüders und war sehr zufrieden dort, sammelte wertvolle Erfahrungen: Viel mitgenommen habe er damals, sagt Koch. (mz)