Harz Harz: Sprungbrett in das Dorfleben
WEDDERSLEBEN/MZ. - Prüfend schaut Margot Glistau auf den blauen Gymnastikball. Die Luft reicht - es kann losgehen - die Damen im Kreis setzen sich in Bewegung und marschieren dribbelnd mit den Bällen durch die kleine Turnhalle Wedderslebens. Jeden Mittwoch um 19.30 Uhr trifft sich die Gymnastik-Gruppe des SV Rotation Weddersleben hier, um eine Stunde etwas Gutes für ihren Körper zu tun. Gymnastik mit Bällen, Bändern und kleinen Matten. Die Übungen, zu denen Margot Glistau aufruft, sind vielfältig. Inzwischen schon seit 20 Jahren gibt es die Frauen-Gymnastik-Gruppe.
Im Frühjahr 1991 hatte es in dem über 1 000 Einwohner zählenden Dorf einen Aufruf zum Gymnastik-Abend gegeben. Über 50 Frauen kamen damals in die alte Turnhalle. "Viele im Dorf sagten damals, das hält nicht lange, das haben wir immer schon mal probiert, das wird sich verlaufen", erinnert sich Margot Glistau und schmunzelt: Diesmal hatten die Pessimisten Unrecht. Frauen, die damals 40 waren, sind inzwischen 60. Die, die 60 waren, sind 80 wie Hanna Krolop. "Ich war immer sportlich", bekennt die Senioren, die den Mittwochabend von Anfang an für ihre Gruppe, die sie inzwischen als Familie ansieht, reserviert hat.
Beate Ries ist mit Anfang 40 eine der Jüngsten, doch auch sie ist schon seit 1996 dabei. "Gymnastik lockert einfach Verspannungen im Rücken", schildert sie und lobt vor allem die Gemeinschaft unter den Frauen der Gruppe. "Man fühlt sich hier wunderbar aufgehoben", bestätigt auch Monika Wenkel.
Durch das gemeinsame Turnen haben sich die Frauen persönlich gut kennen gelernt. Wenn eine der Damen etwas bedrückt, findet sie jemanden zum Reden, wenn eine krank wird, sind Besuche der anderen an der Tagesordnung und wenn jemand Hilfe braucht, wird selbstverständlich mit angepackt, schildert Monika Wenkel, die erst seit drei Jahren auf Anregung einer Nachbarin zum Gymnastik-Abend kam. "Es sind so viele Dinge, die uns miteinander verbinden. Das finde ich ganz wichtig." Sie selbst hat als Betriebsleiterin eines Quedlinburger Autohauses gleich einen ganzen Satz neuer T-Shirts gesponsert.
Für manche Neu-Weddersleber ist die Gymnastik-Gruppe eine wichtige Plattform, um in das dörfliche Leben integriert zu werden. Heike Stegmann ist vor sieben Jahren in das Dorf gezogen. Sie suchte und fand hier in der Gruppe sofort Anschluss. "Wenn man nur mit dem Auto rein- und rausfährt, findet man den nicht so schnell", bekennt die Lehrerin. Heike Stegmann lobt vor allem die "tolle Altersmischung" von 40 bis 80.
24 Frauen gehören der Gruppe an und für Matthias Franke, den Vorsitzenden des 79 Mitglieder zählenden SV Rotation, ist sie ein wichtiges Aushängeschild. Die Gymnastik-Damen trugen mit zum großen Erfolg Wedderslebens beim Bundeswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" bei, sagt Franke. Und sie vertraten den Ort 2009 beim Sachsen-Anhalt-Tag in Thale.
"Mir als Vereinschef macht es Spaß, mit solchen Sportlerinnen zusammen zu arbeiten. Wenn wir alle solch treue Seelen hätten, würde ich das noch 20 Jahre durchhalten", schwärmt der Vereinschef. Ortsbürgermeister Dirk-Michael Meisel zeigt sich begeistert von den gemeinsamen Feiern mit den lustigen Damen, weiß aber auch, dass sie sich "nicht nur einen bunten Tag machen, sondern richtig Sport treiben".
Meisel betont, dass "die ältesten Herrschaften" hier die vitalsten und zuverlässigsten sind. Vor allem wünscht er sich von den Gymnastik-Damen, dass die 20-jährige Tradition mit durchaus anspruchsvollen Übungen nie einschläft. Und Hanna Krolop hofft, dass sie in fünf Jahren durch den Sportabend auch mit 85 noch fit ist und das 25-jährige Jubiläum mitfeiern kann. Dann stößt sie erst einmal auf die 20 an - mit Sekt versteht sich - ein Gläschen in Ehren ...