Existenz Existenz : Der Weg zum eigenen Chef

Quedlinburg/Halberstadt - Von der Arbeitslosigkeit zum eigenen Unternehmen: Die Zahl der durch die Agentur für Arbeit Halberstadt geförderten Existenzgründern hat sich in den letzten fünf Jahren deutlich verringert. 2010 wagten im Landkreis Harz noch exakt 369 Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit. In den beiden Vorjahren pendelte sich das auf rund 80 ein.
Viele freie Stellen auf dem Arbeitsmarkt
„Hintergrund für den Rückgang ist die gute Situation auf dem Arbeitsmarkt“, so Dirk Heinemann, Teamleiter für Arbeitsvermittlung und Integrationsberatung bei der Agentur für Arbeit. Es gebe viele freien Stellen auf dem Arbeitsmarkt.
So waren beispielsweise im vergangenen Dezember 1 345 freie Jobs der Agentur gemeldet. 457 Arbeitslose konnten im gleichen Monat in Lohn und Brot gebracht werden. „Da nehmen viele lieber eine Anstellung an, als eine eigene Firma zu gründen“, sagte er.
Viele altersbedingte Inhaberwechsel
Hinzu komme, dass bei vielen Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen, die sich nach 1990 gegründet haben, jetzt ein altersbedingter Inhaberwechsel anstehe. Die Chefs hätten die Möglichkeit, die Firma zu schließen, zu verkaufen oder einen Nachfolger zu finden.
Und bei der Nachfolgersuche neigten sie natürlich verstärkt dazu, dass ehemalige Angestellte die Firmen als Existenzgründer übernehmen.
Eine klassische Branche, wie es vor Jahren die Hausmeisterdienste oder Baufirmen waren, in denen sich die Gründer verwirklichten, gebe es nicht mehr. Jetzt gehe es durch den ganzen Dienstleistungssektor.
Laut Heinemann vollziehen diejenigen, die heute den Weg zum eigenen Unternehmen wählen, den Schritt wohlüberlegter.
Monika Prinz hat den Schritt gewagt
So wie Monika Prinz. Die ausgebildete Ergotherapeutin hat Anfang August ihre Praxis im ehemaligen Kindergarten an der Stumpfsburger Brücke im Harzweg 27 in Quedlinburg eröffnet. Seit April hatte sie sich nach kurzer Arbeitslosigkeit auf Existenzgründerlehrgängen des Berufsverbandes auf die Selbstständigkeit vorbereitet.
„Ich habe den Schritt nicht bereut. Mein Traum von einer eigenen Praxis ist in Erfüllung gegangen“, sagte die 35-jährige Mutter einer sechsjährigen Tochter. Sie sei völlig zufrieden, die Praxis sei gut ausgelastet, so dass sie schon über eine Einstellung nachdenke. „Ich kann hier meine therapeutischen Methoden nach eigenen Vorstellungen umsetzen“, sagte sie. Warum sie nicht gleich nach dem Staatsexamen eine eigene Praxis gegründet hat? „Ich wollte erst noch praktische Berufserfahrungen sammeln“, betonte sie.
Klienten aller Altersgruppen kommen
Zu ihren Klienten zählen alle Altersgruppen. Sie kommen zur Therapie beispielsweise nach einem Schlaganfall, bei Demenz, Einschränkungen der motorischen und sensorischen Körperfunktionen, Multiple Sklerose, Parkinson, Phantomschmerzen oder mit Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsdefiziten.
Ziel einer Ergotherapie sei die Steigerung der Lebensqualität über die größtmögliche Selbstständigkeit in den Lebensbereichen Körperhygiene, Haushalt, Berufsleben/Schule, Freizeit sowie im sozialen Umfeld zu erlangen, sagte Monika Prinz. Neben der klassischen Therapie bietet sie auch eine spezielle tiergestützte Ergotherapie mit ihrer Hündin Debbie. Sie ist ein Parson Russell Terrier.
Zuschuss ist an Voraussetzungen gebunden
Existenzgründer können auch mit einem Gründungszuschuss rechnen. Dieser ist die Nachfolgeförderung für die Ende 2006 ausgelaufene Ich-AG, sagte Teamleiter Heinemann. Der Zuschuss sei aber auch an bestimmte Voraussetzungen gebunden, so müsse bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage ein Anspruch auf Arbeitslosigkeit bestehen.
Selbstständige können zudem freiwillig in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung einzahlen. Damit sinke auch das Risiko, falls die Geschäftsidee nicht von Erfolg gekrönt seien, in Hartz IV abzugleiten, so Heinemann.
Auch nach der sechsmonatigen Förderung - Arbeitslosengeld und ein Zuschuss von 300 Euro für die Sozialversicherung (SV) - gibt es ihm zufolge unter Umständen für weitere neun Monate den SV-Zuschuss von der Arbeitsagentur. So, wenn der Firmenerlös nicht ausreicht, um die Beiträge zur sozialen Sicherung zu bestreiten, aber sich die Einnahmen prognostisch positiv entwickeln werden.
Gründungspleiten weniger als 1 Prozent
„Glücklicherweise bewegt sich die Zahl der Gründungspleiten nach Ablauf der Förderung aktuell bei weniger als ein Prozent“, so der Teamleiter. Aus gutem Grund, wie er meinte: Anträge auf Gründungszuschuss würden nämlich von der Agentur für Arbeit sehr genau auf realistische Chancen geprüft.
Auf alle Fälle gilt, so rät Dirk Heinemann allen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen wollen, sich beim zuständigen Vermittler der Arbeitsagentur rechtzeitig zu informieren.
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In die Prüfung der Geschäftsidee werden beispielsweise die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände oder Kreditinstitute oder der Steuerberater einbezogen. Hierfür benötigt der Existenzgründer in der Regel eine Kurzbeschreibung der Geschäftsidee, einen Kapitalbedarfs- und Finanzierungsplan sowie eine Umsatz- und Rentabilitätsvorschau, heißt es von der Agentur für Arbeit.
Damit soll auch ein Scheitern durch eine „Übersättigung des Marktes“ der Region mit bestimmten Dienstleistungen, wie an Hausmeisterdiensten, entgegen gewirkt werden. Auf Wunsch werden den Gründern über die KfW-Bankengruppe auch weitere Experten zur Seite gestellt, die das Unternehmen einen bestimmten Zeitraum begleiten.
Die KfW ist die größte deutsche Förderbank, sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen, Städte, Gemeinden sowie gemeinnützige und soziale Organisationen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts des Bundes. Sie kann Existenzgründern mit einem Unternehmenskredit unterstützen. (mz)