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Beklebt, beschmiert, abgerissen, völlig zerstört  Beklebt, beschmiert, abgerissen, völlig zerstört : Irgendwas ist immer

Von Susanne Thon 11.03.2021, 08:56
Beklebt, aber intakt: die Stempelstelle 189 -  Große Teufelsmühle.
Beklebt, aber intakt: die Stempelstelle 189 -  Große Teufelsmühle. Thon

Blankenburg - Vor ein paar Tagen wurden sie erst wieder flottgemacht, die Stempelstellen am Grauwacke-Steinbruch bei Rieder, am Mausoleum, der Begräbnisstätte der Grafen von Asseburg-Falkenstein in Meisdorf, am Bergrat-Müller-Teich bei Friedrichsbrunn und auf der Ziegenalm in Sophienhof. Zwei weitere sind am Dienstagmittag als defekt gelistet: die Sonderstempelstellen am Schausägewerk Ehrt in Elbingerode und im United-Kids-Foundations-Wald bei Torfhaus.

„Von den 222 Stempelstellen gibt es kaum eine, die nicht im Laufe eines Jahres repariert werden muss“

Die Instandhaltung der Stempelstellen der Harzer Wandernadel gleicht einer Sisyphusarbeit. Fertig werden die Techniker nie, denn irgendwas ist immer. Zwei sind ständig im Einsatz.

„Von den 222 Stempelstellen gibt es kaum eine, die nicht im Laufe eines Jahres repariert werden muss“, sagt Christina Grompe, die Leiterin des Servicebüros in Blankenburg. Die 222, das sind die regulären. Dazu kommen noch einige Dutzend Sonderstempelstellen. Manchmal sind es nur kleine Reparaturen, Verschleißerscheinungen; mal ist ein Stempelkopf abgenutzt, ein Stempelgummi lose, oder das Stempelkissen muss ausgetauscht werden, weil es ausgetrocknet ist. Nicht selten aber sehen sich die beiden Reparateure mit mutwilligen Beschädigungen konfrontiert.

Das geht ins Geld

Vandalismus? „Ist ein sehr großes Problem“, räumt Grompe ein. Da werden die Kästen beschmiert und beklebt, Stempelgummis abgefummelt, ganze Stempel – sie sind mit Drahtseilen befestigt – geklaut und Deckel abgerissen. Mitunter sind die Zerstörungen so schlimm, dass nur der Austausch des Kastens bleibt. Wenn der aus 20 Metern runterknalle, könne man nichts mehr reparieren, sagt Grompe.

Das Beispiel ist nicht aus der Luft gegriffen: Dreimal schon wurde der Stempelkasten bei den Felswerken am Ortsrand von Elbingerode in den Tagebau geworfen. Und der an der Hasselvorsperre verschwand bereits zweimal; einen Kasten entdeckten Angler später bei Niedrigwasser.

250 Euro und mehr kostet ein Stempelkasten

So was geht ins Geld: Muss ein ganzer Stempelkasten erneuert werden, schlägt das mit 250 Euro zu Buche. Dazu kommen Anfahrt und Arbeitsaufwand. Beides kann beträchtlich sein, überzieht das Netz der Stempelstellen doch den gesamten Harz – von Bad Grund im Westen, der Stadt Falkenstein/Harz im Osten, Goslar im Norden und Nordhausen im Süden. Und nicht jede ist ohne Weiteres erreichbar, schon gar nicht, mit Werkzeug und – im ärgsten Fall – einem sperrigen, grünen Kasten im Gepäck.

Unterstützt werden die Techniker von Ehrenamtlern, die sich bereiterklärt haben, die Pflege einer Stempelstelle zu übernehmen, kleinere Schäden zu beheben. „Die Paten sind sehr engagiert“, erklärt Grompe.

Was in den Köpfen derer vorgeht, die kaputthauen, Stempel und Gummis mitgehen lassen?

„Wir fragen uns das jeden Tag“, sagt sie, leicht angefressen. Denn das muss wirklich nicht sein. Aber immer wieder montags – immer nach dem Wochenende – erreichen das Servicebüro „gefühlt 200“ Defektmeldungen.

Reparaturen werden, so schnell es geht, veranlasst, bestenfalls innerhalb von einem bis drei Tagen nach Eingang der Meldung. Nur über den Winter war das unmöglich, waren einige Stempelstellen schlicht nicht erreichbar.

Hotspots bei der Zerstörung

Der Größe des Gebietes geschuldet, würden  Touren zusammengestellt und dann mehrere Stempelstellen in einem Bereich angefahren, erklärt Grompe. Einige müssen die Techniker dabei häufiger aufsuchen als andere. Auch in puncto Reparatur gibt es Hotspots. Die Stempelstelle an der Rosstrappe ist laut Grompe so einer, die an den Sandhöhlen, „wo nicht nur Stempelwanderer unterwegs sind“, und auch „alles Richtung Brocken“.

Wer an eine Stempelstelle kommt, an der beispielsweise der Stempel fehlt, muss in dem Moment zwar auf den Abdruck im Heft verzichte,  aber anerkannt wird die Station trotzdem. Dazu, so Grompe, müsse man sich nur die Identnummer im Kasten notieren; „die zählt wie ein Stempel“.

Nachträglich stempeln ist im  Servicebüro möglich

In einigen Einrichtungen, beispielsweise am Josephskreuz oder an der Plessenburg, sind auch Originalstempel hinterlegt - sodass zumindest das Stempeln während der Öffnungszeiten  abgesichert ist. Und für all die, die es einheitlich mögen, gibt es einen Blanko-Stempel im Shop, in den man die Nummer der jeweils defekten Stelle eintragen kann. Nachträglich stempeln ist im  Servicebüro möglich. Dort - und nur dort - gibt es jeden Stempel noch einmal. Wenngleich es ja nicht ausschließlich ums Stempeln gehen sollte: „Keine Wanderung ist umsonst“, man entdecke Stellen, an die man sonst nie hingekommen wäre, sagt Grompe.

„Wir haben so einen Zulauf gehabt. Was konnte man schon machen – außer wandern?“

Das Stempelwandern ist ein schöner   Anreiz. Und es erfreut sich ihr zufolge wachsender Beliebtheit. Die Corona-Pandemie ist daran nicht ganz unschuldig „Wir haben so einen Zulauf gehabt. Was konnte man schon machen – außer wandern?“ Allein im vergangenen Jahr seien, so Grompe, rund 88.000 Wanderpässe verkauft worden. „Der Online-Shop floriert.“ Und wenn das Servicebüro - wegen des Lockdowns geschlossen - wieder geöffnet ist, dann dürfte auch die Nachfrage nach den Abzeichen sprunghaft steigen.

Wobei sich  nicht jeder, der stempele, auch alle kaufe. „Manche fangen erst beim  König an“, sagt Grompe. Daher lässt sich auch nicht sagen, wie viele Hoheiten es inzwischen gibt. Nur die Prinzen und Prinzessinnen - Kinder bis elf Jahre mit elf Stempeln - werden gezählt. Knapp 10.400 sind es inzwischen. Und natürlich die Kaiser und Kaiserinnen, also die, die alle 222 Stempel  erwandert haben.  Übrigens: Wer das schaffen will, ist laut Grompe zwischen  800 und 1.000 Kilometer unterwegs, je nach Route.

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Wanderer, die an eine defekte Stempelstelle kommen, können den Schaden melden – am einfachsten per E-Mail:  [email protected] (mz)